"Am Ziele deiner Wünsche wirst du jedenfalls eines vermissen: dein Wandern zum Ziel."


"Am Ziele deiner Wünsche wirst du jedenfalls eines vermissen: dein Wandern zum Ziel." - Marie von Ebner-Eschenbach

Molon Labe versteht sich als privates Story- und Fansite-Projekt des von dem fantastischen Erzählwerk Robert E. Howards inspirierten Massive Multiplayer Onlinegame Age of Conan.

Vor allem ist es ein Schreibprojekt von Geschichten rund um die gespielten Charaktere, angeregt durch das Spielgeschehen Hyborias in Age of Conan wirkt es schliesslich in einer eigenen fantastischen Welt vorantiker archaischer Zeit - ganz im Stile von Sword, Sex and Sorcery.


Sämtliche Veröffentlichungen sind Entwürfe oder Manuskripte, also unfertig. Es geht dabei nicht um literarische Meisterschaft, sondern um das einfache Erzählen mithilfe des Schreibens.

"Aus den Trümmern unserer Verzweiflung bauen wir unseren Charakter." - Ralph Waldo Emerson




Seiten

Belite, die Eroberin - Hohe Dienerin Mitras


Hier entstehen die Geschichten um Belite, eine sagenhafte Gestalt uralter Legenden grauer Vorzeit.

Eine Kriegsamazone, selbstsicher und unabhängig, die einzige weibliche Primus Centurio des Blutordens der Mitraner in einer brutalen männlichen Welt der Gier nach Macht durch Unterdrückung und Unterwerfung.

Belite ist gütig und liebevoll, tugendhaft und aufrichtig. Freiheit und Gerechtigkeit gehen ihr über alles.

Belite betet Mitra an, die ihr schliesslich auf fernen Reisen in einer Vollmondnacht erscheint, ihr das wahre weibliche Anlitz der Naturgöttin zeigt und sie zu ihrer Erleuchteten im ewigen Krieg gegen die dunklen Mächte der Unterwerfung und Zerstörung macht.

Einsam, aber nicht allein tritt sie für die Schwachen, Armen und Wehrlosen ein, wird aber von diesen als unheimliche Bedrohung angesehen, denn dort, wo sie Magie und Schwert hinführen, gerät die alte Ordnung aus Betrug und Falschheit aus den Fugen.

So wird aus ihr eine einsame Abenteurerin im Zwiespalt mit der Welt und im Ringen mit den beherrschenden Mächten. Deshalb erscheint sie verflucht, verfolgt, ist ihrer Bestimmung und ihrem Schicksal ergeben.

Belite ist die Keimzelle für eine kleine eingeschworene Gemeinschaft voller Sehnsucht und Hingabe, junge und eigensinnige Gefährtinnen, die ihr in freiem Willen ergeben sind und gemeinsam mit ihr traumhafte Momente der Glückseeligkeit und tiefgrausamen Qual erleben sowie in wundersamer Weise todesmutig für das Gute eintreten - bis zum Untergang.

Es gibt kein Entrinnen oder Erbarmen. Unerbittlich gibt es nur eine Entscheidung: Gut oder Böse - Leben oder Tod !

Sonntag, 22. August 2010

Belite V: "In der Dämmerung"

Nawatu erwachte, blickte in das orangerote Licht der Abenddämmerung. Am Himmel kreisten Raben und Krähen auf- und absteigend über den Aas und einige Greifvögel, die auch die menschlichen Kadaver im Auge hatten. Das Krähen und Krächzen erfüllte alles um sie herum. Dazwischen drängte sich das weit entfernte Jaulen von Wölfen. Sie hatte hier in dieser abgeschiedenen Gegend noch nie Wölfe gehört oder ihre Spuren gesehen. Jetzt nahten sie heran.

