"Am Ziele deiner Wünsche wirst du jedenfalls eines vermissen: dein Wandern zum Ziel."


"Am Ziele deiner Wünsche wirst du jedenfalls eines vermissen: dein Wandern zum Ziel." - Marie von Ebner-Eschenbach

Molon Labe versteht sich als privates Story- und Fansite-Projekt des von dem fantastischen Erzählwerk Robert E. Howards inspirierten Massive Multiplayer Onlinegame Age of Conan.

Vor allem ist es ein Schreibprojekt von Geschichten rund um die gespielten Charaktere, angeregt durch das Spielgeschehen Hyborias in Age of Conan wirkt es schliesslich in einer eigenen fantastischen Welt vorantiker archaischer Zeit - ganz im Stile von Sword, Sex and Sorcery.


Sämtliche Veröffentlichungen sind Entwürfe oder Manuskripte, also unfertig. Es geht dabei nicht um literarische Meisterschaft, sondern um das einfache Erzählen mithilfe des Schreibens.

"Aus den Trümmern unserer Verzweiflung bauen wir unseren Charakter." - Ralph Waldo Emerson




Seiten

Belite, die Eroberin - Hohe Dienerin Mitras


Hier entstehen die Geschichten um Belite, eine sagenhafte Gestalt uralter Legenden grauer Vorzeit.

Eine Kriegsamazone, selbstsicher und unabhängig, die einzige weibliche Primus Centurio des Blutordens der Mitraner in einer brutalen männlichen Welt der Gier nach Macht durch Unterdrückung und Unterwerfung.

Belite ist gütig und liebevoll, tugendhaft und aufrichtig. Freiheit und Gerechtigkeit gehen ihr über alles.

Belite betet Mitra an, die ihr schliesslich auf fernen Reisen in einer Vollmondnacht erscheint, ihr das wahre weibliche Anlitz der Naturgöttin zeigt und sie zu ihrer Erleuchteten im ewigen Krieg gegen die dunklen Mächte der Unterwerfung und Zerstörung macht.

Einsam, aber nicht allein tritt sie für die Schwachen, Armen und Wehrlosen ein, wird aber von diesen als unheimliche Bedrohung angesehen, denn dort, wo sie Magie und Schwert hinführen, gerät die alte Ordnung aus Betrug und Falschheit aus den Fugen.

So wird aus ihr eine einsame Abenteurerin im Zwiespalt mit der Welt und im Ringen mit den beherrschenden Mächten. Deshalb erscheint sie verflucht, verfolgt, ist ihrer Bestimmung und ihrem Schicksal ergeben.

Belite ist die Keimzelle für eine kleine eingeschworene Gemeinschaft voller Sehnsucht und Hingabe, junge und eigensinnige Gefährtinnen, die ihr in freiem Willen ergeben sind und gemeinsam mit ihr traumhafte Momente der Glückseeligkeit und tiefgrausamen Qual erleben sowie in wundersamer Weise todesmutig für das Gute eintreten - bis zum Untergang.

Es gibt kein Entrinnen oder Erbarmen. Unerbittlich gibt es nur eine Entscheidung: Gut oder Böse - Leben oder Tod !

Montag, 28. Dezember 2009

Belite III: "Die Fremde"

Als Belite ihre Augen öffnete, schaute sie in die vor lauter Freude überquellenden Augen Nawatus. Das freudige Lachen von Nawatu rief sie aus düsteren Gedanken. So ein glücklich strahlendes Gesicht hatte sie an Nawatu noch nie gesehen, dabei war Nawatu kein Kind von Traurigkeit, trotz allem was man ihr angetan hatte. Sie hatte hübsche leicht gewölbte Wangen, ein etwas leicht hervorgehobenes Stirnbein, wohl von einer früheren Verletzung aus ihrer schlimmen Kindheit und einen offenen, aber stets kritischen Gesichtsausdruck. So schwarz und fröhlich wie sie sein kann, bei Mitra, ich muß auf sie aufpassen, war Belites erster Gedanke.

Belite war sich aber nicht sicher, was sie insgesamt davon halten sollte und was überhaupt vorgefallen war. Sie mußte husten. Ihr ganzer Hals und Mund war trocken. Nawatu sprang auf und rannte los. „Nawatu, bitte bleib !“ Sie hustete weiter, konnte den Reiz nicht mehr kontrollieren und Nawatu hockte, bereits zurück, ganz dicht vor Ihr und Limonenduft durchströmte Belites Nase. „Hier, trink ! Ganz vorsichtig “ Ein wunderbar erfrischendes und kühlendes Gefühl durchströmte ihren Mund, den Rachenraum, die Kehle hinunter bis in den Magen. „Frischer Heilbeerensaft mit Gletscherwasser“ sagte Nawatu. "Riecht aber nach Limone", bemerkte Belite. "Das bin ich, meine Hände riechen nach Limone", erwiderte Nawatu und strahlte noch immer. Diese fröhliche Stimmung umfasste ihr ganzes Wesen und war unwiderstehlich, wie Belite schien. „Ein ganz neues, Geheimrezept“, fuhr Nawatu fort, „ich nenne es den Höhlentodtrunk“, Nawatu lachte heiter auf. „Oder was meinst du zu dem Namen ?“

Belite mußte leise mit ihrem Verstand ringend in sich hinein lachen, spürte die Schmerzen noh intensiver mit jedem zuckenden Lachreiz an der Brustseite und dachte, dass Nawatu nie erwachsen werden würde. Aber vielleicht sei das auch besser so. „Ist dir sehr gelungen, schmeckt fabelhaft. Hör auf, es tut weh,“ meinte es nicht so und griff nach dem Trinkbeutel und setzte beidarmig zu einem langen ausgiebigen Zug an. Ihre ernste Miene wich allmählich einer heiteren Gelassenheit.

„Sag mal, woran kannst du dich erinnern?“ „Ich habe mit Dir gesprochen unten am Ende eines Höhlenganges, danach weiß ich nichts mehr, ich war besorgt um dich, dass du es nicht alleine schaffen könntest, ich dachte, ich müßte sterben.“

Sie kam nicht mehr weiter, denn mit einem Satz stand Nawatu auf den Beinen, drehte sich im Kreis um die eigene Achse, lachte laut auf, sprang in die Höhe, ja fing an zu tanzen, wie es nur Nawatu so traumhaft vermochte, doch es wirkte in dieser Situation so irrwitzig und so komisch, sodass Belite erneut unwillkürlich auflachen mußte und dachte bei sich, was ist nur mit ihr los ?

"Ich fühle mich schon etwas besser," stellte Belite anerkennend fest. Nawatu wandte sich ihr zu und nickte freudig. "Wer soll dich sonst aufheitern ?"

Und schon saß Nawatu im Schneidersitz wieder direkt ganz dicht neben ihr mit dem Blick zu ihr hingewandt, sodass ihre Schenkel ihr Becken berührte, sie ihre Körperwärme spürte und ihren Körperduft, eine Mischung wie aus Moschus, Wiesengrün und Limone zog in ihre feine Nase. „Dann ist doch alles in Ordnung, wenn du noch weißt, was vorher war. Aber das war nicht unten, sondern schon hier oben in unserer Höhle. Du hast dich bis zum Eingang hierher hochgeschleppt, was ziemlich an ein Wunder grenzt.“ Sie zeigte zur rechten Seite auf die Öffnung in etwa funfzig Meter Entfernung. „Hm, das habe ich nicht mitgekriegt, nur dass ich mit dir geredet habe, wie in einem Traum. Ich weiß nur, dass ich mich schon über einen Tag durch die Gänge quälte nachdem der Kampf vorüber war und ich wohl wieder zu Sinnen kam oder eben träumte. Nichts schien mir mehr wirklich wirklich.“

„Warum haben sie mich nicht verfolgt und getötet ?“ „Bist du irgendwo runtergefallen ?“ „Ja, an einem Felsvorsprung erwischte mich erneut so ein verwunschenes Ungeheuer mit einem mächtigen Schlag in der Seite und ich fiel hinab, etwa nur vier bis fünf Meter tief in einen Spalt.“ „Wie bist du da denn rausgekommen ?“ fragte Nawatu. „Ach der Spalt verlief wie eine Röhre und mündete direkt zu einem Pfad. Aber es lauerte dort niemand, womit ich eigentlich gerechnet hatte.“ „Ja, dann waren sie wohl nur zu faul oder froh dich los zu sein.“

Und Nawatu lachte freudig und gut gelaunt lauthals auf. Ihre Heiterkeit war richtig ansteckend und Belite erhellte es so wohltuend das Gemüt. Wer hatte ihr Nawatu nur geschickt ? Die Mitra-Göttin selbst ? Oder die Schlangengöttin Nintu, der erst drittklassige Set-Priester ungewollt zur Wiederaufstehung verhelfen sollten ? Und wieso ausgerechnet Nawatu, ein unschuldiges naturverbundenes Mädchen hier in Venoyha weit ab von umkämpften den heiligen Stätten ? Ihr wurde wieder bewusst, welche Verantwortung für Nawatu auf ihr lag und welche Mächte sich um sie versammelten.

Oh, nein, was wird das nur wieder alles geben ? Nawatu, ein lieber Mensch, der genau ihre eigene Stimmung traf und aufdeckte. Und rabenschwarz noch dazu mit ihren zotteligen Haaren. Was ist das nur eine verrückte Welt ?

„Was meinst du wohl, wie lang du hier bist ? Wie lange du geschlafen hast mit schlimmen Fieber und Albträumen ?“ „Mit Fieber und Albträumen? Dann muß alles was ich danach in Erinnerung habe geträumt sein.“ Belite wollte sich erheben, nur das ging nicht, ein erdrückender Schmerz durchfuhr ihre Glieder, sodass sie wieder zurückfiel auf ihr Lager und auf Nawatus Hand, die sie geschwind auffing und abfederte.

Nawatu schaute für einen kurzen Moment sehr ernst, aber dann erfüllte sie wieder Fröhlichkeit. „Hinter deiner rechten Brust ist eine tiefe Wunde wohl von diesem Ungeheuer“ Belite fühlte vorsichtig an die Seite auf die große Kräuterauflage. „Sehr tief?“ „Sehr tief“ kam es trocken und diesmal bitter zurück.

„Wie lange?“

Belite schaute ihren Körper hinab, der stark, fast total zugedeckt war von verschiedenfarbigen Kräuterheilpasten und Heilbandagen. Ihr linker Fuß war fast völlig steif und eingebunden.

„Oh, nein !“ Belite rang um Fassung, das Ausmass ihrer Verletzungen wurde ihr allmählich klar ins Bewusstsein gerufen. Nawatu fasste sie ganz zärtlich, aber fest. „Bitte nicht,“ appellierte Nawatu. Es war soviel Traurigkeit und Mitgefühl in ihrem Blick, das Lächeln war verschwunden. Belite holte immer rascher Luft, versuchte dagegen anzukämpfen, aber erst vereinzelt schmerzhaft und dann zunehmend mehr liefen Tränen aus ihren geröteten und geschwollenen Lidern die Wange entlang. Das erste Mal seit ewig langer Zeit.

Nawatu beugte sich über sie, fasste Belites Kopf von beiden Seiten, rieb sanft Wange an Wange. Belite fühlte nun auch das weiche Wasser von Nawatus Tränen. Sie fühlten ihren gegenseitigen Herzschlag und ihre Körperwärme. Dann weinten beide in dieser umarmenden Haltung für einen Moment.

„Sag mir, bitte, ist noch alles da ?“, fragte Belite nun zaghaft und sogar ängstlich. Von der stolzen Würde einer Kriegerin war nichts mehr zu spüren, fasste dabei auf die große Bandagen um ihre Brust. Sie war nun ganz Frau voller Gefühle und Sehnsüchte. „Ja, alles,“ flüsterte Nawatu, noch immer leise schluchzend. „Wie werde ich nur später aussehen ? Ich sah doch nicht schlecht aus ? Sag mir, wird es jemals wirklich wieder ? “

Nawatu fasste sich und fand zu ihrer vorherigen Sitzhaltung zurück. „Ich glaube ja, verzeih mir, du bist die erste weisse Frau, der ich begegnet bin, ich weiß nicht, ob Weisse überhaupt gut aussehen können, es hiess immer sie seien häßlich, aber du bist schön, voller Würde und Weiblichkeit, dich mochte ich von Anbeginn. Du wirst es bleiben, ganz bestimmt, so wie ich,“ erwiderte Nawatu.

Belite dachte an den schrecklichen Zustand Nawatus, als sie sie befreite und beruhigte sich wieder ein wenig, obgleich ihr der Gedanke nicht gefiel. „Ich weiß, dass die Weissen sehr häßlich sind in euren Augen und manchmal denke ich es auch, aber du wirst sehen, nicht alle. Ich bin doch auch nicht häßlich.“

Nawatu schaute bedrückt auf den Fußboden, „Du bist auch eine Ausnahme“, rieb sich die Augen und wischte sich die Wange.

„Und mein Fuß, mein Bein?“ Belite richtete sich nun wieder entsetzt auf, blickte bis zum Ende ihres Körpers hinab, fiel aber gleich nach hinten und Nawatu fing sie erneut auf, liess sie langsam hinabsinken. „Mit einem Klumpfuß ist doch alles vorbei. Soll ich dann nur noch in einer Hütte vor dem Kochtopf stehen ? Oder Bäuerin werden? Lieber bringe ich mich um.“

„Soll ich ehrlich sein ?“ erwiderte Nawatu. Belite schaute starr an die Decke auf die bizarren Konturen der Felswölbungen im Halbdunkel, nickte und drehte ihren Kopf weg zur anderen Seite, gefasst auf das, was nun folgen würde. „Ich wollte ihn erst abhacken, war überfordert, aber dann, ich hatte das Beil schon geholt, sah ich, was ich probieren konnte. Nun dein Fuss ist noch da. Aber du spürst nichts außer Druckschmerz. Die Gefühle werden wohl noch später richtig zurückkommen, wenn ich nichts falsch gemacht habe, und du wirst wieder laufen können. Aber mit der Hetzjagd ist es vorbei. Doch kämpfen wirst du können. Sicher. Fühlst du denn gar nichts, als ob der Fuß weg wäre?“

„Doch, doch, er klopft und pocht, spannt, dann ist er wieder völlig taub. Ich kann ihn nur nicht bewegen.“ „ Los, zeig es mir, dreh ihn nach links und nach rechts. Los!“ "Bist du verrückt geworden ? Du gibst mir Befehle? Du Mohrenkopf!", empörte sich Belite. Nawatu verdrehte ihre Augen, nickte mit langgezogenen Mund. "Ja, los! Versuch es! Bitte." Belite atmete tief durch, schüttelte den Kopf, blinzelte hinunter und strengte sich an. Tatsächlich ganz langsam spürte sie die Bewegung und die Muskelanspannung zog ihr Bein hinauf, wie ein harter Strang bis zum Unterleib. Aber es ging. Der Fuß bewegte sich ganz langsam und wenige Zentimeter. „Es geht“, sagte Nawatu. „Es geht ja. Noch mehr !“ Der Fuß bewegte sich weiter und Belite lief von der Anstrengung der Schweiß von der Stirn. „Ja, jetzt auch nach rechts. Andersherum. Es geht. Genau, siehst du das auch ? Es geht. Nochmal.“ Belite hielt sich etwas höher mit dem linken Arm gestützt, schaute eisern hinab zum bandagierten Fuß. „Versuch es nochmal. Ja. Nochmal. Es geht doch,“ immer freudiger und überzeugender war der Klang von Nawatus Stimme. Der Fuß bewegte sich nun schneller und weiter.

Beide lächelten auf einmal wieder. „Ich kann nicht mehr.“ Belite sank erschöpft und pustend zurück. „Der Knochen war nicht ganz durch, nur angeknackst, deshalb wurde der Fuß immer dicker. Schlimm war der eine Muskel. Du mußt ihn ruhig halten, aber so oft du kannst bewegen.“ Belite lachte in sich hinein, was hab ich ihr nur beigebracht ? „Oh, bei Mitra, Nawatu!“ Dann jauchzte sie freudig aus sich raus.

