Es waren seit Turiyas Befreiung mehr als eine Woche vergangen und ihr Zustand hatte sich entgegen aller Bemühungen und Behandlungserfolge zunehmend verschlechtert. Nawatu war allmählich am Rande ihrer Kräfte angelangt, hatte sich sehr verausgabt. Nicht nur mit der Pfege Turiyas, sondern auch die intensive Heilbehandlung Belites Wochen zuvor steckte ihr noch in den Knochen. Nawatu fieberte mit jedem Heilbehandlungsschritt regelrecht mit, was sie seelisch sehr belastete. Belite stand ihr sehr nah, so nah wie eine Mutter, aber bei Turiya kam die Liebe ins Spiel, sodass ihr jede Kleinigkeit sehr zusetzte.
Belite selbst machte allerdings grosse Fortschritte. Sie konnte gehen, wenn auch nur humpeln, aber sie zwang sich, jeden Tag etwas mehr zu laufen. Auch ihre tiefe Fleischverletzung hinter der rechten Brustseite war auf einem guten Weg. Die Wunde zog zwar unheimlich bei jeder Dehnung und der stechende Schmerz verkrampfte bei bestimmten Bewegungen die Muskeln um den Lungenflügel. Ihr blieb dann regelrecht die Luft weg, dann wurde ihr schwindelig und es blieb ihr nichts anderes übrig, als sich zu setzen. Aber sie arbeitete dagegen an, konnte den Arm bereits kreisend bewegen, nur schwer heben durfte sie auf keinen Fall. Erleichtert stellte sie fest, dass ihre Muskeln aktiv waren, zwar schwach, dennoch, sie war sich nun gewiss, ihre alte Stärke zurückzugewinnen. Jede Überreizung war Gift und konnte sie um Tage zurückwerfen. Das mußte sie auf jeden Fall vermeiden, denn sie wollte Nawatu unbedingt zur Seite stehen. Nawatu hatte soviel geleistet. Auch in ihrem Fall, dafür war sie dankbar. Sie gab Nawatu wichtige Vorgaben für die richtigen Rezepturen und Heilmethoden und half Nawatu bei leichten Tätigkeiten, vor allem beim Zubereiten der Medizin und dem gemeinsamen Essen. Aber ohne Nawatu ging bei ihr noch gar nichts richtig, dafür war sie einfach noch zu schwach. Und Kochen war nicht gerade ihre Leidenschaft. So fühlte sie sich eher wie eine erbärmliche Küchenhilfe und das gefiel ihr gar nicht, auch wenn sie die Rezeptur für die Heilmedizin vorgab. Nawatu hingegen war im Kochen eine kleine Zauberfee. Sie brauchte nicht viele Zutaten. Selbst aus einfachen Wurzeln konnte sie ein leckeres Mahl bereiten. Dies kam ihnen allen zugute, allerdings nahm Turiya immer weniger feste Nahrung an.
Belite hatte schon mehrmals versucht auf sie einzuwirken, endlich einmal auszuruhen, wenn sie auch noch umfiele, seien sie alle ernsthaft in Gefahr. Und in ihrer jetzigen Verfassung könne leicht ein Fehler unterlaufen. Dann sei es mit Turiya unter Umständen geschehen. Doch Nawatu blieb unermüdlich, liess sich nicht davon abbringen, sich weiter zu verausgaben. Sie konnte Nawatu nur zu gut verstehen. Es war nicht an der Zeit ihre Autorität auszuspielen. Die Angst um ihre so geliebte Turiya trieb Nawatu ohne Unterlass an. Turiyas Zustand schien sich im Laufe der Zeit immer ungünstiger zu entwickeln, obwohl es grosse Heilerfolge gab. Sie hatte Fieber, hechelte unter Anfällen von Atemnot, schrie häufig im Wahn und konnte wegen der schlimmen Rückenverletzungen sehr schlecht, fast gar nicht schlafen - selbst unter Betäubung. Die Rückenprügel hatten alle alten Verletzungen vom Sturz wieder aufgerissen. Nawatu hatte ein weiches Blätterbett für die Rückenlage geflochten, denn auf der Brust konnte sie nicht liegen. Es half wenig, nur gelegentlich fand Turiya auf der Seite liegend Ruhe. Ansprechbar war sie jedoch kaum. Sie lächelte dann, wie aus einer anderen Welt Nawatu zu, ergriff immer ihre kleine Hand, streichelte sie in der Handfläche. Sie sah dann aberwitzig aus mit ihrem von den brutalen Schlägen in vielen Farben verquollenen Gesicht. Das linke Auge war noch immer dicht, doch aus Blautönen wurden bräunliche Gelbtöne, die Schwellung nahm leicht ab. Ihr Gesicht war nicht schief heruntergefallen, sodass sie einen Bruch ausschliessen konnten. Sie fragte dann nuschelnd mit ihren verquellten sprödwunden