Sie atmete tief durch, lag nackt auf dem morastigen Boden, der sich lehmig, fast schlammig anfühlte. Sie fasste sich an ihre Brust und ihr Herz schlug schwer, tastete ihren Körper entlang und streckte sich mit einem leichten Ruck vor. Sie spürte keine Gliederschmerzen, fühlte sich nur erschöpft und ausgelaugt. Ihre Narben auf ihrem dunkelbraunen Körper waren rosarot und sie war überall mit Blut verschmiert. Ihre wunden Brustwarzen waren blutverkrusted angeschwollen und brannten. Brust und Unterleib drückten taub und ihre grünlich gefärbten Haare waren auch vom vielen Blut durchtränkt, verkrustet und verklittert.

Sie versuchte sich zu erinnern. Die Menschenfresser und der Pfeilhagel. Die Grotte. Die tödlichen Schüsse Turiyas. ... Und dann ? Nichts. Sie konnte sich nicht erinnern. Alles war wie weggewischt.


Wo war Turiya ? Sie erhob sich, stand da, nackt bis auf die Schulterbänder, die Stiefel noch an und ihre Halskette um. Überall lagen zerfetzte, leblose und ausgelaugte Kadaver. Es waren die Menschenfresser. Krähen und Raben machten sich an ihnen zu schaffen. Sie sah auf den eigenen zerrissenen Lendenschurz am Boden, völlig vom Blut besudelt. Angewidert hob sie ihn auf und schleuderte ihn angeekelt wie einen dreckigen Lappen weg zu den Krähen, die nur kurz meckernd aufflatterten und sodann erneut an den Fleischfetzten zogen. Sie wollte sich jetzt nur reinigen und waschen, sehnte sich danach, alles Unreine abzuspülen und sich zu erfrischen. Sie wollte schnell zurück zum See.

Sie nahm ihren Speer und den Dolch, dann schritt sie auf dem morastigen und teilweise zermatschten Boden die zerfleischten Leichen ab. Bevor die Wölfe hier sind, muß ich weg sein und ich muß zu den Pferden, sagte sie zu sich selbst. Sie kommen solange in unsere Höhle. Wir gehen zu Belite. Sie wird mir alles erklären. Ich glaube es war der Ring. Sie fasste an den Ring. Er fühlte sich so anders an. Wie ein weiches Teil von ihr. Nicht mehr so fremdartig. Sie musterte ihn etwas zögerlich und misstrauisch, fasste daran. Er war rottig wie immer, aber diesmal so ungewöhnlich anschmiegsam.


Wo war Turiya ? Sie stieg weiter zwischen den Leichen umher, die Raben und Krähen flogen auf, machten aber gierig weiter. Ein Greifvogel flog zornig auf, stiess herab und kreischte auf. Nawatu hob ihren Speer, dann zog sie ihren kleinen Elfenbeinstab aus dem Schulterarmband. Sie hob beschwörerisch ihre Arme, die wie zu Musik begannen zu schwingen. Der Greif war wie verstört und flog in weiten Kreisen in die Höhe, dann stürzte er herab, vertrieb zwei Krähen von einer anderen Leiche und hackte kräftig in das Leichenfleisch hinein.


Die Leichen sahen fürchterlich aus. Soviele ? Es waren mehr als zwanzig. Dann ging sie zurück zur  Felsgrotte. Nichts. Nur die vielen zum Teil zersplitterten Pfeile, wie ein Bambusbelag. Sie stieg nicht hinein. Los schnell zu den Pferden. Dann fiel ihr Blick auf ein feines langes Haarbüschel am Boden. Es hatte sich festgehakt an einer alten knorrigen Distel. Blondes langes Haar. Sie hob es sanft auf, hielt es zur Nase, roch daran. Turiya. Das Haar duftete so schön. Sie liebte Turiyas milchigen Körperduft, wie alles an ihr. Sie schaute genauer hin. Doch hier genau gab es wegen der Steinplatten keine Fussspuren. Sie ahnte Schreckliches. Sie hatte endlich einen weiteren aufrichtigen Menschen kennengelernt, dem sie sich anvertraute, dem sie vertrauen konnte. Und nun ? Nur wegen solcher Schweine soll es alles gewesen sein ? Die Zeit mit ihr war viel zu kurz und doch waren die kurzen Momente mit ihr so intensiv durchflutend. Nein, sie wollte jetzt ihre bitteren Gefühle nicht zulassen. Turiya mußte noch am Leben sein.