„Wie lange ?“

„Es waren sieben Tage mit kurzen Wachphasen ohne wirkliches Wachsein. Ich dachte schon, du würdest es nicht mehr schaffen. Ich habe ständig alles versorgt, so wie ich es von dir gelernt habe.“ „Ich glaube, du hast mehr geleistet,“ sagte Belite knapp. Nawatu hielt inne und mächtiger Stolz erfüllte sie. Dann fuhr sie fort. „Aber ich bin der glücklichste Mensch auf Erden, dich so wiederzusehen, sprechen und erleben zu können.“

Nawatu streichelte ihren Oberarm und küsste sie ganz sanft auf die Stirn. „Ich muß nachdenken und ich bin hundemüde. Total benommen.“ „Du stehst auch unter Droge,“ sagte Nawatu knapp, „Du würdest es sonst nicht aushalten.“ „Wir werden dann wohl noch etwas länger hier verbingen,“ stellte Belite ernüchtert fest. „Bestimmt,“ erwiderte Nawatu. „Es wird eine lange Zeit sein. Viele Monde. Eine ganze Jahreszeit. Doch sag, werden die Dämonen nicht hierher kommen ?“ „Nein, sie werden uns in Ruhe lassen, sie wissen, dass ich zurückkommen werde. Sie brauchen mich nicht zu holen. Nur wird es ein Wiedersehen sein, das sie verfluchen werden. Das denken sie natürlich nicht. Außerdem meiden sie den Aufstieg. Man müßte sie schon locken oder ihr Herrscher befiehlt es. Nur dazu gibt es keinen Grund, sie haben schliesslich gewonnen.“

Nawatu blickte nun tief traurig nach unten. Belite wendete ihren Kopf Nawatu zu, schaute fest mit grünlichen Blick in Nawatus Augen, entdeckte das leicht glühende ockerfarbenen Funkeln im Blick Nawatus. Bei Mitra, das weiß ich nun, ohne sie wäre ich wohl tod, dachte Belite, so treu, standhaft und lieb wie sie ist, ich muß es ihr jetzt sagen, ich bin mir jetzt sicher.

„Nawatu, öffne das Amulett meiner Halskette.“ Nawatu nahm etwas verwundert das Amulett in die Hand und tastete daran herum. „Nun mach schon, die beiden Riegel mit etwas Druck.“ Nawatu presste kerbend in ihre Fingerspitzen an den kleinen Riegeln und das Amulett sprang auf. „Von den drei Ringen, nimm den schwarzen gedrehten mit dem Schlangenmuster. Es ist ein Schlangenring eines Hohen Priesters des Set. Ich erhielt ihn, ihn zu verwahren und außer Landes zu schaffen. Nun, denke ich, erfüllt er bei dir seinen Zweck, er wird dir in Bedrängnis magische energetische Kräfte verleihen, wenn du ihn küsst und dich dabei konzentrierst. Andere müssen dafür magische Beschwörungsformeln lernen. Du brauchst das nicht. Nawatu, denn du bist auserwählt."

"Ich ?" Nawatu zeigte auf sich selbst. Mund und Augen waren weit aufgerissen. "Mund zu, ich erklär dir was," Belite musste sich konzentrieren. "Er wird dich verwandeln und dich führen bis die Gefahr vorrüber ist. Danach wirst du dich kaum an etwas erinnern. Aber umso erleuchteter dein Bewußtsein wird, desto stärker wird deine Erinnerung und damit deine Macht. Setze ihn nur ein, wenn du unmittelbar in Gefahr bist oder anderer Leben gewaltsam retten mußt. Stecke den Ring auf den rechten Ringfinger.

"Ich vertraue dir mein Leben an. Der Ring wird in dir eine Seele wecken, die im Verborgenen in dir schlummert und deine Blicke aufflackern lässt und weshalb du sterben solltest. Deine Kräfte werden deshalb weitaus stärker sein, als die eines Hohe Priesters. Und wachsen. Die Set-Priester Stygiens wollten ihn besitzen um ihre Macht zu vergrößern. Ihre Statthalter, die Set-Priester hier in Venoyha sind nur armseelige Vorposten und wissen nicht wirklich um die wahren Dinge. So verbarg sich ihnen deine wahre Seele. Und die wahre Kraft, die in dir schlummert. Es ist die uralte Kraft der Schlangengöttin der Wiedergeburt und der Unterwelt. Viele nennen sie Nintu. Niemand weiss wie sie wirklich heisst. Sie ist die dunkelfarbene Göttin der Nacht und die Todesgöttin der Schlacht, die sich am Blut der Gefallenen weidet. Sie verfällt dann in Trance."

Nawatu war wie bleich, es stockte ihr der Atem, sie hatte das Gefühl ihr Herz bliebe stehen und darin würde sich etwas Neues bilden.

"Oh, bei Mitra, ich bete dich an, es bleibt mir keine Wahl. Lasse uns Blutsbande auf ewige Treue und Freundschaft schliessen, lasse uns die Adern kreuzen und in uns nur ein einziges gemeinsames Blut fliessen. Nawatu, ritze unser beide Arme auf und lasse sie uns pressen und unser beider Blut kosten.“ „Aber du hast soviel Blut verloren!“, platzte es aus Nawatu heraus. „Still, die paar Tropfen sind doch jämmerlich,“ erwiderte Belite erbost. „Es reinigt", fuhr sie dann wieder ruhig fort. Stirnfaltend fügte sich Nawatu, nahm ihren Dolch, ritzte erst sich, dann zuerst zögerlich und schliesslich fest entschlossen Belite. Beide fassten sich die Hände und drückten ihre Arme und ihre Zungen leckten gegenseitig das fliessende Blut. „Dies wird unseren Bund für alle Zeit besiegeln. In der Satteltasche ist eine Kette für dich mit einem Amulett. Das mußt du tragen, wenn du den Ring benutzt, am besten du trägst beides immer. Auch darin ist ein Ring, ein mitranischer Schutzring, den du neben dem Schlangenring auf dem Mittelfinger tragen mußt. Nehme ihn niemals ab. Er wacht über dich und den Schlangenkräften. Dieser uralte venoyanische Ring unserer Naturgöttin Mitra hält das Gleichgewicht deiner wachsenden Kräfte und dass sie Gutes tun. Beide Ringe zusammen erneuern die Bande der wahren Ur-Gottheiten. Mitra und Nintu waren einst vereint bis zum grossen Krieg der Fanatiker und der Götter. Nur dies alles kann ich dir heute nicht mehr erzählen. Das schaffe ich nicht.

Belite stöhnte, kämpfte aber gegen die ermattende Erschöpfung verbissen und eisern an.

"Hol es, Nawatu.“ Nawatu schaute etwas ungläubig und benommen, war aber im Innern außer sich vor Freude und glücklich. Als Nawatu wiederkam mit der Kette um und den Ringen aufgezogen, blieb sie vor Belite stehen. „Hm, ich spüre aber nichts. Ausserdem sehen beide Ringe grottig aus, kratzen und der hier hat hässlichen Grünspan.“ Sie fasste mit der hand auf den Ring, hob den Finger um es zu zeigen. Nawatu blickte missmutig auf ihre ausgestreckte Ringhand. Belite schloss die Augen, verzog ihre Miene, sodass ihr Mund sich breit gespannt, ihr Gesicht sich zu einer Fratze verzerrte und schüttelte den Kopf. Gleich platze ich, dachte sie bei sich. Manchmal könnte ich sie zerreissen. „Das ist auch gut so“, sagte Belite mühsam kontrolliert und ihre Fassung beherrschend. „Beide sollen nicht wertvoll aussehen, sondern sind es. Nawatu, wahre Werte glänzen nicht. Räuber und Herumtreiber werden sich nicht dafür interessieren. Das wirst du noch sehr zu schätzen wissen. Nur wer die wahren Geheimnisse kennt, wird sie dir abjagen wollen. Ich kann dir nicht alles heute erklären, aber tue, wie ich es dir gesagt habe. Sage zu niemanden was.“ Belite schaute sie energisch verfinstert an. „Zu niemanden! Hörst du!“ Nawatu nickte traurig. „Schwöre es!“ Nawatu kniete vor ihr. „Du sollst vor mir nicht knien! Verdammt noch mal. Sag, du schwörst es und stell dich hin dabei. Du bist doch kein Sklave! Nawatu du bist kein Untertan!““ Nawatu schwörte nun aufrecht, wie es Belite ihr beigebracht hatte. „Und warte ab bis du sie wirklich brauchst. Dann wirst du mehr erfahren. Wir sprechen uns dann wieder oder wir werden alle sterben.“ Belite fasste sich total erschöpft mit einer Hand an die Stirn schützend vor die Augen. Atmete tief stöhnend und völlig erschöpftaus und sackte regelrecht zusammen.

„ Aber sag, bitte, warum kommt hier niemand ? Die Höhle ist so groß und ich konnte draussen sogar jagen und ganz ungestört Beeren pflücken. Tiere sind draussen schon, wie sonst überall auch.“ „Ja, ich weiß, murmelte Belite. Ach, Nawatu, dich kann man nicht ernst nehmen – nur lieben. - Mit den Tieren verstehst du dich gut. Menschen kommen nicht hierher. Die Höhle ist voller Geister, verflucht und fürchterlich. Selbst der große multiple Set hat hier eine seiner vielen Seelen verloren. Niemand sollte, wenn ihm das Leben lieb ist, diese verdammte Höhle der Finsternis betreten. Sie ist sein sicherer Tod.“

Zugleich hielten beide in Anbetracht der Antwort für einen Moment inne, hörten noch einmal ob der letzten Worte in sich hinein, dann lachten beide gleichzeitig laut auf. Nawatu beugte sich vor Lachen und schüttelte sich, sodass ihre Tränen umherschwirrten. Und Belite hielt ebenso laut lachend mit ihrem verletzten Arm ihre Seite und mit dem anderen Armrücken auf ihre Stirn, um nicht gänzlich die Kontrolle zu verlieren. Die durch das Lachen ausgelösten Schmerzen waren ihr egal.

„Welch ein Irrsinn!“ rief Belite schallend, schloss glücklich ihre tränenden und grün funkelnden Augen und seufzte tief:. „Oh, bei Mitra, wir sind göttlich!“

Nawatu sah wie Belite mit einem Mal fest einschlief, diesmal aber mit einer ganz anderen Miene, völlig entspannt und mit einem Lächeln.

„So gefällts du mir viel besser. Ich danke dir so sehr. Du bist so unglaublich stark.“ Sie legte ihren Arm auf Belites Bauch und streichelte sie. „Und du mußt mit diesen Geistern auch gleich kämpfen!“ sagte Nawatu. "Sie denken, sie haben gewonnen, denken sie haben dich getötet. Aber du lebst. Deshalb haben sie verloren." Sie sinnierte weiter. Sie ist so völlig anders. Sie ist noch Mensch geblieben, kein Priester, die alle so geheimnis- und wichtigtuerisch sind. Und doch weiß sie vom Glauben mehr, als alle zusammen. Wie kann das nur sein ? Ist das der Grund, warum Mitra ihr erschienen ist ? Und sie zur Hölle schickt und sie dies nur mit schlimmster Mühsal und Qual übersteht. Was ist bloß mit den Göttern los ? Sind sie denn alle verrückt geworden, so wie die Menschen auch ? Was steht uns noch alles bevor, wenn alles so beginnt ? Jetzt sind wir aus gleichem Fleisch und Blut. Sie ist zwar wie eine Mutter, doch sind wir jetzt auch wie Schwestern. Ich habe soetwas noch nie erlebt, aber eins weiß ich ganz bestimmt, über alles liebe ich sie.

Das Zischen eines Pfeils dicht an ihrem Kopf vorbei riss Nawatu aus alle Tagträume.

Instinkt- und geistesgegenwärtig rollte Nawatu blitzschnell und geschmeidig wie eine Katze zur Seite zum Feuer, fasste den Speer, sprang mit einem mächtigen Satz möglichst weit und rollte rückwärts zum hohen Gepäckstapel währenddessen ein Pfeil ins Feuer stob, Funken sprühten und Qualm in einer Wolke von Aschestaub hochging. Der nächste Pfeil schoss von hinten an Nawatus Wange ganz dicht vorbei und schlug neben ihren Kopf in die Rucksacksatteltasche vor ihr ein. Nawatu überkam ein kalter Schauer und sie hockte ganz tief hinter dem Stapel in voller Anspannung, bereit in jedem Moment mit ihrem Speer zuzustossen, außerdem hatte sie noch einen gebogenen Giftdolch für den Nahkampf mit dem man aber auch bis auf mittlere Distanz sehr gut werfen konnte. Nur wirklich gekonnt umgehen, konnte sie mit beidem nicht, sie war ja keine Kriegerin. In dieser angespannten Haltung lauerte sie nun, nahm aber keine Witterung auf und ihr Herz schlug wie eine Pauke im Trommelfeuer. Erst jetzt schaute sie außer sich vor Furcht auf ihre neuen Ringe und tastete eher unbeholfen und nervös daran.



„Ich stelle das Feuer ein. Ihr habt einen Verwundeten. Und seid allein. Es gibt keine weiteren Spuren“, rief eine tiefe Frauenstimme laut von weiter Entfernung zu ihr rüber. Es war fast der gleiche fremdartige Akzent in der Aussprache wie bei Belite. „Habt keine Angst. Ich bin kein Räuber oder Plünderer. Ich gehe jetzt zum Feuer und werde meinen Bogen senken. Ihr könnt dann aus der Deckung kommen. Dann werde ich den Bogen langsam niederlegen und erwarte dass auch ihr die Waffe sichtbar niederlegt. Gleichzeitig!“

Nun war Stille. Man hörte nur die normalen Höhlengeräusche und das gelegentliche Knistern vom Feuer. Dann hörte Nawatu die Schritte nahe beim Feuer etwa acht Meter entfernt. Die Frauengestalt mußte nun drei Meter von Belite entfernt stehen ganz nah beim Feuer. Nawatu überlegte chaotisch, was sie tun sollte und blinzelte durch einen kleinen schmalen Spalt am Rande des Gepäcks, den sie sich gerade mit ihren kleinen Fingern freigegraben hatte.

Tatsächlich, es war eine schlanke hochgewachsene junge Frau viel größer als Nawatu, aber vermutlich ungefähr so alt wie selbst vielleicht auch etwas älter. Sie konnte sie sehr gut erkennen. Sie war weiss, leicht gebräunt und ihre Haut schimmerte wie goldrötlich in dem Schein des Feuers. Sie hatte blonde kurz gebundene Haare, die hinten zu einem Dutt zusammengebunden waren. Kurze Strähnen fielen vor ihren kleinen abstehenden Ohren herab. Sie hatte feine weiche Gesichtszüge und einen großen breiten Mund mit vollen Lippen, eine breite hochgewachsene Nase, dunkle Augenbraune, gezeichnet von dunklen Augenrändern. Sie hielt vor sich herabgesenkt ihren aus westlichen Ländern stammenden stark geschwungenen Bogen aus mehrschichtigen glänzendem Edelholz. Braune geflochtene offene Stiefel reichten ihr bis zu den Kniescheiben. Sie trug einen bis an den hochgewachsenen Hals reichenden mittelbraunen halbarmigen Lederwams und einen dazu passenden kurzen, an den Seiten halboffenen Lederrock mit Schlitzen für sehr viel Beinfreiheit. Beide hatten schon viele Scheuerstellen und einige Risse. Sie trug um ihre schmale Taille einen Gürtel mit grünem Edelstein am Verschluss. Ihre Beine waren ebenfalls sehr lang und schlank, genauso wie ihre Arme. Man konnte im Feuerlicht die angespannten Muskelkonturen erkennen und einen großen dicken aufgeschrammten Bluterguß an der linken Oberschenkelseite und eine eine dicke Prellung am linken Oberarm und eine eitrige Wunde am Ellenbogen. Auf Nawatu wirkte sie einfach riesig, nicht massig sondern athletisch. Durch ihre schlanke durchtrainierte Statur wurde Ihre hervorspringende Oberweite stark betont, wirkte massig und viel üppiger als sie ohnehin schon war.

Sie stand dort ruhig und regungslos in einem leichtem Winkel zu Nawatu, schaute abgeklärt, auffallend desillusioniert vor sich hin und blinzelte zu Nawatu hinüber. „Wenn ihr nicht rauskommt, werde ich erneut schiessen, diesmal aber scharf auf Ziel. Nicht daneben. Ihr habt nur noch wenig Zeit,“ rief sie sehr gleichmütig drohend.

Nawatu, mit solchen Situationen sehr wenig vertraut, beendete das verzweifelte Grübeln und zog sich aus ihrer hockenden Position an ihrem Speer ganz vorsichtig mit ihrem rechten Arm hinauf. Zuerst nach vorne geduckt, dann stand sie aufrecht in Verteidigungshaltung und den Speer für den Hüftwurf ausgerichtet. Die Fremde konnte sie wohl ausmachen, aber kaum richtig erkennen wegen ihrer so dunklen Hautfarbe. Das Feuer reichte nur sehr spärlich flackernd aufhellend hierher. Selbst dann war Nawatu nicht richtig zu sehen außer ihre leicht schimmernde Gestalt. Die bronzene Speerspitze hingegen war klar funkelnd zu erkennen.