Lippen, die sich blau verfärbt hatten, ob sie alle fort seien, dann ob sie wieder aufgetaucht seien, ob sie wiederkommen könnten ? Verneinten sie dies, versank sie wieder in taumelnden fiebrigen Schlaf. Sie litt sehr unter der albtraumhaften Schändung, mehr als sie es von einer Kriegsamme angenommen hatten. Vermutlich war es die andauernde Todesangst um noch schlimmere Höllenqualen, die ihre Nerven derart einbrechen liessen. Aber die Herzenswärme und das sternengleiche Funkeln ihres glasigen Blickes liess sowohl Nawatu und Belite Tränen in die Augen schiessen. Belite wendete sich dann immer verzweifelt ab. Es war unerträglich, wenn Nawatu danach laut zu heulen begann, mitunter auch fluchte, weil Turiya meist in Dämmerung zurückfiel. Nawatu konnte dann in dieser vom Leid gereizten Fassung völlig ausrasten und mit ihren Verwünschungen in Raserei geraten.
Belite machte sich allmählich ernste Sorgen, was mit Nawatu passieren würde, wenn Turiya sterben oder eine Besserung einer lebenslangen Behinderung glich. Vor allem, wie würde Nintu, ihr zweites Ich reagieren ? Würde sie sich einen neuen Wirt suchen? Nicht auszudenken, was alles geschehen konnte. Und vor allem, warum unternahm Nintu nichts, wo doch Nawatu, wenn auch nur als Medium, ihr doch sicherlich von allen Menschen am nächsten war ? Sie hatte doch Nawatu ausgewählt oder war es eine der vielen rätselhaften göttlichen Prüfungen, die so häufig mit dem blossen und sinnlosen Tod endeten. Oder war Nintu bereits hinfort und auf der Suche nach neuen Geistern ? Das waren die Momente, wo es auch in Belite aufschäumte, wo sie sonst ihren Hengst herbeirief und in die Weite ziellos hinausritt, häufig bis zum Sonnenaufgang, wo die Welt in ein anderes Licht eintauchte und ein neues Anlitz bekam. Jetzt aber frass sie alles in sich hinein.
Die offenen und entzündeten Wunden Turiyas waren eigentlich sehr gut versorgt und die bösartige Eiterung an ihrem Ellenbogen noch von ihrem alten Sturz war mithilfe einer Madenbehandlung gestoppt. Die Maden leisteten ganze Arbeit, fühlten sich in der Wunde wohl. Nawatu und Belite hatten sich darüber riesig gefreut, doch die erhoffte Verbesserung der Gesamtsituation trat nicht ein. Der Rücken mit seinen Abschabungen und tiefen Schrammen und Schlagriefen schien durch die Kräuterbehandlung auch allmählich abzuheilen. Sie legten Turiya dann gemeinsam ganz vorsichtig auf die Seite oder richteten sie behutsam auf. Dann verteilten sie die Würmer auf ihrem Rücken. Schon nach kurzer Zeit hinterliessen sie überall ihr Sekret, weshalb der wunde Rücken dann immer glasig wie in einem Gelee glänzte. Wie das mit den Würmern und Maden funktionierte, hatte Belite Nawatu gezeigt, auch wo sie sie finden würde. “Bei dir gings auch ohne,” sagte Nawatu, zwinkerte ihr zu und umarmte sie.“Nun, ich war auch nicht am verfaulen,” erwiderte Belite darauf. Das war ihr bloss gedankenlos ausgerutscht, doch Nawatu wich erschrocken und erbost zurück. Ihre Augen waren voll strafenden Entsetzens. Belite fügte schnell hinzu: “Ich mein das nicht so, wirklich. Komm, verzeih mir bitte." Nawatu schaute noch immer grimmig, renkte sich dann wieder ein. Und Belite atmete auf, machte sich an die Anmischung der Medizin. Die aufgeplatzten Kneifstellen an den Schenkeln und Armen sowie die Fesselquetschungen waren ebenfalls rückläufig, auch die vielen bunten Blutergüsse am ganzen Körper. Und die Ohrstümpfe nahmen auch einen guten Verlauf. Selbst die Unterleibsverletzung infolge der Überdehnung stellte sich als nicht so gefährlich heraus. Belite hatte sie mehrmals innen an den Scheidenwänden vorsichtig abgetastet. Sie spülten ihre Geschlechtsteil mit einer besonders zubereiteten Heillösung. Die inneren Widerstandskräfte Turiyas waren stark. Ihr Körper schien alle Kräfte zu mobilisieren und über grosse Reserven zu verfügen, gab sich nicht geschlagen, setzte sich mithilfe der heilenden Kräfte aus der Natur in fast allen Bereichen durch.