Sie rannte den Hang hinunter, wo die Menschenfresser hergekommen waren, um nach Hinweisen zu suchen. Nichts. Die Pferde und Mulis alle weg. Mehrere leblose und teils ausgeweidete und durchtrennte Menschenkörper lagen hier wie abgeworfen wüst aufeinandergestapelt. Ihre Opfer der Menschenjagd. Sie hatten zuviel Fleisch, da soviel getötet worden waren. Es hatten also einige überlebt. Schafften sie Platz für Turiya ? Frisches saftiges Fleisch, stieg es in Nawatu angeekelt und entsetzlich auf. Dann überlegte sie. Ob sie zur kleinen Höhle waren ?


Sie lief noch einmal zurück zu den Leichen. Die Aasfresser hielten Ruhe und liessen sich nicht stören bis auf ein paar Streitereien untereinander. Nawatu schaute alle Toten noch einmal an und was von ihnen geblieben war. Kein Häuptling, auch kein Schamane, wenn es einen gab. Ihre Anführer hatten überlebt. Wieviele hatten überlebt?


Die Dämmerung schritt schnell fort. Sie erreichte den See und die Pferde. Alle waren noch da. Aber die Angst vor den Wölfen sprach aus ihren Augen. Dann rannte sie schnell ins Wasser. Wusch sich alles ab, reinigte sich. Es tat ihr so gut. Ihre Brustwarzen brannten dabei stechend und zogen ihren Brustkorb zusammen. Sie presste ihre Lippen zusammen. Auch ihre Scham brannte, aber dieser Schmerz, der in ihrem Unterleib drückte, war für sie nicht wirklich neu. Mal stärker anschwellend, mal unspürbar, sie hatte sich daran irgendwie gewöhnt. Dann griff sie schnell zu den Trinkbeuteln. Füllte sie alle mit frischem Wasser, nahm einen Stärkungsmet, leerte den Beutel hastig. Schliesslich bepackte sie die Pferde mit dem gesammelten Proviant und den übrigen Sachen. Sie nahm auch die Rebhühner. Jetzt dachte sie unversehens an den Bären, sah in Gedanken Turiya mit ihrem so selten freudigen Gesicht ihr zuwinken. Sie konnte sich nicht mehr halten, schluchzte nun doch, schluckte bitter und würgte bei den Gedanken an Turiya. Sie begann zu trampeln und zu stampfen. Ihre Arme hart angespannt und ihre Hände zu Fäusten gepresst. Mit einem Mal riss sie die Arme vom Leib, ihr Körper streckte sich weit in die Höhe. Sie kreischte auf und ihr fürchterlicher Schrei im Widerhall der Berge schien die Luft schallend zu zerschneiden: „Nein!"


Das Geheul der Wölfe schien nun noch zügiger näher zu kommen. Sie ging schnell zu dem Hengst von Belite. „Komm. Fulgor. Zu Belite!“ Wild hob er den Kopf. Belite, darauf hörte er. „Aisha!“ Es war das gescheckte schwarz-weisse. Noch immer nackt sprang sie auf ohne Sattel. „Schnell zu unserer Höhle zu Belite.“ Sie klopfte Aisha auf die Seite. Sie zogen alle los, recht zügig im Trab hinter Aisha mit Nawatu. Der Hengst von Belite hielt immer Abstand und wechselte die Seiten, sofern die Felsen es zuliessen. Allmählich wurde es dunkler. Doch bevor es Nacht war, würden sie angekommen sein. Schließlich kamen sie in einiger Entfernung an der alten verlassenen Knochenhöhle vorbei.