Und vermutlich auch ihr nun aufleuchtendes ockerfarbenes Augenlicht. Nawatu muß so auf die Fremde im ersten Moment wie ein menschgewordener Höhlengeist gewirkt haben. Nawatu spürte die abrupte Veränderung in der Gesichtsmimik der Fremden. Ihre Haltung blieb aber unverändert. Sie hätte schon längst zum schiessen ansetzen müssen, tat es aber nicht. Allmählich senkte Nawatu den Speer schräg abfallend ganz langsam zur Seite und fasste Vertrauen in die gefährliche, aber wohl nicht mehr bedrohliche Situation. Und tatsächlich die fremde Bogenschützin ging in die Hocke und senkte ihren Bogen auf dem Boden. In der Hand hielt sie die Sehne noch einen halben Meter hoch, schlug den ausgespannten Pfeil in den Boden und legte die Sehne darauf ab. Der Bogen stand nun schräg nach vorne zum Boden. Während sie das tat, legte Nawatu sich zur Seite wendend den Speer auf den Gepäckstapel. Und kam ganz aus ihrer Deckung hervor. Nun blieb sie vor dem Stapel stehen und ihre dunkelbraunen schlanken Beine hoben sich vom Hintergrund ab. So mußte Nawatu nun auch für die Fremde in voller Gestalt erkennbar sein, da Nawatu ja viel kleiner war und der Stapel ihr teilweise bis zum Halsansatz reichte.

Beide waren nunmehr mit Dolchen bewaffnet, die beide gleichzeitig sich beobachtend zur Seite einsteckten. Damit hob sich die gefährliche Spannung endgültig auf. Und Nawatu ging langsam aus der Dunkelheit zum Feuer auf die Fremde zu.

Nawatu selbst war sehr spärlich bekleidet, weil sie es in dichter Kleidung sehr unbequem einzwängend und lästig empfand und insbesondere seit ihrer Befreiung froh war, sich möglichst unbeschwert bewegen zu können. Seit diesen qualvollen Tagen und dem langsamen Heilungsprozess danach empfand sie sogar eine innere Abneigung gegen zu feste hochschliessende Kleidung, da sie dann immer das innere Gefühl des Erstickens überkam, zumal ihre vielen Narben häufig wundscheuerten und dann brannten und schreckliche Erinnerungen auslösten, sodass sie nur feinste zarte Wolle oder weiche Seide direkt an ihrer Haut tragen konnte. So fühlte sie sich auch nur in der freien Natur völlig wohl.

Die Höhle war, obwohl sehr tief gelegen, nie sehr kalt, und am Feuer war es unbekleidet sogar sehr warm und gut auszuhalten. So war sie fast völlig nackt.. Sie hatte nur einen feinen schmalen Lendenschurz aus seidiger Baumwolle und ihre lederbesohlten Bambusstoffschuhe an, sowie zierende Arm- und Handgelenkschützer mit buntgemusterten Seidenüberzug. Zwei Halsketten mit langen Knochenstücken, Reisszähnen, kleinen Edelsteinen und einem Amulett hingen ihr bis zum Brustansatz und lockten pendelnd wie Blickfänge die Sicht auf den Körperschmuck und und ihre unentwegt pendelnde wohlgeformte dunkle Brust. Sie hatte ihre Haare grünglänzend gefärbt und zu zwei Zöpfen nach hinten zur Seite fallend gebunden, sodass diese mit jeder ihrer Bewegungen hin und her schlenkerten, wie alles was an ihr beweglich war.

So kam sie der Fremden in ihrer kleinwüchsigen, aber bezaubernden Statur entgegen. Beide sagten nichts, keinen Laut. Auf der gegenüberliegenden Seite des Feuers blieb Nawatu vor der Fremden nun genauso vom Feuerschein angestrahlt stehen.

Nawatu wirkte völlig selbstsicher und gelöst, obwohl noch immer ängstlich. Die Fremde schien verunsichert und harrte in unveränderter Haltung aus. Aber ihr desillusionierter Gesichtsausdruck hatte sich verändert. Auch die zielgerichtete Gefährlichkeit in ihren Blicken war gewichen, ganz offensichtlich verdrängt von großem Erstaunen und Verwunderung.

Die fremde Bogenschützin betrachtete die kleinwüchsige, gelenkige und dunkelhäutige Erscheinung von Nawatu. Sie war wirklich so dunkel wie die Nacht. Sie hatte eine hochstehende Stirn, leicht hervorstehende Wangen, ein kurzes flaches Kinn, eine kleine niedliche Nase und einen hübschen Schmollmund. Ihre Zähne glänzten schneeweiß zwischen ihre Lippen. Sie hatte unheimlich faszinierende hellbraune Augen, die leicht mit einem ockerfarbenden Licht funkelten und eine beinah magnetisierende Wirkung ausübten, hielt man längeren Blickkontakt. Die Fremde wich ihr deshalb immer leicht aus.

Aber Nawatu strahlte keine drohliche Boshaftigkeit aus, vielmehr ganz unerwartet sogar vorsichtige Freundlichkeit. Trotzdem lief der Fremden ein Schauer über den Rücken.

Zwischen den birnenförmigen, wie Frucktglocken baumelnden Brüsten verlief die sehr große unregelmäßig breite und dicke Narbe quer vom Schlüsselbein bis zur Beckenseite. Die Narbe war verheilt, aber man konnte sehen, dass es lange gedauert hatte und die Wunde sehr tief gewesen sein mußte. Sie hob sich hellbraun mit teils rosa gefärbten Stellen und roten Maserungen von ihrer dunkelbraunen Haut ab. In diesem schrecklichen Anblick gefangen, entdeckte die Fremde auch die vielen kleinen Ritznarben, die ein okkultes Muster zu bilden schienen. Ihr Entsetzen wuchs an, als sie sah, dass Nawatus ganzer Oberkörper und auch die Oberschenkel bis zu den Fußrücken damit übersäht waren. Nawatu mußte grausamste rituelle Torturen überstanden haben, die normalerweise zu einem elenden Tode hätten geführt haben müssen.

Das war der Fremden nun Gewißheit. Sie reagierte nicht, wie fast alle anderen, die Nawatu so gesehen hatten, also nicht mit einer panischen oder gar brutal aggressiven Abstossungsreaktion, sondern fassungslos und offensichtlich mitleidend.

Nawatu konnte klar erkennen, wie die Augen der fremden Bogenschützin glasig wurden und in dem sonst von Trostlosigkeit gekennzeichneten Blick trauriges Mitgefühl miteinfloss und entgegengesetzte Stimmungen sich verzeifelt ringend überlagerten. Sie hatte braune Kastanienaugen und eine blonde Strähne ihres Haares fiel an ihrem linken Augen vorbei. Die Fremde zitterte sogar vor aufgeregter Anspannung, geriet gedanklich völlig durcheinander und lief rot an, obwohl sie größer war, hinter ihr eine sichtlich Schwerverletzte lag, Nawatu viel kleiner war als sie und sie eigentlich aus einer Position der Stärke hätte handeln können. Aber nun war sie ohne Bogen und beide hatten einen Dolch an ihrer Seite - und sie fühlte sich verwirrt.

Mit einem solchen Anblick hatte die Fremde nicht gerechnet. So zauberhaft schön und dennoch so unheimlich schrecklich zugerichtet.




Nawatu beruhigte dieses Verhalten der Fremden ungemein. Es war so unverstellt gefühlvoll in einer Situation, wo dies bei weitem höchst lebensgefährlich sein kann. Damit hatte Nawatu nicht gerechnet und ihr Blick hellte sicher immer mehr auf und sie lächelte freundlich nickend.

Die fremde Bogenschützin entspannte, offensichtlich erlöst durch diese Geste, schaute ebenfalls nun freundlicher, war aber immer noch um ihre Abwehrhaltung bemüht, und ergriff als erste das Wort.

"Ich bin Turiya aus dem fernen Aquilonien und habe mich verirrt. Schließlich gelangte ich in diese Höhle, weil ich in einen Schacht hinabfiel und bewußtlos lag, der auch zu steil und glatt war, um herauszukommen, sodass ich, nachdem ich zu mir kam, diesen entlangkroch bis zu einem großen inneren Höhlensee nicht sehr weit von hier. Leider war ich erst in einem labyrinthartigen anderen Gang der immer tiefer führte und mich zur Rückkehr zwang. Ich finde nicht mehr raus und bin am verhungern. Nun habe ich euch hier entdeckt, die ihr offensichtlich meine Sprache versteht. Ich bin am Ende, hatte sehr viel Angst, als ich euch sah, da ich anfangs vermutete, dass ihr nur die Lagerwache wäret. Deshalb habe ich geschossen. Ich will nur überleben.“

Mehr sagte sie nicht. Aber Nawatu war bereits sehr beruhigt und erleichtert, sogar schon etwas amüsiert. Eine Räuberin war die Fremde Turiya offensichtlich nicht. Die fremde Bogenschützin war sogar sehr offen, was für einen reinen Charakter sprach. Nicht diese herrisch gespielte Großspurigkeit, wie angeblich bei allen Weissen anzutreffen. Und ihr rötliches Anlaufen, wie man es auch nur bei Weissen beobachten konnte, vor allem aber die jetzt feuerroten abstehenden Ohren Turiyas entlockten Nawatu ein Lächeln, doch sagen tat sie nichts, da sie zu sehr das Aussehen und Verhalten von Turiya studierte.

„Nachdem ich gesehen habe, dass es sich bei der schlafenden Verletzten um eine Aquilonierin handelte, nahm ich erst an, ihr hättet sie gefangengenommen und ich wollte euch töten, dachte schon an Brandpfeile, die ich immer vorbereitet bei mir trage. Aber dann sah ich, die ganzen Bandagen und Verbände und dort vorne die frisch bereitgestellten Kräuterpackungen, und vor allem die liebevollen Weise mit der ihr mit der Verwundeten spracht, da nahm ich an, dass ihr eine Dienerin seid. Und an der Lanze dort vorne kann ich sehen, dass eure Herrin zumindest eine Mitranerin und aus hohem Hause ist, wie auch an einigen Sachen, die hier überall vertreut sind. Überall Seidenstoffe, auch als Lendenschutz an eurem spärlich bekleideten Körper. Mir scheint aber, dass ihr hier alleine seid .“

Nawatu lächelte sie an, sagte aber noch immer nichts, was Turiya zunehmend zu beunruhigen schien. Nawatu sah die kleinen Schweißperlen auf ihrer Stirn und dass Turiya Gänsehaut bekam.

„Sagt doch bitte was oder könnt ihr nicht ? Seid ihr etwa stumm, wie soviele Diener, denen man die Zunge rausschneidet? Man hat euch übel gefoltert offensichtlich. Für eine wahrhaftige Mitranerin wäre dies allerdings eher äußerst verdächtig und ich müßte eure Herrin als hinterhältige Banditin oder verräterische Söldnerin ansehen.“

„Ich danke euch für eure aufrichtigen Worte. Ihr hättet uns töten können. Wir haben genug zu essen und zu trinken, auch für euch. Ihr seht abgekämpft und hungrig aus. Ich gehe jeden Tag etwas kleines jagen und pflücke viele Beeren und Kräuter. Da ihr seeseitig vom Schacht gekommen seid, könnt ihr den Weg nach draussen gar nicht kennen. Und ihr könnt heilfroh sein und Mitra danken, dass ihr den Weg aus dem Labyrinth zurückfandet. Hier seid ihr richtig. Ich bin Nawatu, bin nicht stumm und kann aquilonisch halbwegs sprechen. Meine Herrin ist eine Hohe Dienerin Mitras, falls ihr wisst, was das ist und sie ist wie eine Mutter zu mir. Wir sind auf der Flucht und müssen Venoyha zurück nach Aquilonien verlassen. Leider sind wir in dieser Höhle stecken geblieben und meine Herrin ist von einem tagelangen Kampf unten in den Tiefen sehr schwer verletzt, sodass wir noch viele Monde hier ausharren müssen. Sie ist momentan wieder weggetreten und in tiefen Schlaf, aber Mitra sei Dank auf dem Weg zur Besserung. Ich entnehme euren Worten, dass es euch ähnlich geht und in der Weise, wie ihr sprecht und euch verhaltet, das ihr aufrichtig und edelmütig seid. Falls ihr mögt, könnt ihr euch uns anschliessen. Es ist einsam und kann allein sehr gefährlich werden. Ihr könntet uns sehr helfen, zum Beispiel bei der Jagd. Wir können Gefährten sein. Lasst uns ans Lagerfeuer setzen. Ihr geniesst unsere Gastfreundschaft. Heute gibt es Rebhuhn, Beeren und frisches Hirsebrot. Seid getrost, auch ich hatte eben mächtige Angst und dachte alles Leben wäre vergebens. Ich habe seit Wochen keinen Menschen mehr gesehen und auch wenn ich einsam bin, bin ich sehr froh darüber. Aber ihr scheint anders als die meisten anderen zu sein.“

Nawatu wunderte sich über ihren eigenen Vortrag in recht gutem aquilonisch. Noch nie hatte sie in dieser Weise und Dauer sprechen müssen.

„Ich danke euch sehr und werde euer Vertrauen nicht enttäuschen, lasst uns miteinander weiteres besprechen. Eure Gastfreundschaft werde ich euch niemals vergessen. Mich hält in Venoyha auch nichts mehr, bin sowieso auf dem langen Weg zurück. Ich kenne den langen Landweg und Wege abseits gefährlicher Räuber- und Kriegerrouten. Ich helfe euch bei den Zubereitungen für das Mahl. Habt vielen Dank für eure Gastfreundschaft. Ich bin so froh auf friedliche Menschen getroffen zu sein. Entschuldigt, aber habt ihr was zu trinken?“

Nawatu ging zu den Trinkbeuteln, reichte einen davon Turiya rüber. „Ihr habt sicher großen Durst und seid erschöpft. Dies ist ein Stärkungstrunk. Trinkt soviel ihr mögt.“

Turiya nahm einen ersten kleinen Schluck nur für den Gaumen. Sie war sich nun sicher, dass der Trunk rein und nicht vergiftet war. Dann setze sie hastig an und trank einen ganzen Liter ohne abzusetzen.

„Oh, wie wunderbar ! So erfrischend. Das ist aber kein normaler Trunk. Seid ihr Schamanin oder Zauberer ?“ womit Turiya beide meinte.

„Meine Mutter, ihr Name ist Belite, also Belite ist in Glaube, Magie und Heilkunst sehr bewandert, wohl eine Meisterin. Mehr kann ich zum jetzigen Zeitpunkt ohne ihr Einverständnis nicht sagen. Sie hat mich in sehr kurzer Zeit so vieles gelehrt, auch die aquilonische Sprache. Dass ich noch lebendig bin, verdanke ich allein ihr. Nun bin ich gefordert, ihr zurückzugeben, was sie mir gab. Ihr habt ihren Zustand gesehen. Aber sagtet ihr Landweg?“ fragte Nawatu erstaunt. „Sie spricht immer vom Seeweg zu den Schwarzen Königreichen.“

Turiya antwortete. „Der Seeweg dauert länger, ist aber sicherer vor menschlichen Gefahren, die größer sind, als das Risiko eines Sturms auf See. Aber ich kann euch sicher führen auch über Land. Es sind geheime Pfade, die nur von wenigen genutzt werden. Nur dazu bräuchten wir Pferde. Meines ist gestürzt und durchgegangen. Ich glaube kaum es wiederzufinden. Aber auch ihr hattet Pferde, den Spuren nach zu urteilen. Anders hättet ihr das ganze Gepäck nicht hierher schaffen können. Habt ihr die Pferde etwa noch ?“

„Ich kann das nicht entscheiden. Für mich ist es die erste große Reise in eine fremde Welt und wie mir scheint ist sie wirklich sehr gefährlich. Wenn Belite, euch als Gefährtin akzeptiert, ist sie sicher wissbegierig, sofern sie es noch nicht weiß. Ihr könnt auf Augenhöhe mit ihr sprechen. Unterwürfigkeit verabscheut sie zutiefst. Sie erwartet Respekt und Selbstoffenheit. Lügner haben bei ihr einen schweren Stand.“ Nawatu wies mit der Hand zur Kehle. „Aber ihr werdet euch verstehen. Ich spüre es. Ich habe die Pferde nach draussen geführt. Jeden Tag schaue ich nach ihnen und sorge für sie, ändere ihren Äsungsplatz und dass sie etwas zu trinken bekommen. Das Arsenal um diese Gebirgshöhle ist menschenleer, deshalb als sehr sicher anzusehen. Die Stämme ringsrum wagen sich nicht hierher. Sie fürchten das Dunkle in der Tiefe.“

Nun kümmerten sie sich gemeinsam um die Zubereitungen für das Essen. Nawatu holte sogar heimlich einen Weinbeutel und legte diesen beiseite. Sie wollte einfach den Abend mit Turiya geniessen und sie viel besser kennenlernen, da sie Turiya schon jetzt in ihr Herz geschlossen hatte, was bei bei ihr wirklich ganz selten vorkam. Turiya wirkte überwältigend auf sie. Sie konnte es selbst kaum fassen, aber jeder Gedanke an Turiya und ihre Nähe liess ihr Herz stärker schlagen. Sie formte die Brotfladen aus dem Teig den sie schon bereitstehen hatte. Turiya federte zwei Rebhühner, nahm sie aus und spießte sie zum rösten. Sie kümmerte sich auch um das Feuer während Nawatu für eine Weile nach Belite schaute und einige Kräuterpäckchen erneuterte und freigelegte Körperstellen zart und vorsichtig mit einer dicken Salbe cremte. Belite schlief dabei tief und fest.