Hingegen ihre Brüste heilten gar nicht. Es war, als würde Stillstand herrschen. Schlimmer noch. Als würden sich alle Entzündungsherde in den Brüsten aufstauen und versammeln. Sie waren die Ursache für den sich immer mehr zuspitzenden Zustand. Ihr ganzer Oberkörper schien unter Druck und Schauplatz eines unsäglichen Abwehrkampfes zu sein. Die Menschenfresser hatten sie zulange beim brutalen Spritzmelken stranguliert. Sie hatten sie, nachdem der Häuptling aufgebrochen war, noch einmal brutal gemolken. Und da Turiyas Ammenbrüste ziemlich entleert waren und kaum noch Milch gaben, pressten sie sie, quetschten sie mit ihren Händen aus. Vermutlich war den Menschenfressern die Kontrolle vor überschäumender Geilheit entglitten, denn wer sollte eine Amme mit geschundenen Brüsten noch kaufen ? Die ermahnenden Worte ihres Häuptlings hatten sie in ihrer überbordenen Erregung völlig verdrängt. Auch lag es an der für sie exotischen Erscheinung Turiyas, ihre weisse goldene Haut, ihre Blondheit, ihr überragender athletischer Körper, ihre ausgedehnten vollen Brüste und an den Blättern, die sie gekaut hatten und sie in einen Rauschzustand versetzten. Dann nahmen sie sie einer nach dem anderen noch einmal, aber nur von vorne. Als Turiya schliesslich würgen und erbrechen mußte, störte es sie wenig. Sie lachten amüsiert. Sie flössten ihr, als nur noch Schleim kam, einen Trunk ein und machten dann belustigt weiter. Turiya brauchte nichts tun, befand sich in einer verstörenden Bewusstseinstrübung. Sie schaukelten sie in den Seilen vor und zurück, hielten ihren Kopf an den Haaren fest dabei. Als sie fertig waren, stopften sie ihr den alten sandigen Knebel vom Boden in den Mund. Einer gab ihr noch einen Stoss, so dass sie sich am Seil hängend um die eigene Achse drehte und dann wieder zurück. So liessen sie sie in den Seilen hilflos hin und her baumeln. Ihre Lippen waren dick angeschwollen, auch von Schlägen zwischendurch. Turiya war verstummt, war gebrochen und schwindelig weggetreten bis die Schmerzen am ganzen Körper sie überwältigten, ihr Wimmern erstickte in der Knebelung. Dann wurde es in der Höhle ruhig. Sie waren erschöpft, berauscht und mit sich zufrieden. Sie ahnten nichts davon, dass Nawatu bereits in der Röhre durch eine Mischung aus Staub und Kot kroch. Bald sollte diese Ruhe in eine endgültige Stille umschlagen und ihrem schrecklichen Dasein ein stummes Ende bereiten.
Turiyas Brüste waren infolge der Marter steif aufgebläht und blauviolett verfärbt. Die Adern, die ihre Busen einmal fein marmoriert zierten, waren schwülstig und hart verkrampft. Ihre Brüste waren durchzogen von rötlichen Blutgerinseln, sodass an einigen Stellen die Haut platzte und Risse zog. Jede noch so kleine Berührung löste bei Turiya zittrige wälzende Krämpfe aus. Ihre Brustwarzen waren blutig verkrustet, angeschwollen und brannten rot. Die blutigen Striemen und Schürfungen an ihrem Busen durch die scheuernden Stricke blieben offen. Ihr Zustand war einfach schrecklich, schien aussichtslos. Nawatu und Belite taten zwar alles, was ihnen an Heilkünsten bekannt und möglich war. Doch ihre Reserven für die Behandlung der blutigen Quetschungen und schweren Blutergüsse ihrer grossen Brüste waren langsam aufgebraucht. Stundenlang war Nawatu täglich unterwegs um frische Heilkräuter und Wurzeln zu finden, die nur noch immer weiter entfernt aufzuspüren waren. Wenn überhaupt. Auch schien es, dass die Heilmittel nicht richtig anschlugen, egal welche sie wählten.