„Hoh!“ Nawatu schaute hinauf zur Höhle. „Wartet hier.“


Mit einem Hüftschwung sprang sie ab, schlich sich den steinigen Hang weiter zur Höhle hinauf. Ja, jetzt war es klar zu erkennen, da war Licht. Es schimmerte flackernd auf. Schwach, aber erkennbar. Sie hielt ihren Kopf in die Höhe in alle Richtungen, drehte ihn, wie ein Tier, das schnuppernd Witterung aufnimmt. Sie ging geduckt noch etwas vor. Ich kann sie riechen. Die Schweine. Sie sind hier. Und bestimmt auch Turiya. Ihr Herz klopfte schneller. Ja, sie haben sie gefangen, werden sie nun gefügig machen und brechen, um sie teuer zu verkaufen. Sie weiss, was einer Amme blüht. Sie wird keinen Widerstand zeigen. Sie wird sich darin ergeben. Deshalb habe ich noch eine Chance, sie zu befreien. Dann ballte sie verfluchend eine Faust, reckte sie der Höhle empor und hielt mit der anderen den Speer. „Ihr seid tod. Ich zerreisse eure Gedärme. Ich fresse euer Herz. Und eure Schädel spiesse ich für alle sichtbar vor der Höhle auf!“ sprach sie fluchend aus, sich sicher, dass niemand sie hören konnte.


Sie machte sich keine Gedanken mehr, wieviele es waren. Sie wusste nur eins, da wo Turiya war, war auch sie. Ob lebendig oder tod. Sie war bereit das Leid und den Schmerz mit ihr zu teilen. Und sie würde alles daran setzen, sie zu befreien. Sie drehte sich um und sah wenige Meter entfernt etwas Helles und Zerknittertes liegen. Sie ging darauf zu und hob es schnüffelnd auf. Es war der Lendenschurz von Turiya mit ihrem noch fast warmen milchigen Duft. Sie war sich nun sicher, Turiya lebt! 

Sie kniff ihre Augen zusammen, die erneut zu lodern begannen. Sie stiess wilde Flüche und grässliche Verwünschungen aus und über ihr bitterböses Gesicht breitete sich am Ende ein finsterhämisches Lächeln aus. 

 
Sie rannte hinunter, schnell zurück zu den Pferden. Mit einem kräftigen Sprung setzte sie auf Aisha auf. Dann stiess sie die Füsse Aisha in die Seite, spornte das kräftige schwarz-weiss gescheckte Pferd an. Schon bald hatte sie die grosse Höhle erreicht. Sie sprang ab wie im Fluge, rannte hinein. Die Pferde folgten ihr von allein. Der Hengst blieb aber draussen.


"Belite! Belite!" rief sie.


Belite hatte sie schon sehnsüchtig erwartet, sie konnte schon lange nicht ruhen. Nawatu war überfällig und hatte bereits eine Ahnung. Ihr war sofort klar, dass die Gegenwart der Pferde unmittelbare Gefahr bedeutete. Was sollten sie sonst in dieser Höhle. Die fremde Aquilonierin war auch nicht da. An Nawatus Gesichtsausdruck las sie die Verzweiflung ab. Belite war bewusst, dass was schreckliches passiert war. Aber was war nicht schrecklich in dieser Welt ?Mal sehen, ob sie erst um den Brei herumredet, wie sonst auch, dachte Belite insgeheim. Sie braucht das, um ihre Gedanken zu ordnen und Mitra sei Dank nicht um zu lügen.