Und während Turiya am Feuer hockte und den Spieß erneut drehte, kam Nawatu dicht zu ihr und ihre nackten Schenkel berührten sich. „Lass mal sehen,“ sagte Nawatu, blickte Turiya zuerst in die Augen, dann auf ihren geschrammten Bluterguss und tastete ganz sanft mit ihren Finger darauf, dann nahm sie vorsichtig den linken Ellenbogen von Turiya, der dick und dunkelblau bis braun und gelb verfärbt angeschwollen war, sogar eine verkrustete, sickernde Wunde mit einer Eiterbeule aufwies und die Bewegungen von Turiya sichtlich sehr erschwerte, weshalb sie eine gewisse Bewegungssteife vorwies. Dann schaute sie Turiya, die sich ihr offen hingewandt hatte, lächelnd in die braunen Augen.

„Das wird schnell wieder gut,“ flüsterte Nawatu während Turiya sie erstaunt und mit weit geöffneten Augen anschaute. Sie waren sich auf einmal ganz nah. Die Hände Nawatus berührten behutsam und sanft ihre Brust, ihre Fingerspitzen fühlten die auf dem weiten Naturstoffhemd durchscheinenden starken Brustspitzen Turiyas und rieben ganz leicht kreisend daran. Turiya zeigte keinen Widerstand, sondern wirkte leicht verlegen und verwundert. Nawatu weckte längst versunkene Lebensgeister und Sehnsüchte nach Nähe und Wärme, Zuneigung und Geborgenheit.

Dann sprang Nawatu mit einem Ruck genauso so plötzlich wieder auf, lief zum Lagerplatz, kramte und sortierte eine Weile und kam mit unterschiedlichen Kräuterbandagen und einer Wundpaste zurück. „Setze dich mit ausgestreckten Beinen hin und mache deinen Oberkörper ganz frei. Behalte ruhig deinen Lederrock an.“ Turiya zog nun ihr Hemd über den Kopf, die aber am Rücken klebte und ihr dies nur mit einiger Mühe gelang. Sie spürte nun einen schwellenden Schmerz auch vom Rücken, der auf einmal stechend bis zu ihrer Schläfe zog.

Nawatu ging um sie herum, anschliessend in die Hocke und tastete den breiten athletischen Rücken Turiyas, der auch verfärbt und angeschwollen war und die Beule an der Hinterkopfseite, die aber nur dick und ungefährlich schien.

„Alles vom Sturz,“ stellte Nawatu nüchtern fest und Turiya nickte. „Ich stürzte zweifach, erst vom Pferd gegen die Grubenkante, dann prallte ich unten mit dem Rücken im Schacht auf“, erwiderte Turiya. Nawatu kniete sich hinter sie, spülte mit Salzlauge mehrfach und nahm die Kräuterpaste, die sie ganz dick auftrug, und auf dem Rücken ganz sanft und gleichmäßig verteilte. Eine andere Salbe tupfte sie vorsichtig mit ihren Fingerspitzen auf ihre Beule. Für Turiya war dies nach den anhaltenden Prellungsschmerzen eine Wohltat und Nawatu massierte schließlich auch ihren unverletzten Nacken, ihre Taille und hintere Brustseite entlang.

Sie reinigte und versorgte Turiyas großflächig offen geschrammten Bluterguß am linken seitlichen Oberschenkel mit einer geschmeidigen Fingerfertigkeit, die Turiya so noch nicht erlebt oder gesehen hatte, außer in einem mitranischen Lazarett in Tarantia. Doch da war sie noch sehr jung und es war lange her. Turiya kam währenddessen nicht umhin auch Nawatu intensiv zu beobachten, deren weitgehend nackter kleiner Körper sich sehr biegsam bewegte und so anders gleichwohl faszinierend war, als alles, was auch sie vorher gesehen hatte, jedoch noch nie so dicht und hautnah. Sie tastete leicht auf Nawatus dunkler Haut, die sich überwältigend seidensamtweich anfühlte. Doch überall fühlte sie viele Ansätze von kleinen vernarbten Gewebestellen. Betrachtete den dunklen hin und her schaukelnden Busen von Nawatu. „Nawatu, Du bist wunderschön. Aber verrate mir, wer hat dich so übel zugerichtet ?“

Nawatu verkrampfte, richtete sich dann vor ihr im Kniesitz ganz gerade auf und legte ihre Hände flach auf die Schenkel. Sie schloss nun fast auf gleiche Augenhöhe auf. Und Turiya sah nun das wahre Ausmaß der riesengroßen quer über den Oberkörper von Nawatu verlaufenden Narbe ganz dicht vor ihren Augen.

„Es waren rituelle Schänder und Folterer, die mir langsam das Herz herausschneiden wollten. Die Wunde war da, wo das Messer steckte, tief im Fleisch“ und zeigte dabei mit beiden Händen abmessend auf den breiteren Narbeverlauf beginnend unterhalb des rechten Busens auf dem Bauch. Belite brannte sofort die Wunde aus, sonst wäre ich elendig ausgeblutet. Sie stillte auch alle anderen Blutungen wie durch heilende Magie. Ich bin so glücklich, wie es ist, fast hätte das Messer die komplette Bauchdecke durchtrennt und den Leib geöffnet, dann hätte ich nicht überlebt und Belite sagte, vielen Ritualopfer würde man lebendig die Brüste abschneiden bevor man ihnen das Herz entnimmt, doch ich wurde unentwegt geschändet, weshalb ich sie noch hab.“ Nawatu rang nach Luft. „Ich habe sehr oft Krämpfe. Sie ziehen dann über meine ganze Brust bis zu meinen Unterleib ja sogar bis ins Rückenmark. Das werde ich wohl niemehr los. Ich spüre jeden Wetterwechsel und jedes Unwetter in meinem Unterleib lange bevor es da ist. Und schlimmer noch, ich weiß heute, dass sie sowieso alle vor hatten mich an Menschenhändler oder Kannibalen zu verkaufen, andernfalls aus dem Dorf zu jagen oder zu steinigen. Und das alles nur wegen meiner Augen, meines Blickes, den ich selbst nicht einmal spürte, sondern der unmerklich über mich kommt.“

Turiya legte ihre längliche Hand sanft auf Nawatus Schenkel. Mit der anderen fasste sie streichelnd Nawatus Hand. Nawatu liefen Tränen die Wange hinunter und sie schaute mit glasigen Augen sehr ernst gefasst zur Seite, stand auf und dann ergriff sie Turiyas verletzten Arm, drehte diesen leicht und sagte: „Turiya, jetzt tut es gleich wahnsinnig weh.“

Als Turiya nickte öffnete sie die sickernd eitrige Wunde mit einem schnellen Ritz eines Messers, sodass viel Eiter herausquoll und es heftig blutete. Turiya ruckte nach hinten und ihr Atem stockte, zog den Kopf nach hinten. Aber sie schrie nicht auf, presste die Lippen, kam wieder vor und ertrug den quetschenden Schmerz, der bereits nachliess.

„Und noch einmal“, sagte Nawatu. „Bist du bereit?“ Turiya nickte erneut. Nawatu träufelte etwas in die Wunde, sodass diese fürchterlich brannte und der Schmerz an den Sehnen und Nervenenden entlang über die Schulter bis zu den Fingern zog. Turiya stöhnte laut und drückte ihren Rücken durch. Nawatu klopfte ihr leicht auf die Schulter. Dann spülte Nawatu den Arm und bandagierte den Ellbogen mit viel Heil- und Kräuterpaste, als die Blutung an Kraft verlor. Turiya spürte indes bereits Erleichterung. „Du wirst sehen, es heilt jetzt viel schneller und die Schwellungen sind bald weg. Und morgen schon machen wir alles neu. Jeden Tag versorge ich die Verletzungen von Belite und deine auch Turiya.“

Turiya schaute zu Nawatu. Sie war dankbar und freute sich.

„Und du?“ fragte Nawatu mit auf einmal schüchternder Stimme. „Was ist mit dir geschehen, Turiya?“ Turiya holte tief Luft und hob ihren Kopf. Dann riss sie sich zusammen, blickte tief niedergeschlagen.

Nawatu spürte, was da vor sich ging und sagte: “Wenn es zu schlimm ist, mußt du nicht.“ „Doch, du bist so freimütig zu mir und ich will es auch sein. Es war alles so schrecklich. Ich will nur weg von hier. Ich erzähle es dir nachher am Lagerfeuer. Ich möchte nur meine Gedanken ordnen,“ erwiderte Turiya.

Nawatu nickte und als sie mit dem bandagieren fertig war und beide aufstanden, umarmten sie sich ganz doll und fest. Beiden liefen gleichsam die Tränen und sie spürten, dass sie das Schicksal zusammengeführt hatte. Beide waren voll innerer Verzweiflung über all das, was sie in letzter Zeit erlebt hatten und der inneren Angst davor, was noch kommen mochte.

Nawatus kleiner Kopf reichte nicht zu dem von Turiya hoch und versank sich deshalb in Turiyas weicher Brust. Nawatu hörte den beruhigenden Herzschlag Turiyas und Turiya fühlte den heissen Atem Nawatus, die Nässe der Tränen an ihrer Brust, spürte die Wellen, die von Nawatus Schläfe ausgingen und ihre Brust durchströmten. Sowohl Nawatu und Turiya fühlten in diesem Augenblick, dass sie zusammengehörten. Turiya streichte durch Nawatus Haar, hob einen Zopf dabei. Nawatu schien vollständig erschöpft von den vielen Tagen und Nächten, wo sie um Belite gebangt und sie laufend versorgte.

Nach diesem Moment der Sinnlichkeit erhob sich Nawatu jedoch, wischte sich die Tränen und sagte: „Zieh die Bluse noch nicht wieder an, die Heilkräuter müssen erst noch einwirken.“ Sie schluchzte dabei. „Am besten tue es mir nach ein paar Tage. Es heilt dann alles sehr viel besser. Ich kenne außerdem einen kleinen Gebirgssee. Lass uns dorthin morgen gehen, wenn wir die Pferde versorgen, das wird uns beiden guttun. Ich trage dann alles wieder neu auf. Ja, wir müssen auch bald wieder Kräuter sammeln. Und übermorgen zeige ich dir den Höhlensee. Sein warmes Wasser scheint wahre Heilkraft zu haben.“

Turiya war tief gerührt und beeindruckt, warum hatte man ihr das alles angetan ? Nawatu war so voller Gesten des Vertrauens und der Freundschaft und Turiya spürte, wie auch ihr Herz in Bewegung geriet.

„Trink, du brauchst das,“ Nawatu hielt Turiya eine Schale hin. Turiya nippte mit ihren Lippen zuerst, der intensive Geruch der zähen Flüssigkeit zog ihre Nase zusammen, trotzdem leerte sie mit einer verzerrten Miene die grässlich schmeckende Flüssigkeit mit einen Zug. Beide lächelten sich an. „Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll. Es ist ein Glück, dass ich auf dich getroffen bin. Ihr hättet auch Plünderer oder Kannibalen sein können. Morgen werde ich uns allen Großwild jagen, dann haben wir viele Tage kräftiges Essen.“

„Wenn die Zeit dafür reicht. Ich würde mich so sehr darüber freuen. Ich selbst kann nicht so gut jagen, da viele Tiere meine Freunde sind. Aber du darfst einen bestimmten Bereich nicht überschreiten, sonst ziehen wir das Unglück an. Diese Nebelhöhle ist Niemandsland bis zum angrenzenden dichten Wald am Fuße des Berges. Hier oben können wir uns ungestört bewegen, müssen aber in Sichtweite zur Waldgrenze Deckung suchen, damit uns niemand sehen kann. Wir dürfen niemanden anlocken, sonst laufen wir Gefahr überfallen zu werden.“

Turiya nickte und verstand sofort. „Na, wenn hier in der Nähe welche sind, kann ich sogar Bären erlegen.“ Nawatus Augen leuchteten bei dem Gedanken an frisches Bärenfleisch. „Das wäre ein Traum. Auch für Belite wäre das sehr gut. Ich habe sogar am See Spuren gesehen“. „Ja ? Das ist ja fantastisch!“ Turiyas Augen waren nun riesengroß vor Erregung und Jagdfieber. „Wie willst du es allein gegen einen Bären schaffen?“ rief Nawatu und streckte beängstigt ihre Hände zu Turiya aus. Turiya ergiff seelenruhig die ausgestreckten Hände, schaukelte mit ihnen leicht und beide blickten sich ganz fest in die Augen: “Nawatu, mit Pfeil und Bogen erlege ich dir jeden Bären der Welt.“.

Sie bereiteten nun das Essen zu, redeten dabei viel und heiter. Turiya konnte es gar nicht mehr erwarten. Sie war so hungrig. Als sie soweit fertig waren und sich setzten, kam es vor allem Turiya vor, wie ein Festessen. Aber auch für Nawatu war es ein krönender Moment der neuen Begegnung mit einem Menschen, den sie von Anfang an in ihr Herz geschlossen hatte. Turiya verschlang ihr Rebhuhn hastig, zerriss es förmlich und stopfte immer zwischendurch Hirsebrot nach oder trank von dem Sirup oder dem Wasser. Nawatu freute sich riesig und war auch laut am schmatzen.

Dann auf einmal schaute Turiya sie geradlinig an, richtete sich in ihrer Sitzhaltung aufrecht zu ihr hin. Nawatu öffnete ihren Mund weit und liess das Essen sinken. In ihren Augen war die weisse aquilonische Turiya in ihrer schlanken, athletisch hochgewachsenen und vollbusigen Erscheinung voller erhabener Schönheit und sinnlich erotischer Weiblichkeit.



„Alle sind tod. Meine Eltern, meine ganze Sippe, mit der ich hierher reiste. Nur ich habe überlebt. Sie haben ihr Ziel nie erreicht. Und ich mußte mit ansehen, wie sie grausam getötet wurden. Aber ich konnte nichts tun. Meine Brüder wurden von ihnen erschlagen oder erschossen im Kampf. Meinen Vater spiessten sie mit einer Lanze am Boden liegend auf. Auf diese Weise festgehalten, liessen sie ihn mitanschauen, wie sie meine Mutter und meine Schwestern schändeten. Sie hatten ihre Füße und Beine gespreizt am Boden gebunden und an ihren Armen den ganzen nackten Körper aufgerichtet über einen starken Ast eines großen Baumes nach oben gezogen. Dann vergingen sie sich im Stehen abwechselnd an ihnen. Zuerst alle nacheinander, dann auch wild abwechselnd. Sie zogen und bissen an ihren Brüsten, weiteten ihre Scham und rührten mit ihren Armen darin. Ich höre ihre vom Wind zu mir getragenen Schreie bis heute. Vieler Nachts kann ich nicht schlafen. Dann kappten sie die Stricke meiner jüngeren Schwestern, die teils leblos zu Boden sanken. Ihnen, sofern sie nicht qualvoll gestorben waren, und meinen gebrochenen Vater hackten sie lebendig die Arme und Beine ab und nahmen ihren Rumpf aus, grillten die Stücke und frassen sie. Mit den Köpfen spielten sie Ball, dann banden sie sie mit den Haaren an ein Seil und legten es um ein Pferd, wo schon hunderte Schrumpfköpfe hingen. Dann später immer wieder von Zeit zu Zeit während der Essenspausen, sie aßen nur Menschenfleisch, vergingen sie sich an meiner Mutter und meiner älteren Schwester, die noch lebten, die ganze Nacht durch. Das schmerzverzerrte Gewimmer meiner Mutter und Schwester war unerträglich. Aber es erregte sie und trieb sie weiter an. Irgendwann schliefen sie alle. Es waren insgesamt fünfzehn Menschenfresser. Fünf von ihnen hielten ständig Wache. Am nächsten Morgen ging der Schamane unter ihnen zu meiner Mutter und Schwester, die noch immer nicht ganz regungslos dahingen, also noch lebten, doch dahindämmerten und schächtete sie. Er trank ihr Blut dabei und goss es über sein Haupt, unter lautem Gejohle verteilte er es an die anderen, während sie ausbluteten und elendig zugrundegingen. Dann öffnete er die Körper, sodass die Eingeweide, die Innereien herausfielen. Die Herzen assen sie. Die geschundenen Körper banden sie später auf ein Pferd als Proviant. Dann ritten sie weg. Zurück liessen sie verstreut die leblosen Überreste unserer ganzen Sippe. Ich denke sie waren in Eile, denn Folterungen zur Unterhaltung haben sie nicht vorgenommen. Ich selbst war unbewaffnet und kauerte in einem dichten Strauch an einer Hügeldeckung. Mich hatten sie nicht erwischt, wie durch ein Wunder hatten sie mich in dem Gewirr übersehen als alle durcheinander in alle Richtungen rannten. Die anderen hatten sie noch mit ihren Pfeilen erschossen und liessen sie liegen. Es war reiner Zufall, dass ich überlebt habe. Ich konnte nicht weiter weg, war festgesetzt und harrte deshalb aus. Deshalb mußte ich zusammengekauert und von furchtbaren Krämpfen geschüttelt alles mitansehen. Lautes Weinen und Schreien hätte mich verraten, sodass ich am Ende nur noch Galle würgte. Ich kauerte sehr lange in dem Versteck, schon allein wegen der Aasfresser, die herankamen vom Blutgeruch getrieben, aber an mir vorbeizogen. Erst Tage später, als die Luft rein war, rappelte ich mich auf. Sie hatten kaum geplündert, nur das Gold, selbst die Waffen nicht, sodass ich mich gut ausrüsten konnte. Es war ihnen wohl zuviel Gepäck. Vier unserer Pferde waren zurückgekehrt. Zwei habe ich später in einem Dorf an einen Pferdehändler verkauft. Eines ist mir später eingegangen. Wie ich hierher kam, habe ich erzählt. Bin seit dem Aufbruch meiner Familie vor zwei Jahren unentwegt auf der Reise. Meine Eltern ahnten damals nicht, dass der Schrecken auf Erden hier kein Ende hat. Nun bin ich entwurzelt. Ich will nur zurück. In Aquilonien wartet niemand auf mich, aber ich weiß, wie ich mich dort durchschlagen kann. Mitra hat mich beschützt und mich zu euch geführt. Mein Leben werde ich nun Mitra widmen, wenn ihr und eure Mutter und Herrin mich darin lehren könntet. Die Welt ist voller Grausamkeit. Sehe ich Menschen, sehe ich Verfolgung, Folter und Tod. Doch ihr scheint wahrhaft anders zu sein. Ich wäre froh, wenn wir zusammen blieben."

Abrupt brach die bleiernde Fassung in Turiya zusammen und sie begann ganz fürchterlich zu weinen. Nawatu blieb fassungslos sitzen wie versteinert. Rührte sich nicht. Konnte sich nicht rühren. Sie spürte wie ihre Narben schmerzhaft zogen bis tief in den Unterleib. Nach einigen Minuten hatte Turiya sich wieder noch immer schluchzend gefasst. Sie hatte, um sich die Tränen abzuwischen ihr Gesicht total mit dem Essensfett verschmiert.

„Bitte, lasst es uns vergessen. Du bist wirklich so lieb zu mir wie schon lange niemand.“ Beide streckten ihre Arme aus und umarmten sich so fest sie nur konnten, weinten nicht mehr, sondern küssten sich. „Turiya, ich mag dich auch so sehr, schon vom ersten Augenblick an,“ sagte Nawatu und wischte sich mit dem Ellenbogen ihre Tränen ab. „Lass uns Wein trinken, man kann dann gut vergessen“ „Richtiger Wein?“, fragte Turiya noch immer schluchzend und erstaunt. „Aber ja, Belite kommt wie du aus Aquilonien und wird das wohl wissen. Ich kannte Wein ja vorher überhaupt nicht.“ machte einen kurzen grimmigen Gesichtsausdruck und lachte Turiya auf einmal heiter an.

„Eine Wache müssen wir hier Mitra sei Dank nicht halten. Ich schaue noch einmal zu Belite.“ Sie kam nach einer Weile zurück mit einem kleinen einlitrigen Trinkbeutel. “Es geht ihr gut.“ Dann hielt sie stolz mit beiden Armen den Trinkbeutel hoch. „Es ist nicht viel, aber für uns beide genug. Es ist ein starker alter Wein. Spülen wir die Schrecknisse fort.“

Sie plauderten noch eine Weile am Feuer und tauschten sich lebhaft über ihre vielen Erlebnisse aus. Sie gaben sich Trost und waren fröhlich dabei und verstanden sich schon fast wie ein Herz und eine Seele. Als Nawatu sich erneut erhob, torkelte sie schon etwas. Turiya grinste breit und war auch ziemlich benommen. Als Nawatu zurückkam, dämmerte Turiya bereits leicht, öffnete aber ihre Augen und hatte sich zur Seite zum Lagerfeuer hingelegt. Nawatu nahm ihre Lagerdecke und legte sich zu ihr, kuschelte sich an sie ran und umfasste mit einem Arm Turiyas Taille.

Beide waren völlig unbekleidet und ihre Körper glänzten seidig im Feuerschein. Turiya legte ihren Arm um Nawatu und legte ein Bein um sie, kraulte Nawatu zärtlich durch das Haar, schloss dabei die Augen und Nawatu fasste nun mit ihren kleinen Händen sanft Turiyas Bauch, rieb leicht kreiselnd um ihren Bauchnabel. Dann glitten sie von dort über Turiyas üppigen Brüste, die sich wie Wanderdünen ausstreckten. Ihre Hände ruhten noch etwas spielend auf den ungewöhnlich hartdicken Brustknospen Turiyas bis beide schnell und fest einschliefen.

Sie waren nun ganz eng umschlungen. Sie suchten beide die Nähe, wollten beide in dieser trostlosen Einsamkeit etwas Sanftheit, ihre Körperwärme und menschliche Zuneigung und Geborgenheit spüren und die grausamen Schrecknisse vergessen. Denn für den nächsten Tag hatten sie viel vor und sie mußten sich gegenseitig voll und ganz vertrauen.

Dienstag, 29. September 2009

Belite II: "Befreiung aus den Qualen"

Nawatu wurde in einem kleinen Dorf im fernen Venoyha geboren weit vor der großen Hauptstadt Ayodhya des Herrschers Suma Shoka.

Das Dorf Akolum lag hinter den ausgedehnt angelegten bewässerten Feldern vor den kleineren auslaufenden Waldzonen des am Rande der Berge beginnenden Urwalds. Die Dorfeinwohner lebten überwiegend vom Handel mit nur über Trampelpfade erreichbare Walddörfer, von der Jagd und von der Anwerbung von Söldnern und Kriegern für den Herrscher. Jeder Krieger, den sie lieferten, minderte ihren Tributzoll und kostete dem Dorf keine zusätzliche Versorgung. Zwar unterlag ihr Dorf der derzeitigen Staatsreligion des Herrscherpalastes, dem venoyhanischen Mitra-Kult, sodass sie viermal im Jahr von einem Mitrapriester besucht wurden. Die friedlichen Mitrapriester nahmen es jedoch nicht so genau, wenn auch mit gemischten Gefühlen, solange die Akolumer sich keiner Todsünden schuldig machten, da es bereits zu den Dörfern der Ureinwohner gezählt wurde und als Bindeglied zwischen den Urwaldeinwohnern und dem Landvolk eine wichtige Funktion ausübte.

Der Mitra-Kult in dieser abgewandelten venoyhanischer Form war auch eine erst seit Jahrzehnten währende persönliche Modeerscheinung des Herrscherhofes und manches deutete daraufhin, dass bald mit dem jungen ehrgeizigen Herrscher Suma Shoka erneut ein Wandel folgen könnte. Dabei hatte der ursprüngliche naturverbundene Mitra-Kult in Venoyha seine Wurzeln, aber das Land war zu riesig und die Verlockungen für starke Herrscher zu groß, als das sie das interessierte. Es war einfacher die Religionsausübung den Staatserfordernissen anzupassen und unbequeme Gläubige mit einem Schisma zu belegen oder in öffentlichen Religionszeremonien zu foltern und zu töten. Viele befürchteten eine Entwicklung zu einer aggressiven Religionsausübung verbunden eventuell mit einem Wechsel der Staatsreligion. Deshalb wurde der venoyhanische Mitra-Kult von allen Volksgruppen im Großraum der Haupstadt nur sehr vorsichtig unterstützt, aber eben nicht von jenen, die ein eigenes Interesse an den Machtgelüsten des Herrschers hatten. Deshalb gingen die Dorfbewohner weiterhin ihren schamanistischen und okkulten animalistischen Glaubensriten nach, zumal sie ihre Mittlerrolle geschickt ausnutzen konnten und dies der Duldung unterlag.

Nawatu war eines von zwölf Kindern, neun Mädchen und drei Jungen, und ein Mädchen galt hier traditionell nicht sehr viel. Ihre Eltern verkauften zwei ihrer Töchter bereits sehr früh als Kleinkinder und zwei weitere kränkelnde liehen sie aus zum Steineklopfen an einem Nachbarn, sodass sie der Sippe nicht mehr zur Last fielen. Die anderen behielten sie zur Versorgung der Sippe und für die Erledigung lästiger und schmutziger Arbeiten. Die beiden Schönsten jedoch wurden gehegt und gepflegt, erhielten alle Vorteile, um so einen möglichst attraktiven, d.h. wohlhabenden Brautwerber zu gefallen. Die Jungen waren der ganze Stolz der Eltern, denn zwei davon eigneten sich schon sehr früh für den Weg des Kriegers, der andere jedoch taugte sogar auch als Händler, weil er sehr geschickt feilschen konnte und überragte alle. Das Geld, was sie später verdienten, benötigten sie für den Kauf ihrer Frauen, deren Mitgift den Aufwand dafür mehr als aufwogen. Je jünger die Frauen, desto geringer die Mitgift, desto höher aber die Gewißheit der Unberührtheit und Jungfräulichkeit. Das war der Grund, weshalb die überschüssigen Töchter schon sehr jung als Kinder vermittelt wurden. Außerdem gab es dann nicht so große Probleme mit den Äusserlichkeiten. Die Töchter, die von vornherein besser aussahen, hob man sich in aller Regel für später auf, da sie einen hohen Kaufpreis versprachen. Die Hässlichen gingen schwerer Arbeit nach und verschwanden irgendwann aus dem Blickfeld der Eltern, meist landeten sie in einem der großen Slums am Rande der Hauptstadt oder gerieten in die Fänge von Menschenhändler, die sie als Arbeitssklaven verkauften. Es gab aber auch mächtige Kannibalenstämme die diese manchmal zu höheren Preisen aufkauften, wenn es um große festliche Vorbereitungen ging und Überfälle auf benachbarte Stämme vermieden werden sollten. So war der Menschenhandel ein einträgliches Geschäft und half dem Herrscher manche Regionen für sich zu sichern und ohne teure Kriegszüge zu befrieden.

Im Falle Nawatus verlief alles irgendwie anders und recht ungewöhnlich. Dies kam daher, da die Augen Nawatus schon von Beginn an so ganz anders strahlten und Männer, ob nun jung oder alt, sofort in ihren geheimnisvollen Bann gerieten. Es waren hellbraune Augen mit einem ockerstrahlenden durchdringenden Schimmer, einige sagten wie der kräftige Schein der Morgensonne und von polierten Gold, andere wiederum verglichen es mit dem Glanz von schwerem heißem Metall einer Speer- oder Schwertspitze. Der alte, mittlerweile verstorbene Dorfschamane, hielt es für eine Spiegelung einer fernen Gottheit, die man nicht aufwecken solle, aber nicht für einen bösen Fluch, sodass Nawatu nichts geschah. Dieser besondere Umstand war der Grund, weshalb Nawatu schon sehr früh im Alter von vier Jahren zu einem wundersam hohen Preis an einen Nachbar, der wiederum ein Vetter des Dorfältesten war, verkauft wurde, noch bevor ihre wahre noch schlummernde Schönheit aufblühen und ihre verborgenen in ihr schlummernden Mächte erwachen sollten.

Ihre neuen Stiefeltern behandelten sie jedoch schon bald sehr schlecht, da der Sohn, für den Nawatu bestimmt war, nur wenige Jahre nachdem der Kauf von Nawatu abgeschlossen war, einer ranghöheren Dorftochter aus Zugewinnabsichten zugeführt werden sollte. Dies hatte der Ältestenrat des Dorfes so beschlossen, da der Sohn so übermaßen talentiert war und viele Gleichaltrige und sogar Ältere in seinen Fähigkeiten weit in den Schatten stellte. Er vereinigte schon sehr früh absehbar auf geniale Art die Fähigkeiten des Wirtschafters, des Verhandlers und Kriegers in einer Person.

Nawatu war nun überflüssig, auch wenn man überlegte, sie als leibeigene Magd und Nebenfrau für diesen Sohn beizugeben, da auch er sie behalten wollte. Doch hatte man aber überdurchschnittlich für sie zahlen müssen. Der Ärger darüber war sehr groß und diesen liess man Nawatu zunehmend spüren. Sie mußte schon im Alter von acht Jahren alle Besorgungen machen und später mit zehn dazu immer schwer schuften. Stets dreckig lief sie umher. Ihre allmählich erwachende wahre Schönheit wurde dabei vom Schmutz der Mühsal und der Straße überdeckt. Anfangs hatte der Sohn, für den sie bestimmt war, ihr noch tröstende Worte gespendet und ihr kleine Geschenke gemacht, doch im Laufe der Zeit hatte er nur noch Augen für die von seiner Sippe so sehr umworbene ranghohe Schöne, die ein Jahr älter war als Nawatu und schon sehr früh im Alter von zwölf Jahren erste reifende frauliche Reize ausspielen konnte und stets in besten Tüchern gehüllt war. So wendete er sich von Nawatu schließlich ab und wollte, als auch sie zwölf Jahre alt war nichts mehr von ihr wissen. Er bedachte sie mit der zukünftigen Rolle einer schäbigen Magd als Nebenfrau, wie es die Eltern wünschten, zumal er sie ja später nach Belieben gebrauchen könnte. Würde sie sich nicht einfügen, beabsichtigte er für sie einen höheren Preis bei den Menschenhändlern auszuhandeln, als man für sie einst gezahlt hatte. Das würde seine Verhandlungskunst gegenüber der ranghohen Familie bekräftigen und deren Respekt für ihn würde weiter wachsen. Er fand, das sei eine sehr geschickte Lösung und auch besser für Nawatu, als gepeinigt und ohne alles schwer verwundet, verstossen oder geopfert zu werden. Die anderen Gefahren, die ihr durch bei Menschenhändler drohte, wie z.B. als Lustsklavin oder Opferfestgabe, blendete er geschickt, auch sich selbst gegenüber aus.

Nawatu begann allmählich die Welt mit rauhen Augen zu sehen, in denen dieses grelle Blitzen und Funkeln immer stärker aufleuchtete, sobald sie andere Blicke erwiderte. Dies machte vielen zunehmend klammheimliche Angst und sie mieden sie, wo es ging und streuten böse Gerüchte. So fingen die Stiefeltern an, sie bei kleinsten Versehen zu schlagen oder tagelang in einen Stall bei den Schweinen einzusperren. Diese Zeit war sehr schlimm für Nawatu. Während andere Kinder die religiösen Dorfschule besuchen durften, um deren Riten und Gebräuche zu erlernen und wie man sich den männlichen Oberhäuptern und Sippenführern gegenüber gefällig dienend zu verhalten habe, zog dies nun an Nawatu vorbei, wie eine Wolke in der Ferne.

Sie hatte sich mit einem besonders intelligenten Schwein im Stall angefreundet, sprach mit den Tieren auf ihren manchmal tagelangen Wegen auf den Trampelpfaden durch die Wildnis zu den weiter entlegenen Dörfern. Mit einer auf einer gefährlichen, von allen wegen Tigerangst gemiedeten Lichtung beheimateten Kobraschlange verstand sie sich besonders gut. Überhaupt mochte sie Schlangen sehr. Die Kobra kam Nawatu schon bald aus dem Gebüsch entgegen, wenn sie des Weges kam und sie spielten mit einem Elfenbeinstab, den Nawatu vor längerer Zeit am Wegesrand fand. Dabei blühte Nawatu völlig auf, denn die Kobraschlange bewegte sich im melodisch geführten Rhytmus des von Nawatu geführten Elfenbeinstabs. Ja, es wirkte in Nawatus Vorstellungskraft so, als befände sie sich in einem großem mystischen Areal mit einem gewaltigen Publikum von Sehern und Zauberern und die Kobra war eine Riesenschlange gleich einem Drachen oder als befände sie sich auf einem einsamen Felsen in der Wildnis und würde dort mit furchterregenden Bestien ringen und diese beschwören, um schließlich magische und geheimnisvolle Zauberkünste zu vollstrecken.