„Du siehst aus, wie eine Mumie“, sagte Nawatu. Denn Belite war noch immer nahezu vollständig von Verbänden umwickelt. „Danke, das war dein Werk,“ erwiderte Belite. "Aber sie sehen noch gut aus, es sickert nichts mehr. Wir können sie entfernen. Bis auf das Bein." "Und den Rippenbrüchen", wandte Nawatu ein. Belite schluckte. "Und du? Ziehst du denn jetzt gar nichts mehr an? Wie eine Eingeborene ?“  Nawatu schaute etwas beschämt. „Dafür hatte ich keine Zeit“, antwortete sie etwas trotzig „Puh, das hört sich nicht gut an. Was ist passiert?“ Belite griff nach Nawatus Hand. Die Blicke ihrer grünen Augen hüllten Nawatu ein. Nawatu schaute nun erschöpft und niedergeschlagen. „Während du die Verbände wechselst, kannst du alles erzählen.“ Sie fragte nicht nach ihrer Begleiterin. Sie kannte Nawatu nur zu gut, sie würde durchdrehen. „Die Verbände mach ich später. Wir essen jetzt was. Dann muß ich wieder los.“ „Und wer sagt mir, dass du lebendig wiederkommst?“ Nawatu schaute auf den Boden. „Pass auf, du erzählst mir alles, wechselst die Verbände später. Essen kann ich alleine. Verzichten wir auf die Rituale.“ „Ja, ich hab soviele Fragen.“ „Ach, soviele? Denke, es ist nur eine, der Rest klärt sich dann von selbst. Komm, du hast keine Zeit zu verlieren.“


Belite nahm sie in den Arm und zog sie auf ihr Lager. Nawatu liefen die Tränen nur so herunter und sie weinte. „Nawatu, man hätte dich nach einem Gebirgsbach benennen müssen.“ Sanft strich Belite ihr durch das Haar. „Du bist verletzt, aber es heilt unnatürlich schnell." Belite musterte Nawatus Brüste und die aufgequollenen verkrusteten Stellen an den Brustspitzen. "Es müssen sehr viele gewesen sein. Die Öffnungen waren sehr stark. Sie hätten auch für fünfzig gereicht, " sprach sie wohl auch laut für sich selbst . "Nawatu, zieh dir was über, wenigstens einen Lendenschurz. Gut, dann mach uns was zu essen, wir sind beide hungrig und du mußt dich stärken, wenn du kämpfen willst. Dein Schlangenring hilft dir jetzt nicht mehr. Der braucht jetzt erstmal eine Pause. Bei neuen Ringträgern ist seine Macht nach einer Schlacht erschlafft und träge." Nawatus Augen waren weitgeöffnet, schauten Belite erstaunt an. Belite wusste offenbar alles. Aber genau das hatte Nawatu auch von ihr erhofft.


"Bitte pfeif erstmal deinen sturen Fulgur, er will uns beschützen, draussen kommen Wölfe,"sagte Nawatu wie beiläufig. "Wölfe ? Hier ?" Sie pfiff, auf ihre unbeschreibliche Weise und man konnte die Hufe und das freudige Wiehern des Hengstes hören. „Fulgur!“ vor ihrer Liegestätte blieb er abrupt stehen, senkte seinen Kopf, stiess gegen den ihren. „Aua“ Belite griff nach ihm und er hob seinen Hals, zog sie hoch. Sie liess ihn nicht los. Belite strahlte. Sie hatte Kraft, war stark, obwohl sie noch so schwer verwundet war. Alles schien auf einmal vergessen. Sie stand nun auf ihrem Lager und konnte sich kaum halten. Sie stand auf einem Bein, hielt den Klumpfuss leicht angewinkelt hoch. Nawatu sprang ihr zur Seite. „Mein Fulgor, wir haben uns vermisst,“ dann Nawatu zugewandt, "ein paar Wolfsfelle würden auch nicht schaden. Immerhin könnten wir sie im nächsten Dorf tauschen oder verkaufen. Natürlich erst Morgen - mit Turiya!" 

Mit einer Hand hielt sie Fulgors Ohr und klopfte mit der anderen seinen mächtigen Hals, was mit den steifen Wickelungen der Verbände sehr skurril aussah. Nawatu lachte endlich wieder, denn Belite gab ihr die Geborgenheit, die Selbstsicherheit und das Gefühl schon morgen mit Turiya erneut zusammen zu sein. "Hört endlich auf ihr beiden!" rief sie, "das ist ja nicht zum aushalten!"  