Niemand wußte davon. Sie verbarg es allen, so gut sie konnte. Und ihre Gefühle zu verstecken, das hatte sie inzwischen sehr gut gelernt, weil sie es als lebenswichtig empfand. Sie entwickelte sich allmählich zu einem schönen frühreifen Mädchen, war sehr schlank, beinah drahtig und blieb offensichtlich kleinwüchsig mit einer geheimnisvollen Ausstrahlung unbekannter Herkunft gleich einer magischen Aura trotz allen Ungemachs, dass ihr widerfahren war. Nur der Staub, die schmutzige Kleidung und die vielen Kratzer am ganzen Leib verhüllten ihre noch etwas kindlich geformte Schönheit. Für sie waren Menschen zunehmend jämmerliche Geschöpfe von niederen Beweggründen und Motiven getragen, wie Neid, Mißgunst und Gier. Sie hasste sie deswegen nicht, sondern verachtete sie nur, hielt sie für primitive Wesen, die alles beherrschen und knechten wollten und dabei auch die eigene Spezies versklavten. Soetwas kannte sie sonst nur von Insekten, den Ameisen und Termiten, die sie manchmal hatte beobachten können. Oder sie verglich sie mit den Wölfen der hügeligen Ebene hinter den Feldern, die auch ständig nach Beute lechzten. Nur bei denen wußte man, woran man war, denn sie kannten die Lüge nicht.

Einmal war sie dorthin hinausgegangen, wo sonst nur starke Jäger sich aufhielten, und ein Bär begegnete ihr neben einem stacheligen Busch auf einem Hügel, brummte grollend und sträubte seinen ganzen dunkelbraunen Pelz. Sie sah seine fletschenden Zähne. Zunächst absolut still mußte Nawatu auf einmal unwillkürlich kichern angesichts seiner Struppigkeit und sie hob ihren Elfenbeinstab in der gleichen Weise, wie es nur ein Dirigent vermag. Der Bär wendete sich ein paar Mal um die eigene Achse, dann brummte er mehrmals auf, kam Nawatu mit mehreren Sätzen bedrohlich nahe, blieb wie angewurzelt stehen, Nawatu rührte sich nicht und mit einem Male wendete er sich ab und lief wild hin und her springend in die weite Wildnis davon.



Eines Tages kam ein fremder ranghoher Schamane in das Dorf und ging nach einem Besuch beim Häuptling und dessen Dorfschamanen von Sippe zu Sippe. Nachdem er bei ihrer Sippschaft zu Gast Nawatu auf dem Hof das Feuerholz abklopfen sah und Nawatus Blicke, als sie ins Haus schaute, sich mit den seinigen zufällig kreutzen, empfahl er ihren Stiefeltern, sie schleunigst einem Ritual zu unterziehen, da sie von bösen Kräften beherrscht sei. Sie würde daran nicht sterben, aber sie würde danach innerlich gerichtet sein und die bösen Geister, die sie bewohnten, würden ihren Wirt verlassen. Nur in seltenen Fällen, wenn das Böse in ihr sich zu manifestieren suche, anstelle zu entfliehen, nur dann werde ihr schlagendes Herz dem göttlichen Ritual geweiht. Nur das könne man erst entscheiden während des Verlaufs und den nicht vorhersehbaren Ereignissen einer rituellen Zeremonie. Er sprach sogleich beim neuen Dorfschamanen vor, der sich unterwürfigst verhielt und es wurden die Vorbereitungen für das Blutfest getroffen.

Schon lange hatte es ein solches Ritual in dem Dorf nicht mehr gegeben und die Stiefeltern, die sie so schändlich behandelt hatten, jammerten, da sie noch immer auf Ersatz für ihren hohen Kaufpreis hofften. Der ranghohe fremde Schamane versprach, ein Ausgleich fände auf religiöse Weise statt und durch den Rang, den die betroffende Familie mit der Ausrichtung der Zeromonie erwerbe, werde dieser Ausgleich über die Jahre mehr als aufgewogen. Vor allem sei dies sehr vorteilhaft für den guten Ruf und die noch in diesem Jahr geplante Hochzeit des Sohnes. Das leuchtete den Stiefeltern sofort ein und auch der Sohn, der nur noch Augen für seine ranghohe Schönheit hatte, die mittlerweile im Alter von sechzehn Jahren bereits in voller fraulicher Reife und standesgemäß im überfälligen Hochzeitsalter befand. Die umfänglichen Hochzeitsvorbereitungen waren bereits in vollem Gange. Der Sohn hatte bereits zwei weitere Dorftöchter als Nebenfrauen vorbestimmt bekommen, da der ranghohe Clan der Zukünftigen darauf bestand, sollte die Tochter doch von häuslichen Arbeiten verschont bleiben. Und eine weitere Magd für die besonders schmutzigen Arbeiten würde sich unschwer finden lassen, falls Nawatu nun doch schon sterben sollte. Und so bemühten sich alle alles erdenkliche Gute zum Gelingen der geplanten grausamen Prozedur beizutragen, egal wie diese für Nawatu ausgehen würde, denn das lag in den Händen der göttlichen Zeremonie.

Indes die wahre Schönheit Nawatus, die sich nunmehr auch zu einer überaus naturhübschen jungen Frau entwickelt hatte, und ihre innere charakterliche Stärke und Weisheit, die sich im Umgang mit der Wildnis der Natur ausgeformt hatte, blieb allen weiter verborgen, da sie sie kaum beachteten und sie sie nicht pflegten, wie die anderen, sondern sie weiterhin schmutzig im Stall schliefen liessen und ihr das karge Essen wie den Haustieren auf einen angestammten Platz stellten. Doch Nawatu wußte sich auf ihren Wegen entlang den Wäldern zu helfen indem sie frische Beeren, Früchte und Kräuter pflückte und sich davon ernährte. Auch reinigte und pflegte sie sich heimlich. Einen Kamm und eine Knochenfeile für ihre Nägel hatte sie in ihrer Not vor einiger Zeit einem Händler unauffällig gestohlen, der diesen noch nicht einmal beim Verlassen des Dorfes vermisste. Sie badete an geheimen Seen und Flüssen. Ein schwarzer Panther, der ihre Fährte genommen hatte und ihr an einem großem Baum auflauerte, liess von ihr schwach fauchend ab, als sie völlig nackt, einer jungen schwarzen Urwaldgöttin gleich, einem duftenden mit blühenden Pflanzen bedeckten Teich entstieg. Sie sprach ihn leise und sanftmütig in ihrer scheinbaren Unbekümmertheit mit ihrer leicht in sich gekehrten Stimme an, so wie sie es bei allen Tieren tat. Auf ihrer dunkelbraunen glänzenden Haut perlte das weiche Wasser ihre schlanken Rundungen und vollen Brüsten entlang und es umgab sie die Aura einer wunderbar und seltsam berauschenden Erscheinung. Und es war diese Magie einer fremden in ihr ruhenden Kraft, die den Panther dazu bewegte, sich zur Seite zu legen und sie schmiegte sich an ihn, als wäre dieser Panther ganz zahm und seine Wildheit erloschen. Hätten sie jemals in dieser jungen geheimnisvollen Schönheit ein Krieger oder anderer Mann des Dorfes so liegen sehen können, hätte alles einen anderen Lauf genommen, da dieser sicher jeden Preis gezahlt hätte, nur um sie zu begehren, sie vermutlich einfach voller Begierde geraubt hätte.

Aber sie kam immer in staubigen Lumpen und zerzausten Haaren verschwitzt ins Dorf zurück. Nur einmal, als sie die erste Male ihre Regelblutungen hatte, waren mehrere Dorffrauen gekommen, hatten sie ein wenig gesäubert, um sie zu untersuchen und eingehender betrachtet, da sie nach uralten Brauch eine Beschneidung vornehmen wollten. Da sie aber zu diesem Zeitpunkt viele Schrammen und blaue Flecken und Prellungen aufwies und eine leichte Entzündung vorwies, hielten sie sich begleited von unflätigen Kommentaren zurück und liessen alles so wie es war. Später fragten die Weiber noch einmal bei der Sippe nach, doch der Vater wiegelte ab und sagte, dass der Sohn dies später entscheiden werde, so wie es ihm gefiele, da über den Verbleib und Handel mit Nawatu noch nicht entschieden sei. Eine Beschneidung mache daher noch keinen Sinn, da dies unter Umständen den Handelspreis an fremde Stämme, vor allem den Preis der Lustkultobjekte, also junger Frauen, die sie ihren Göttern opferten, schmälern könnte. Dies wolle seine Sippe unbedingt noch abwarten.

In den Abendstunden auf ihren mühsamen langen Wegen vor der geplanten Weihung als rituales Zeremonienopfer traf sie unterwegs, als sie kurz rastend auf der einsamen Lichtung mit ihrer Kobraschlange sprach und diese eifrig mit dem Elfenbeinstab dirigierte, auf eine stolze Reiterin, die wie eine furchteinflössende Kriegerin aussah, aber ihren Blick ganz anders und völlig furchtlos, sogar ungewohnt respektvoll erwiderte, als alle anderen Menschen, denen sie jemals begegnet war. Deshalb erschrak sie nicht und auch ihre Kobra schien wider Erwarten nicht in aggressive Stimmung zu verfallen. Die Kriegerin stieg von ihrem glänzenden dunklen Rappen und ging auf sie zu. In ihren grünen Augen war ein Aufflammen wie das des Steines der Öffnung zur Welt und der Selbstheilung, eine schillernde Mischung aus Achat und Amazonit. Die Kriegerin blieb nun in leichter natürlicher Distanz vor ihr stehen, senkte leicht ihren Kopf und schaute Nawatu klar und offen an. Sie war schlank und sehr hellhäutig ganz leicht gebräunt, wie aus den fernen Ländern des Westens, hatte dunkles gewelltes Haar mit kurz geflochtenen Zöpfen. Ihre Bewegungen waren höchst geschmeidig und sehr edel, wirkten aber entspannt und natürlich. Ihr Oberkörper war unbekleidet ohne Rüstung völlig entblößt und auch ihr wogender Busen war mit einer geheimnisvollen vollflächigen dunklen Bemalung überdeckt, deren Sinn Nawatu nicht verstand,. Es umhüllte sie ein großer Rückenumhang aus Edelwolle und Seide. Die Kriegerin berührte sie nicht, blickte ihr unentwegt in die Augen und sagte schließlich mit klarer Stimme zu Nawatu in ruhigen sehr ernsthaften Ton: "Du bist zu wertvoll, als dass du jämmerlich wie eine Ziege dahinbluten sollst. Ich sehe, welcher Gott dir mächtige noch schlummernde Gaben gab. Dass seine Arme bis hierher reichten, das erkenne ich nun an dir und war mir bisher unbekannt. Sets Arme reichen sogar bis in diese weitentfernte Welt. Kein Weg und kein Opfer scheint ihm zu weit, um das Böse in die Welt zubringen. Nun, schon heute Abend gehörst Du zu mir. Deine wahre Seele und Magie werde ich entfesseln. Deine Zaubermacht des Set wird Mitra dienen. Ich weiß die Sünde geht hier um und ich rieche sie wie die Pest. Deine Qualen werden mit einem grausam starken Schmerz beendet sein und deine Seele befreien. Das Feuer Mitras wird die Widerwärtigkeit verbrennen."
Auch die gefährliche und sonst so gefürchtete Schlange schien entgegen ihrer reptilischen Natur verwirrt zu sein. Die Kobra fixierte noch immer leicht drehend sowohl Nawatu und die Kriegerin, aber ohne zu zischen, wie bei gemeinen Menschen. Nawatu war wie gebannt, stand wie verwurzelt und ihr ockergelber Schein in ihren Augen flammte zu vulkanischer Farbe auf. Jedwede andere Person wäre voller Entsetzen davon gerannt. Doch die Kriegerin liess sich davon nicht beeindrucken, zeigte nur etwas Anspannung und ihre stählernden Muskeln schimmerten hinter dem satinhaften Schein ihrer Haut hervor und ihre bebende Brust wuchs mit dem tiefen Atem an. Ihre Augen hüllten Nawatus vulkanisch blitzendes Anlitz in einem eigenartig grünen Wiederschein betäubend ein. Die Kriegerin ging sodann zurück zu ihrem Pferd, winkte und ritt davon, verschwand im Dickicht so schnell und lautlos wie sie erschienen war.

Nawatu war noch immer stumm und regungslos und verstand das alles nicht. Noch nie hatte sie jemand in dieser aufrechten Weise angesprochen, sondern immer erst nachdem er sich mit ihren Stiefeltern in Verhandlungen befand oder sogar einig war, was aber in letzter Zeit nicht vorgekommen war. Und dann meist in einer herablassenen und entwürdigenden Art. Sie fühlte auf einmal echte Wertschätzung. Es war ein seltsames Gefühl. Ach, was wollte sie sich darüber den Kopf zerbrechen über diesen widerwärtigen Prozess. "Will sie mich denn etwa kaufen? Eine Edeldame aus hohem Hause ?" Nawatu hatte die Worte der Kriegerin noch nicht richtig verarbeitet, da selten mit ihr jemand sprach. Und noch nie war Nawatu einer Person von solch hohem Range begegnet. Dabei schien diese von Schmuck und Prunk nicht viel zu halten, vielleicht gab sie sich auch nur als solche aus, war nur eine Herumtreiberin mit gestohlenden Pferd, aber diese viele feinen und geheimnisvollen Dinge an ihr ? War sie überhaupt auf einen Handel aus ? Sie sah eher so aus, als würde sie sich nehmen, was ihr denn bestimmt sei. Nur eines wußte Nawatu sicher, sie würde dieser neuen Herrin überallhin folgen, da ihr das Dorf immer unheimlicher wurde. Manchmal hatte sie solche Angst, dass sie nicht mehr dorthin zurückkehren wollte. Und nicht nur das, sie verspürte neben der ehrfurchtgebietenen Ausstrahlung der Kriegerin eine innere Anziehungskraft, was sie bisher so nur von ihren Geschwistern von früher her kannte. Etwas Vorbestimmtes und Vertrautes, wie es nur dem gleichen Blut entspringen konnte. Aber wie sollte das möglich sein ?

Nawatu schossen verzweifelt soviele Gedanken durch den Kopf. Ihr wurde davon richtig benommen. Jedoch von der Tortur, die der Abend ihr bringen sollte, ahnte sie nichts, denn alle Vorbereitungen liefen um sie herum im Verborgenen ab. Nawatu hatte nur seit Tagen gespürt, dass etwas vor sich ging und ihre Stiefeltern sie nicht mehr so oft schlugen, was für sie wie eine Wohltat war. Sie ging nun ihres Weges zurück zum Dorf und die Kobra folgte ihr, wollte nicht mehr von ihr weichen. Nawatu gab es auf, der Kobra ihren Ruheplatz zu weisen bis sie verschwand, denn es wirbelten immer neue Spekulationen über die Reiterin in ihrem Kopf herum. Und sie hörte rätselhafte ächzende Stimmen aus den dunklen Tiefen ihrer Seele, die sie so noch nie vernahm. Etwas erschöpft und einem leichten Schwindel gleich näherte sie sich dem Dorfeingang und klopfte ihren Namen rufend gegen die große Eingangspforte inmitten des manneshohen Palisadenzaunes. Wie immer öffnete die Pforte sich, sie schritt hindurch und nach dem Schliessen und Einschnappen des starken Riegels wurde sie hinter der Schwelle aus dem Dunkel gleich an den Armen gepackt. Sie spürte einen dumpfen Schlag an ihrem Kopf von hinten der ihr bis ins Rückenmark fuhr und verlor sofort das Bewußtsein.





Als sie aufwachte, war um sie herum ein bengalisches Schimmern von Fackeln und Kerzen eingehüllt in einen Duft von Weihrauch. Wasser lief von ihrer Stirn und brannte in ihren Augen. Sie lag auf dem Rücken aufgebahrt, konnte sich nicht frei regen und bewegen, weil ihre Hand- und Fußgelenke gefesselt waren. Ihr Körper war völlig unbekleidet, nackt und überall mit okkulten Symbolen bemalt. Um sie herum sah sie die Dorfbewohner in festlich leichten Gewändern und vor ihr standen mit ihren Dienern zur Seite der ranghohe Schamane und zur anderen Seite der Dorfschamane. Sie murmelten gebetsartig vor sich hin gleich einer Beschwörung. Immer wieder träufelte jemand salziges Wasser auf ihre Stirn und in ihre Augen, um das ockerfarbene Aufleuchten ihres Blickes zu behindern und sie von den Geschehnissen stark abzulenken, hielt ihren Kopf an ihren Zöpfen dabei ziemlich fest in Haltung.

Sie war gebannt, konnte nicht wirklich schreien, wimmern vermochte sie auch nicht. Sie presste und biss sich verzweifelt auf die Lippen, die aufplatzten und blutig liefen.

Der Dorfschamane begann nun entlang den okkulten Körperbemalungen auf ihrem Leib ganz fein mit einer gespitzten Vogelkralle zu ritzen. Sie zuckte krampfartig, da ihre Haut an vielen kleinen Stellen fürchterlich zu brennen begann und windete sich verzweifelt unwillkürlich in alle Richtungen. Die grausame Prozedur war noch nicht zu Ende, da wurde sie vom drückend schweren Unterleib eines Vermummten mit langsamen Stössen aufwärts geschoben und sie spürte, dass etwas Hartes in ihr tief und unbarmherzig eindrang. Sie stöhnte voller innerer Qualen. Es war alles so unwirklich und ehe es voll ihr Bewußtsein erfasste, was ihrem jungfräulichen und unbefleckten Körper geschah, spürte sie auf einmal ein eisig kaltes Metall auf ihrer erhitzten Haut über ihre gesamte Brust schräg und langsam hochgleitend das Fleisch aufschlitzen. Der furchtbare Schmerz betäubte ihre Sinne und noch immer konnte sie nicht aufschreien, sie schrie in sich hinein, wimmerte schließlich matt und aussichtslos vor sich hin. Sie versank ohne ihr Bewußtsein zu verlieren in ein Meer von Tränen und eine Grube tiefer seelischer Dunkelheit. Ihre Hand- und Fußgelenke waren angelaufen und blutig gescheuert vom Zerren an den Fesseln.

Der Ritzer stand nun vor ihrem Kopf, wollte auch dort die Ornamentik auftrennen. Plötzlich tobte eine Schockwelle durch den ganzen Raum und es brach ein enormes von Wut und Panik erfülltes Gebrüll um sie herum aus und Mengen von Blut spritzten zu allen Seiten, ganze Gliedmaßen, ja sogar die Köpfe flogen über sie hinweg und wirbelten triefend umher. Nawatus Kopf wurde losgelassen und sie hörte den mehrfachen dumpfen Aufprall der leblosen Körper ihrer Peiniger am Kopfende. Sie sah verschwommen ein unentwegt sichelartig drehendes, zermalmend schwertgleiches und feuriges Metall in der Luft wirbeln. Überall Blut ! Der ausgebrochene Tumult brach zusammen in einem grausamen Blutbad gleich einem Massaker.

Das grosse kühle Messer noch immer längsaufliegend nahe der Brust am Oberbauch ruhte nunmehr still und einsam in ihrem Fleisch. Der Arm, der es hielt, lag nun mit geöffneter Hand abgetrennt daneben. Ein Blutquoll schoss aus dem enthaupteten Rumpf des ranghohen Schamanen, ein Blutstrom aus Hals und Armstumpf, bis dieser wie eine leblose Statue mit einem einzigen weit ausgestreckten Arm erstarrt zur Seite fiel. Nawatu drehte ihren Kopf weg und zerrte an ihren blutgetränkten Fesseln, doch die Bewegung des in ihrem Fleisch ruhenden Messers dämmte erdrückend ihre qualvollen Bemühungen zu sehr ein. Es war ein unerträglich tiefer Schmerz, der nun ihren Körper durchdrang. Sie spürte mit jeder geringsten Bewegung ihr eigenes Brustgewebe zerreisen. Ihr Unterleib und ihr Oberkörper waren von brennenden Schmerzen ganz und gar bis ins Knochenmark erfasst. Ihr wurde kalt. Flammen breiteten sich um sie aus und die Schreie und der Krach von wilden Gestalten und Gliedern waren verstummt. Dunkle Schwaden von Feuerrauch und Gerüche von Blut umgaben sie nun, vermischten und verdrängten den schwüligen Weihrauch.

Schon weit entrückt konnte sie das Klirren des großen Messers aus ihrem Körper auf dem Steinfußboden blechernd grell, einem Gongschlag gleich, übernatürlich laut hören. Spürte einen erlösenden heisswarmen Blutschwelg sich über ihren frierenden Körper ergiessen. Und wie hastig starke, aber schlanke Finger nach ihrer Brust griffen, entlang der Schnittwunde mehrmals drückten, klammerten und pressten, um die starke Blutung zu stillen. Sie erkannte im feurigen Widerschein eine ihr bekannte Gestalt, die entblößten wogenden Brüste mit der geheimnisvollen Bemalung und die grün funkelnden Augen. Diese stand völlig blut- und russverschmiert da in all ihren schnellen Bewegungen, als würde die Feuerbrunst sie nicht erfassen und ohne erkennbare eigene Verletzung. Nein, als würde sie selbst von einer glühenden Feuerhaut umgeben.

Dann saugte die Kriegerin mehrmals ihre große Wunde entlang, spie es wiederholt aus und träufelte im gleichen Zuge etwas hinein, die ganze Breite entlang, sodass es wahnsinig wie eine Säure brannte. Nawatus Schläfen hämmerten. Nawatu sah wie sich die mächtige Schwertspitze gelbocker glühend, genauso wie der Blick ihrer Augen, dampfend auf ihre Wunde legte. Ihre Nervenbahnen spannten sich wie Drahtseile und zerrten wie ein Spinnennetz in ihrem Fleisch. Nawatu verlor dennoch nicht das Bewußtsein, denn ihr entbehrungsreiches geknechtetes Leben und die Natur der Wildnis hatten ihr gelehrt mit starkem Schmerz umzugehen, auch wenn dieser Schmerz der grausamste in ihrem Leben war und wirklich überall beissend brannte. Der Dampf ihres eigenen Fleisches umgab ihre Sinne und der Feuerrauch in der großen hausgleichen Hütte. Nun legte die Kriegerin eine grünbläuliche, triefende und eiskalte Kräutermasse darauf und darüber ein großes netzartiges Wundkissen, drückte fest aber sanft mit ihren kraftvollen Händen. Ein gleissender minzartiger Stoss schoss durch Nawatus Blutbahnen. Nawatu begann zu röcheln und zu husten.

"Verdammt ! Atme nicht! Bei Mitra! " rief sie energisch zugleich zutiefst besorgt Nawatu zu. Strich dennoch zart mit ihrer Hand über Nawatus Mund und seufzte luftholend: "Kein Blut! Mitra sei dank !" Meinte damit, dass kein Blut aus Nawatus Nase, Ohren und Mund drang und keine offensichtliche Gefahr bestand, dass ihre inneren Organe Schaden genommen hatten. Die Kriegerin legte kurz ihre Finger gestreckt auf Nawatus Stirn, die ihre Augen in einem total von Schmerz erfüllten Ausdruck ihres Gesichts schrecklich weit und weiss starrend geöffnet hatte. Und Nawatu sah obwohl der ernsten, hochkonzentrierten Kämpfermiene der Kriegerin, glänzende Tränen die Wange hinunterlaufen und entdeckte an ihrer Stirn, was ihr zuvor auf der abendlichen Lichtung entgangen war, eine bläuliche Tätowierung in der ungefähren Form eines Blattes.

Sie befreite Nawatu nun eilig von den Fesseln, zog flink und flüssig die Stricke unter ihren Rücken und zurrte diese nicht zu fest um Nawatus Brustkorb mit einem Schlingenknoten. Die Kriegerin hob mit sehniger Anspannung Nawatus Oberkörper mit angelegten Armen in der Waagerechten, schritt so eiligst durch die Flammen hinaus ohne auch nur Luft zu holen. Nawatus Kopf und ihre blutverschmierten Beine hingen dabei baumelnd nach unten. Auch aus ihrem Unterleib sickerte Blut, dass an ihren schlaffen Schenkeln bis zu ihren Zehenspitzen entlanglaufend auf den Boden tropfte.

Derweil sprach sie zu Nawatu: "Ich mußte sie auf frischer Tat erwischen, deine Schändung hätte als Beweis niemals gereicht, aber der rituale Schnitt mit dem Messer war die nahende Vollendung ihrer Grausamkeiten. Dein schlagendes Herz konnten sie nicht mehr fressen. Sie brennen nun und morgen sind sie Staub und Asche. Aber - Mitra sei Dank - Du lebst !" Lachte dabei laut und triumphierend auf und hob den rechten Arm dabei nachdem sie Nawatu auf einem Ruheplatz gelegt hatte. Dann hochaufgerichtet streckte sie beide Arme weit geöffnet zum funkelnden Sternenhimmel Venoyhas auf, liess ihren Kopf mit ihren schwarzen Haaren in den Nacken fallen und das Mondlicht strahlte leuchtend auf ihre emporgestreckte bebende Brust mit der mystischen Bemalung, die das Licht in feinsten Strahlen zu reflektieren schien. "Mitra!" rief sie aus. "Deine Freundschaft für ihre Seele. Dein Herz für ihre Fruchtbarkeit. Deine Gnade für Ihr Leben. Mein Leben als deine Vollstreckerin bis in den Tod."

Nawatu stöhnte von Krämpfen durchzogen auf, rang nach der klaren Luft, spürte die gespenstische Totenstille um sich herum, die nur vom entfernten Geräusch der Flammen und knirschenden Holz duchdrungen war, und rief voller Entsetzen, aber äußerst geschwächt heraus: "Habt ihr denn alle, das ganze Dorf getötet?" Während die Kriegerin Nawatu behutsam auf eine mit einer dicken Decke ausgelegte Bambusliege legte, erwiderte die Kriegerin um Fassung ringend: "Die schänden, verstümmeln dich, wollten dir dein Herz bei lebendigen Leibe rausreissen und du wagst mir quer aufgeschlitzt solche Fragen zu stellen? Du müßtest dich sehen. Bist du denn nicht Tod zu kriegen ? Hat dich etwa die Hölle geschickt ?"

Nawatu schüttelte heftig und ungläubig voller Entsetzen den Kopf und ihre Augen wurden dabei immer größer.

"Halt!" Belite beugte sich zu ihr hin und legte behutsam ihre Hand auf Nawatus Schulter. "Du bist es wirklich wert ! Jede gemeine Bluttrophäe.“ Dann schrie sie unbeherrscht und ringsherum schallend laut auf: “Ja, eigentlich hätte ich das wirklich tun sollen – das ganze vergiftete Dorf ! " Nahm einen geschwungenen Wurfdolch und schleuderte ihn krachend in den zentralen und heiligen Hauptpfosten des Dorfplatzes, fuhr sodann ruhig zu Nawatu hingebeugt aber voller Grimmigkeit fort: "Nein, nur die Wachen, den Kultfanatiker des Set, die primitiven Schamanen und ihre Diener, den Häuptling, den vermummten Peiniger habe ich noch mit einem Wurfmesser erwischt und wer sich mir sonst entgegenstellte." Dann lauter: "Ich hätte ihn kastrieren sollen. Die anderen liefen vor den Flammen und voller Angst davon - zurück in ihre schäbigen Löcher. Dies wird ihnen eine wahre Lehre sein." Sie richtete sich erneut auf, drehte sich in alle Richtungen schauend um und hob wutergreifend ihre rechte Hand mit ihrem Schwert in die Höhe und rammte mit der linken einen Speer fest in den Boden: "Ich warne euch, lasst euch nicht sehen oder ihr seid tod. Ich lösche euch sonst alle aus. Erst wenn ich weg bin, könnt ihr den üblen Dunst eurer Sippe weiter verbreiten. Sollte ich wiederkommen, bleibt von eurem Dorf nur ein Grab.“

Dann auf einmal völlig besonnen und weich wie eine Feder direkt zum Ohr von Nawatu leise flüsternd zugewandt: „Ich bin Belite, Hohe Dienerin Mitras, und ich heile dich. Du gehörst jetzt zu mir. Halte ein ! Du machst mir wirklich Sorgen, wenn du dich aufregst. Huste nicht, hörst du, die große Brustwunde darf nicht erneut aufbrechen. Hast du verstanden ?" Die Kriegerin lächelte auf einmal so warmherzig, schaute erleichtert auf das Wundkissennetz mit der Kräutermasse, strich Nawatu zart über die pochende Schläfe und durch ihr grünlich glänzend gefärbtes Haar und bedeckte den von okkulten Bemalungen und von vielen blutverschmierten Schlitzwunden übersähten nackten Oberkörper Nawatus mit einem leichten samtweichen und luftigen Seidentuch. So ein edles und weich anschmiegsames Tuch hatte Nawatus Haut noch nie gefühlt. „Was ist mit meinem Gesicht ?“ platzte es erschrocken aus Nawatu heraus ?

„Ruhig, dein Gesicht ist so schön wie die aufgehende Sonne, so erfrischend süß wie eine Mangofrucht und so anschmiegsam wie das eines Streifenhörnchens.“ In Nawatu erströmte völlig erleichtert ein unendliches Glücksgefühl, sie freute sich so sehr trotz der vorangegangenen Folter und Qualen. Seit Jahren - wohl noch nie - hatte niemand soetwas Liebes zu ihr gesagt.

„Das Wurfmesser steckt noch immer in diesem sadistischen Hund“, grummelte Belite bissig vor sich hin. "Ich hol es mir morgen zurück, wenn er verkohlt ist. Boah, dieser fürchterliche Gestank. Diese sadistischen Schweine !" Sie fuchtelte mit ihrem Arm in einer dicken Rauchschwade herum, dann öffnete sie Nawatus rechte Hand und legte etwas Schlankes hinein und ganz flink und fest schloss sich Nawatus Hand. Es war alles, was ihr gehörte, ihr einziger wahrer Schatz. Es war ihr kleiner Elfenbeinstab. „Den werde ich dir nicht vorenthalten meine kleine Priesterin, auch wenn er einer anderen fürchterlichen Gottheit, dem stygischen Set, dienen sollte, wir werden uns nicht knechten lassen und Mitra zu ihm bringen,“ sagte die Kriegerin höhnisch und mit dämonisch anmutenden Unterton.

Doch Nawatu vernahm dies nicht mehr. Nawatus Sinne kreisten und dämmerten unaufhaltsam dahin in fremde ferne Welten, alles ging so rasend schnell und über ihr lag der klare Sternenhimmel Venoyhas. Das war alles, was Nawatu noch mitbekam bevor sie vollkommen ohnmächtig das Bewußtsein verlor und in wahnsinnigen Träumen versank.

Sonntag, 6. September 2009

Belite I : "Das Wiedererwachen"

Belite war die Tocher von Belit, der Königin der Schwarzen Küste und ging aus einer kurzen Liebschaft mit einem Adeligen hervor, noch bevor ihre Mutter Conan kennen und lieben lernte und mit ihm gemeinsam die Meere befuhr.

Als Conan nach ihrem Tod nach Aquilonien zurückkehrte und von ihrer jugendlichen, schon fast erwachsenen Tochter Belite erfuhr, kaufte er sie frei und brachte sie zu einem Clan nach Cimmerien, weil Belites adeliger Vater für sie keine Liebe empfand und sie zwar unter Anerkennung seiner Pflichten auf seinem Fürstenhof eingebracht, aber schließlich als Maitressin für einen befreundeten Prinzen beabsichtigte zu verschenken. Conans Liebe zu Belites Mutter war zu groß, als dass er dies zulassen wollte. Er fühlte sich für Belite gewissermaßen verantwortlich, vermutlich um sein Gewissen zu bereinigen wegen der unglücklichen Umstände, die zum Tode ihrer Mutter führten und an denen er sich nicht ganz unschuldig fühlte. Dies war so gar nicht seine eigentliche Natur, aber die Beziehung zu ihrer Mutter war für ihn genauso ungewöhnlich gewesen, wie er später sich immer stärker eingestehen mußte. Hatte sie es doch geschafft, ihn ganz an sich zu binden, ohne ihn das bewußt werden zu lassen. Somit hatte ihre Mutter entgegen seiner Gewohnheiten und Gepflogenheiten im Umgang mit Frauen auch dieses Kunststück vollbracht einen festen Platz in seinen Erinnerungen eingenommen zu haben. Das hatte noch keine Frau, so schön und verführerisch sie auch gewesen sein mag, mit ihm anstellen können. Und in diesen seltenen Momenten innerer Vergegenwärtigung mußte er doch in einer Mischung voller Selbstironie und Bitterheit über den plötzlichen Tod und schmerzlichen Verlust von Belit lauthals auflachen, das ihre Mutter das an ihm vollbracht hatte, was bestimmt einer anderen nie wieder gelingen würde. In diesen seltenen Momenten innerer Einkehr hatte er das Gefühl, sie wäre ihm ganz nah, so als stünde sie an seiner Seite mit der Wärme ihrer elfenbeinfarbenden Haut und dem Duft ihres welligen tiefschwarzen Haares. Dann schleuderte er den Rotweinkelch spritzend und scheppernd gegen eine Wand und nahm einen kräftigen Zug aus dem großen Weinkrug.