Nachdem alles von Nawatu zubereitet war und die leckeren Dämpfe die Nasen verwöhnten, assen sie nun zusammen und sie genossen das Beisammensein. Der Hengst wich nicht mehr von Belites Seite. Er stand nur zwei Meter entfernt hinter ihr, kam manchmal näher ran, auch das gescheckte Pferd Nawatus Aisha. "Wir leiden alle unter Entzugserscheinungen,"stellte Belite genüsslich fest. "Das ist ja wie auf einem Ponyhof." Beide lachten kurz auf, dann wurden beide wieder ernst. Nawatu berichtete Belite alles – bis zum Filmriss und was sie danach festgestellt hatte. Auf Nawatus Schenkeln schlängelte ihre Schlange, die sie aus dem Korb geholt hattte. Die Schlange genoss sichtlich die Körperwärme und wurde immer ruhiger nach anfänglicher Aufgeregtheit..


"Pass auf, meine liebe Nawatu, ich gebe dir deine Erinnerung zurück. Du wirst sie neu durchleben. Dann wirst du sie bei dir tragen, wie jede andere Erinnerung auch. Ich versetze dich in Trance, so erhältst du sie zurück. Dann gebe ich dir ein paar Hinweise, wie du sie töten kannst, auch ohne Einsatz deines Ringes. Denn dass du eine kleine Kämpferin bist, die man bald überall fürchten wird, das habe ich von Anfang an gewusst. Du, wo du einst ein einfaches Hüttenmädchen warst, geknechtet von deinen Eltern und der ganzen Sippe, der du geopfert werden solltest. Du, die in der Wildnis umherstreifte und mit den Tieren dich unterhieltst. Nintu, hat dich entdeckt, deine kindliche Natürlichkeit und dein unverfälschter Verstand hat sie beeindruckt. Deshalb hat sie, die Schlangengöttin, dich in ihr Herz geschlossen. Und ich auch."

Belite hielt für eine Moment inne, atmete tief durch. Ohne Nawatu konnte sie sich ihr Leben nicht mehr vorstellen. Dann fuhr sie weiter.

"Deshalb gibt dir der Ring diese unermessliche Kraft. Aber auch Weisheit wirst du erlangen, je länger diese Kräfte auf dich wirken. Du wirst in einer Weise reifen, wie es ein gewöhnlicher Mensch nicht vermag. Ja, du wirst vielleicht auch mich dann überragen. Ich fürchte es nicht, denn wir sind eins. In Mitra und Nintu finden wir zusammen. In dir tritt Nintu nach aussen in Erscheinung, wenn die Gefahr am grössten ist. Nintu wird dich leiten mit der Intelligenz und geschmeidigen Eleganz der Schlange. Nenne deine Schlange nach ihr, denn sie ermöglicht und verstärkt ihre seelische Gegenwart. Die Ringzauber kehren dann schneller zurück. Sie wird dir immer folgen. Sie ist heilig. Belite richtete ihren Oberkörper auf, nahm die Schlange mit beiden Händen, hob sie in die Höhe, dann küsste sie sie auf ihre züngelnde Schnauze. Kein Zischen, keine Gefahr. Nawatu war wieder sie selbst und staunte mit offenen Mund. Nun kroch die Schlange die Schulter und den Hals von Belite entlang, dann zischte sie zu Nawatu rüber, duckte sich und glitt an Belites Arm herab zu Nawatu, legte sich in ihren Schoß. Belite und Nawatu lächelten sich an.


"Und ich hoffe so sehr, dass deine Turiya für dich so ist, wie du sie beschreibst und nicht, dass es nur eine flüchtige Verliebtheit ist. Aber selbst die ist dir so sehr gegönnt. Ich wünsche euch, dass ihr gemeinsam noch viele glückliche Tage verbringen werdet. Turiya wird zu uns gehören – eine wahre aquilonische Kriegsamme können wir wirklich gut gebrauchen. Und ein gute Bogenschützin als Jägerin  sowieso. Bei Mitra – sie ist ein Geschenk unserer Göttinen selber. Schon allein ihr Name ist gewaltig, das kann kein Zufall sein. Und das ihr Feuer und Flamme seid. Was geschieht, geschieht in Nintus und Mitras Namen. Sie wollen sich wieder vereinen - auch in euch. Uns stehen gewaltige Dinge bevor." Belite wußte genau um ihre Worte. Nawatus seelisches Gleichgewicht war wiederhergestellt. Ihre Augen leuchteten und der ockerfarbenen Schein blitzte dabei gelegentlich hervor. Sie fasste Belite ins seidige Haar, den freien Arm entlang, fühlte die Haut und streichelte sie immer wieder. Belite verschwieg ihr, dass auch in den schönsten Stunden Nintu erscheinen könnte, also nicht nur in grösster Gefahr. Sie wollte nicht, dass Nawatu sich um Turiya deswegen Sorgen machte. Doch Belite war sich sicher, dass Nintu Turiya bereits bei dem Gemetzel an der Grotte akzeptiert hatte, sonst wäre sie schon tod. Sollten sich Nawatu und Turiya wirklich lieben, würde Turiya eine traumhafte Liebesnacht erleben, wie sie für einen Menschen nicht vorstellbar ist. Belite schien, dass Turiya dies aber durchstehen und auch Nintu Befriedigung schenken würde. Alles andere wäre ein Schreckgespenst und Belite blendete jeden weiteren Gedanken daran aus.


Belite richtete sich nun auf, ergriff die Hände Nawatus. "Schau mich an Nawatu, ganz tief in meine Augen hinein. Der grüne Blick Belites hüllte sie ein, wie damals, als sie sie zum erstenmal traf, betäubte sie. Belite setzte nun ihre magischen und schamanischen Kräfte ein, als einstmals erste Seherin von Venoyha, als der man sie kannte und um ihre Kräfte man sie fürchtete und sie jetzt als Hexe verfolgte. Nawatu verfiel einer hypnotischen Trance und durchlebte die Schrecknisse des Tages und ihre eigene Verwandung noch einmal. Sie sah sich selbst und Turiya, die bestialischen Schlangen und die grausame Vernichtung der Menschenfresser. Belite, die nun alles selbst mitverfolgte, wie ihr eigenes Erleben, wurde klar, dass der Ring seinen Träger wirklich gefunden hatte. Nawatu war auf Anhieb gelungen, was manchen Set-Priestern bei höchster Anstrengung nicht gelang. Sie hatte nur durch ihre Gabe erreicht, was diese erst nach langem harten Training bewirken konnten. Nawatu war die Auserwählte, sie würde ganze Heerscharen in Panik versetzen. Das war nur der Vorgeschmack der schrecklichen Kraft der Ringes, aber an der Seite der Naturgöttin Mitra und ihres heiligen Schutzringes gebunden, war er unter gütlichen Einfluss. Die Schlangengöttin Nintu und die Naturgöttin Mitra waren wieder vereint. So schien es ihr, aber vermutlich war es dazu noch zu früh, dies zu beurteilen, noch war es nur das Band der Ringe, die sie wieder zusammenführten. Grausames Menschenwerk hatte sie getrennt. Wieder vereint waren sie eine Macht, die sich gut behaupten konnte im gnadenlosen Krieg gegen die dämonischen Kräfte der Unterwerfung und Zerstörung. Jetzt hatten sie Stärke gewonnen und Furcht würde ihre Feinde ergreifen, sobald sie davon erführen. Und diese würden nun sie beide und somit auch Turiya als wirklich ernste Bedrohung ansehen und gegen sie zum Kampfe rüsten, sie unbarmherzig verfolgen.


Nawatu kam wieder zu sich als Belite sie aus der Trance entliess.