Belite verbrachte in Cimmerien entgegen aller anfänglichen Vorbehalte und Vorurteile eine für sie gute Zeit und erlebte, dass Barbaren eigentlich genauso intelligente Menschen waren wie die Aquilonier und sich nur durch ihre Kultur und Traditionen sowie Religion erheblich von anderen Menschen unterschieden. Sie erlebte und erlernte die für sie neue Lebensweise nach dem "Common Sense". Belite hatte vorher bereits die edle Schwertkunst am Adelshof erlernt und galt dort als talentiert, was ihr im rauhen Cimmerien sofort Respekt eintrug, auch wenn sich die dortige Kampfweise erheblich in der Brutalität und Unbarmherzigkeit vom aquilonischen Kampfstil unterschied. Hier im barbarischen Cimmerien wurde Belite ihre erste und einzige leibhaftige Tochter Krystlelina in einer leidenschaftlichen Liebesbeziehung zu einem cimmerischen Bärenjäger geschenkt, der sie bereits vorher in die Kunst des Schamanismus eingeweiht hatte. Doch diese intensive Liebesbeziehung war leider nur von sehr kurzer Dauer, beide trennten sich in Freundschaft, da sie gewisse Dinge voneinander nicht erzwingen wollten, beiden gleichermaßen an ihrer Unabhängigkeit lag und sie diese Einsicht einte.

Aufgrunddessen entschied sie sich, aber auch wegen ihrer aquilonischen Erziehung und Bildung in Reflektion der ständigen Grausamkeiten Cimmeriens und dem egozentrischen und aggressiven Crom-Kult, zurück nach Aquilonien zu gehen, gebar dort ihr Kind, mußte es aber schon bald auf der Flucht vor Feinden und Anhängern des Set zurück nach Cimmerien bringen. Dies hat sie nie verwunden und ihren Peinigern auch nie verziehen. In Angesicht dieser erneuten Schrecken und damit verbundenen Flucht trat sie in ein Mitra-Kloster ein. Sie vertiefte dort mit den metaphysischen Methoden der Kontemplation ihre Bewußtwerdung, vertiefte ihre Seeleneinheit mit Mitra und verinnerlichte auf dem Weg der Tugend die Werte der Wahrheit, der Freiheit und Gerechtigkeit. Dort setzte sie sich weiter mit Magie und Schwertkunst auseinander und den Quellen des Mitra Glaubens und dessen archaiischen Wurzeln und Bekenntnissen. Diese geistige, körperliche und seelische Auseinandersetzung führte sie schließlich zu den wahren Quellen des Glaubens im fernen Venoyha oder Venoyhien. Sie entdeckt dort das weibliche Wesen der Naturgöttin Mitra als Lichtgestalt der Freundschaft, des Bündnisses und des Rechtes.

Eines Tages während einer sehr intensiven Mediation in einer sanften Vollmondnacht erscheint ihr, die als Kind auch bei Vollmond geboren wurde und deshalb eine bläuliche Tätowierung auf ihrer Stirn trug, leibhaftig das weibliche Anlitz der Mitra-Göttin. Belite erfährt nun ihre heilige Eingebung und wacht mit einer riesigen mystischen und schwarzbraunen Körperbemalung auf ihrem nackten Oberkörper auf. Auch ihr wohlgeformter Busen ist von dieser geheimnisvollen Farbzeichnung erfasst. Als sie versucht diese in einem nahegelegenen Gebirgsfluss von ihrer feinen mit einer leichten Bräunung seidig schimmernden Haut reinzuwaschen, stellt sie fest, dass diese Körperbemalung sich wohl nie mehr ablösen läßt und als sie diese mit ihren zarten Fingerspitzen sanft berührt und auf den Konturen der Symbolik entlanggleitet, spürt sie dass diese eine echte Hautverfärbung ist, ganz anders wie eine gewöhnliche Tätowierung. Sie weiß nun sicher, dass übermenschliche und göttliche Kräfte sie bewohnen oder zumindest aber in dieser wunderschönen Vollmondnacht besucht haben. Der archaiische Glauben Mitras und die wahre Macht Mitras mit der ewigen Symbolik auf ihrem Oberkörper hat sich nun in ihrer Seele endgültig manifestiert. Sie verspürt nun neue magische Kräfte in sich und verfügt über außergewöhnliche Seherfähigkeiten in denen sie in Wachträumen Ereignisse, Zusammenhänge und Absichten der Handelnden erkennt. Und sie praktiziert spirituelle Treueriten in einer neuen esoterischen und okkulten Weise wie sie diese nie zuvor in aquilonischen Tempeln hat kennenlernen können. Hierzu gehört auch die kultische und rituelle Nacktheit als seelische Offenbarung vor der Naturgöttin Mitra und dies gilt als Symbol für Schutzlosigkeit, Demut und Unterwerfung vor der göttlichen Macht. Ihr wird bewußt, das sie das in Aquilonien verschollen geglaubte uralte Wesen des Glaubens wiederentdeckt hat.




Ihre seherische und spirituelle Kunst dringt bis zum Hofe des Herrschers Sumo Shoka von Venoyha vor, sodass dieser sie dorthin als Seherin am Hofe des Herrscherpalastes von Akoyha beruft. Doch bald stellt sich heraus, dass der Herrscher die unmittelbare Wahrheit nicht ertragen kann und dieser versucht auszuweichen und diese gar zu verdrängen versucht, ja selbst nicht davor zurückschreckt diese in ihr Gegenteil zu verkehren. Außerdem beabsichtigt er die Staatsreligion zu ändern, den Mitra-Kult aus den Machtzentren zu beseitigen und selbst sogar zu einem anderen Glauben, dem Ischthar-Kult zu konvertieren. Für Belite ist dieses Vorhaben ihres Herrschers absolut verwerflicher Natur, da sie darin seine Machtgier entfesselt sieht und dessen wollüstige Begierden und seinen Plan das Patriarchat zu festigen, erkennen muß. Sie sieht die Folgen für viele mittellose junge Frauen, die sich zukünftig als Dienerinnen der erotischen Kriegsgöttin Ischthar dem Fruchbarkeitskult als Tempelhuren verdingen sollen. Wilde Vermehrung, Krieg der Massen und Ausblutung anderer Völker wird die Folge sein. Alle wahren Werte werden der Sünde und Lüge anheimfallen. Sie erkennt ihr nahendes Todesurteil vermutlich vom Herrscher gepriesen als heiliges und höchstes Menschenopfer, als Signal der staatsreligiösen Entmachtung des Mitra-Kultes.

Zusammen mit ihrer jungen Dienerin Nawatu, die sie einst ihren herzlosen Stiefeltern entrissen und vor dem sicheren Tod durch die Folterknechte Stygiens gerettet hatte und wie eine eigene Tochter liebe- und würdevoll bei Hofe erzogen hat, flieht sie in Windeseile noch rechtzeitig vor den Gefahren einer langwährenden Schändung und Ermordung. Zunächst zieht sie sich zu einem Gebirgsversteck zurück und beschliesst im Erdinneren die uralten Dämonen aus der Vorzeit aufzusuchen. Sollte es zum Kampf kommen, weiß sie, dass Venoyha zwar für langwährende Zeit verloren ist, aber der Mitra-Kult eine weiterhin bedeutende Kraft des Universums ist. Sollte dieser jedoch ausbleiben, so war die ihr erschienende Naturgöttin bereits auf der Flucht vor der Unterwelt und muß von einem weitaus mächtigeren Wesen besiegt worden sein. Nawatu lässt sie sicher in dieser gutverborgenen und tiefen Nebelhöhle mit viel Proviant zurück. Diese hat noch einen weiteren Tunnelgang zu einem erderwärmten Gletschersee mit einer mehrere hundert Meter hohen und sehr breiten Öffnung nach außen, in der das Himmels-, Mond und Sonnenlicht an den Felswänden in sich brechenden Farbspielen bis hinunter zur spiegelnd glitzernden und ruhigen Wasseroberfläche scheint.

Nach mehren Wochen kehrt Belite völlig erschöpft, ausgelaugt und niedergeschlagen mit vielen Wunden am ganzen Leib zu Nawatu in ihr geheimes Versteck zurück. Nawatu vernimmt ihr schmerzhaftes Stöhnen, als sie weitab am kleinen fast rauchlosen Lagerfeuer sitzt und einen zuvor erjagten kleinen Gebirgsaffen am Spieß aufzuziehen beginnt. Wild aufgeschreckt rennt sie blitzschnell und kampfbereit mit einem Speer zu dem Geräusch am Nebelhöhleneingang, erkennt Belite in ihrer Rüstung und ist außer sich vor Freude, hält aber unvermittelt inne, da sie Belite noch nie in einem solchen desolaten Zustand gesehen hat. So versinkt ihr kurz aufgeflammter Jubel im Schock und wird von Kummer voller aufopfernder und zermartender Besorgnis eingefangen. Regungslos und wie zu Stein erstarrt, bleibt sie stehen. Stark verwundet und von schweren Kampf gezeichnet steht Belite vor ihr. Die schwere venoyhanische Schlachtrüstung von Belite ist völlig zerfetzt und einige Metallplättchen haben sich in das Körperfleisch gebohrt. Sogar ein Stiefel fehlt und ihr entblößter linker Fuß ist deshalb blutig und angeschwollen. Das einstmals mächtige Mitra-Schwert ist verbogen, bläulich verfärbt und an den Rändern angefranst, die veredelte Spitze ist abgebrochen und fehlt ganz. Belite umfasst sie fest umarmend und aufstützend, versucht sich zu halten, gerät ins rutschen. Eine angekrustete Wunde an ihrer Stirn platzt auf und das Blut fliesst ihr über das Gesicht und tropft Nawatu auf Hals und Brust. Sodann verlassen sie ihre Kräfte und sie bricht in sich zusammen.

Nachdem die weinende, am ganzen Körper zitternde Nawatu ihre Fassungslosigkeit überwunden und die bewußtlose Belite nun vorsichtig auf eine schwere Felldecke gelegt hat, sie zum Lager gezogen und behutsam ganz entkleidet hat, sorgsam die schwierige Wundbehandlung vorbereitet und noch zaghaft mit der Entfernung der Rüstungsplättchen sowie Wundreinigungen mit reinem eiskalten leicht gesalzenen Gletscherwasser beginnt, erkennt sie das wahre Ausmaß der Verletzungen und schreit entsetzlich auf. Es hält sie nichts mehr, sie läuft wie wild im Kreis und streckt ihre Arme in einer erstarrt geschwungenen Körperstreckung peitschenartig hoch zur mächtigen und vom gespenstisch flackernden Feuerschein und Schattenwurf erhellten Höhlendecke. Wilde animalische Flüche stößt sie aus. Ihr Pulsschlag trommelt ihre Adern entlang während ihre Haut frostig kalt zu brennen scheint. Sie krümmt, windet sich verzweifelt und stampft auf von unbändigen Seelenschmerz erfasst.

Belite wirkt um Jahre gealtert, ihre Haut ist trocken, spröde und rissig, übersät mit dicken Prellungen, tiefen Schrammen und ekligen Schlitzwunden, kleineren Verbrennungen und eine an der hinteren rechten Brustseite gelegene Bohrwunde von einem Haken oder einem knöchernden Stachel ist sogar sehr schwer. Die Wunden, die teils eitrig quellen sind unterschiedlichen Alters und zeugen von einem langwierigen über Tage gehenden schweren Kampf. Die nun völlig zerstörte Rüstung hat sie vor dem Tode und gefährlichen Knochenbrüchen bewahrt. Wie war es Belite nur möglich, sich noch in diesem schrecklich zugesetzten Zustand durch die dunklen und steilen Höhlengängen bis zu diesem Versteck durchzuschleppen ? Nawatu kniet sich etwas gefasst nieder, reibt sich die Augen, streift sich mehrmals die Wange entlang und beginnt mit der heilkräuterreichen Wundbehandlung. Ob ihre Belite diese schicksalshafte Grausamkeit der Wesen der Tiefe und der Unterwelt überhaupt überleben wird ?



Erneut muß Nawatu tief schluchzen und ringt dabei nach Luft, wischt sich mit dem Ellenbogen den Schleim von Mund und Kinn und ihre Augenlider brennen salzig von den vielen Tränen. Doch Belite blickt auf einmal aus ihrem Krankenlager wie erleuchtet zu ihr auf, greift sanft und doch mit durchströmender Stärke ihren Arm und zieht sie an sich heran, genau mit denjenigen Arm, der einen langen klaffenden Unterarmwundenriss hat. Nawatu gibt ihr erst schluckweise frisches Wasser, dann einen sehr starken Heilsaft zu trinken. Und bevor Belite in tiefen Schlaf versinkt, flüstert sie: "Unsere Naturgöttin Mitra lebt. Sie ist wahrhaftig wiedererwacht. Es gab einen mächtigen und grausamen Kampf. Einen göttlichen Kampf !" und ihre Brust bebt bei jedem Wort "wir haben eine Schlacht verloren, aber wir sind stärker als wir selbst wissen. Der Krieg hat erst begonnen ! Und wir werden zurückkehren, tod oder lebendig, das schwöre ich! - Nawatu, ..." Belite atmet schwer und tief und ihr Blick ist so aufrichtig klar und eindringlich . "Nawatu, ich habe nun zwei Töchter. Krystlelina wirst du schon bald kennenlernen. Ihr werdet euch lieben wie wahre Schwestern. Sollte ich sterben, nehme alles und mache dich selbst auf die Reise nach Cimmerien. In meinem Beutel im Speergriff findest du, wohin du in den schwarzen Königreichen und in Aquilonien gehen mußt. Dort helfen sie dir weiter. Nimm meine Kette, meinen linken Ring und führe einen Zopf von meinem Haar hindurch. Daran werden sie erkennen, dass ich dich geschickt habe. Gehe nicht durch Stygien. Sie werden dich versklaven, weil du doch so schwarz bist und ein Geheimnis in dir trägst von dem ich dir noch erzählen muß, falls ich überleben sollte," und mit dem Hauch ihrer erlahmenden Stimme, "Nawatu, ich liebe dich für alle Zeit." Der leicht aufgerichtete Kopf Belites fällt langsam weich zurück in Nawatus ausgestreckte offene Hand. Nawatu fühlt und streicht durch ihr dunkelschwarzes welliges Haar, wie das ihrer Mutter, mit den feinen aquilonischen Zöpfen und spürt wie Belites Kraft aus ihrem Arm schwindet und ihr Körper schleichend erschlafft. Doch in ihren flimmernden blutrot unterlaufenden grünen Augen erkennt Nawatu einen erbarmungslosen Überlebenswillen und bis jetzt noch nicht endgültig entschiedenen Kampf gegen alle körperliche Qualen und organischen Widerstand.

Nawatu durchströmt pulsierende glückliche Aufregung und sie spornt sich selbst noch einmal tapfer und voller Energie für die weitere langandauernde und sehr schmerzhafte Wundversorgung an. Sie weiß, es wird eine lange Nacht um Leben und Tod, vermutlich wird es, um sie zu schonen, Tage dauern. Sie darf nicht mehr schlagartig soviel Blut verlieren. Nein, denn sie hat soviel davon verloren. Zuviel ? Oder etwa Gift ? Dann kann der hohe Blutverlust doch noch zu etwas Gutes geführt haben und erneuter Aderlass kann die Wende bringen, sogar ihr Leben retten. Dies wird jedoch nicht nötig sein, denn Belite wird noch sehr viel Blut verlieren, da auch die schwere Wunde geöffnet werden muß. Erst die Kleinen, dann die Große ? Verzweifelt kreisen die Gedanken in Nawatu durcheinander. Sie will es nicht glauben. Es geht um alles, lieber will sie selbst sterben, als sie zu verlieren, die geheimnisvolle Kriegerin, die sie einst aus Höllenqualen rächend und strafend erlöst und mütterlich umsorgt am Herrscherpalast erzogen und soviel, unendlich viel gelehrt hat. Nun kann sie endlich vom ganzen Herzen zurückgeben und sie wird die von Belite erlernte spirituelle Naturheilkunst meisterhaft beweisen.

Noch zu sehr von beissenden Tränen, Schweißausbrüchen und Schluckbeschwerden geplagt, schaut Nawatu in Belites Augen, die sich allmählich dämmernd schliessen und weiß nun sicher, dass sie in Belites Herzen wie eine wahre und leibhaftige Tochter ist, aber auch, was die Stunde geschlagen hat. Sie werden gemeinsam Nawatus Heimat Venoyha verlassen und Frieden wird es für sie, aber auch für ihre Feinde nicht mehr geben. Nur dazu muß Belite vor allem eines: Überleben! Nawatu fühlt die kaltnasse Stirn Belites, dann ihren Puls. Sie lebt. Ja, sie lebt. "Du wirst weiterleben!" ruft sie mit einem Mal wild entschlossen sich selbst Mut beschwörend und Belite zu. Niemals wird Belite an Ihrer Seite sterben. Niemals! Nawatu wird ihre ganze Heilkraft aufbringen und über sich hinauswachsen und Belite wird geheilt, weitaus stärker sein als jemals zuvor.

Nawatus hellbraune Augen glänzten ockerfarbig wie Magma glühend auf und ein starker Funken wie ein Blitz tobte mit einem dumpfen aschewirbelnden Schlag durch das Feuer. - Ihre wahre Seele war erwacht.

Follower