"Na," Belite liess sich auf ihr Lager zurückgleiten. Nawatu fasste sich. "Deine Gedanken sind jetzt klarer. Ich habe noch etwas nachgeholfen, damit du nicht den Verstand verlierst, denn das kannst du jetzt nicht gebrauchen", fuhr Belite fort. Nawatu sass nun aufrecht da und nickte. "Ich bin stolz auf dich, Nawatu", sagte Belite. "Dein Ring wird dir nicht helfen können. Er benötigt etwas Ruhe, wird dann aber stärker sein. Ich werde dir erklären wie du es selbst schaffst. Denn ich weiss, wie man ein feindliches Lager überwältigt. Befolge die Ratschläge gut und du wirst Turiya befreien. Ich hoffe, dass sie noch am Leben ist. Es wird sehr schnell gehen, wenn du alles richtig machst. Danach kommt ihr beide zurück und erst dann brauchst du meine Verbände wechseln. Das dauert jetzt alles viel zu lange. Andernfalls kämst du jetzt sowieso zu spät."


Nawatu nickte erneut und schaute traurig auf den Boden, dann zu Belite. Belite erklärte ihr nun, wie man unbemerkt in ein feindliches Lager eindringen, wie man unbemerkt in die Höhle gelangte und wann und wo man am sichersten zuschlagen konnte. Nawatu staunte nicht schlecht und wurde zuversichtlicher, es mit den brutalen und starken Anführern der Menschenfresser im Kampfe aufzunehmen. Sie, die eigentlich ein geknechtetes Dorfkind und mit der Natur verbunden war und mit Schlangen spielte. Sie würde nun ihnen, die hunderte, vielleicht tausende Menschen mit eigenen Händen brutal gequält, im Kampfe getötet, geschändet und verspeist oder versklavt hatten, den Todesstoss versetzen. Welch eine Ironie des Schicksals. Welch ein Lächeln der Götter dank der überlegenen Kampferfahrung und Kriegsweisheit Belites. Beim Himmel Turiya erlösen und befreien können. Wahnsinn, Traum und Liebe lagen so dicht beieinander, wie die Wirklichkeit.


Sie konnte es kaum fassen, in dieser Weise handeln zu müssen, aber sie war fest entschlossen genau das zu tun. Belite sagte dann: "Du und Turiya, ihr werdet euch nachher noch viel besser verstehen, denn als Kriegsamme, weiss sie um diese Dinge. Sie wird dich als Gleiche anerkennen nach deiner Tat. Ihr werdet unzertrennlich, ihr werdet eins sein. Ich denke, ihr werdet euch lieben. Und mir ist es lieber, dass ihr euch liebt, als dass man euch zu Tode schändet. Vielleicht trefft ihr doch noch auf einen starken Mann mit Ehre und Gefühl. Eure Freundschaft wird er nicht zerstören. Er wird sie akzeptieren, wenn er weiss, wie schrecklich das Leben ist. Er wird euch sogar beschützen und lieben. Aber davon gibt es nur sehr wenige, aber wenn er kommt, dann wird er euch überwältigen in einem Rausch der Verliebtheit, wie es eben nur Männer mit uns anstellen können. Ich sage dir dies, damit du weisst, dass ich es gutheisse, was ihr beide tut und euch in meinem Herzen tragen und beschützen werde. Wir werden noch so manche Schlacht, so manches Ungemach gemeinsam bestehen. Denn Feinde haben wir, sie treiben uns entgegen wie der Sand am Meer. - Es wird ein kleiner Kampf sein, aber häufig sind auch die kleinen Kämpfe sehr entscheidend. Ohne sie gibt es keine grossen, denn das Grosse wird durch sie erst groß. Es sind wilde Krieger, die du, wenn du dich richtig verhältst, in einem Handstreich überwältigst. Sei wie die Schlange, die in dir wohnt. -  So, nun ab mit dir ! Es ist dein Kampf deines Lebens und um deine grosse Liebe."

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