Belite befürchete eine sich anbahnende Blutvergiftung, dachte bereits über eine Brustentfernung nach. Doch dieser Gedanke war einfach schrecklich, denn Turiya würde daran seelisch zugrundegehen, eben weil sie nicht irgendeine Amme war, sondern eine Kriegsamme. Eine Brustentfernung war deshalb wie ein Todesurteil. Selbst Nawatu würde beim tatsächlichen Erwägen dieser Möglichkeit zur Rettung Turiyas den Verstand verlieren, auch wenn es das Leben Turiyas retten sollte. Belite fragte sich, wie lange der Körper Turiyas dies noch durchmachen könnte. Das Einzige, was sie wirklich von dieser Möglichkeit abhielt war, dass Stillstand herrschte. Ein gefährlicher Stillstand zwar, aber es war ein Stillstand. Kein Untergang. Denn wie Brüste oder überhaupt Fleisch aussah, das nicht mehr zu retten war, also unterging, wusste sie nur zu gut. Normalerweise starb Fleisch dann ab, man konnte es sehen, fing an zu faulen, schwemmte aus und begann zu stinken. Um eine Blutvergiftung zu vermeiden, entfernte man die eingefallenen Stellen oder brannte sie aus, möglichst bei ersten Anzeichen, was hier eher letztes Mittel war. Es war eine fiebrige Entzündung im Innern in Gange und das Gewebe ihrer Brüste war trotz aller schlimmen Entzündungsherde noch sehr lebendig. Man konnte sie nicht einfach entfernen. Dies war zum jetzigen Zeitpunkt noch verfrüht. Turiya stand genau auf der Kippe. Und genau das war schlimm, denn in solchen Fällen konnte eine Entzündung in wenigen Stunden sich völlig ausbreiten und über den Körper herfallen. Dann wäre es das Aus. So schien denn alles ausweglos und es blieb ihnen nur übrig abzuwarten ?
Belite versuchte mit Nawatu darüber zu reden, obwohl es klar war, dass sie nicht mehr viel Zeit hatten. Es war unmöglich. “Ja ?” stiess es angewidert aus Nawatu heraus, "die letzte Möglichkeit?" Belite senkte resignierend den Kopf, wusste was nun folgen würde. Ein hysterischer Ausbruch. Nawatu zog die Worte mit ihrer in ungeahnte Höhen verzerrte Stimme kreischend in die Länge: ”Ja, genau, welch grandiose Idee !” Dann ging es weiter."Schneiden wir ihr doch einfach die Brüste ab !" Polterte nun dumpf, "Sie sind doch viel zu gross und werden faulig!” Jetzt fing Nawatu an zu zischen, war nicht mehr zu halten. “Zerstückeln wir sie!” Belite liess sie schreien. Es war die reine Verzweiflung, die aus Nawatu herausbrach. “Ja genau, ich wollte doch deinen Fuss auch noch abhacken !” ging es munter weiter. “Ich bin vom Wahnsinn getrieben, warum hab ich das nicht getan ? Oh, nein, das habe ich ja ganz vergessen !” “Hör auf, Nawatu!” rief Belite. “Zack, zack, zack !” ereiferte sich Nawatu, dann lief sie zur Stelle, wo die ganzen Waffen lagerten, suchte nach einer Axt und riss sie mit einem Sprung in die Höhe. Sie sah dabeivöllig irrwitzig aus, da die Axt grösser war als sie selbst und man sich fragen mußte, wie sie überhaupt mit ihrem schmächtigen Körper so in die Höhe schleudern konnte. “Arme, Beine, einfach alles, wir müssen sie zerfetzen !” Das folgende sirenenartig jaulende "Ja genau !" hatte fast ihr Trommelfell zerschnitten und Belite schrie jetzt auch alle aufgestaute Wut aus sich heraus, tief und grell und entsetzlich, sodass es bis in die letzten Winkel der Höhle hallte und sich in einem Echo fortpflanzte bis in die dunkelsten Gänge der Tiefe. “Hör endlich damit auf!” Beide waren starr und stumm. Belite stand da, hielt sich am Speer fest, hustete, spuckte und fühlte sich verloren. Dann schaute sie zu Nawatu rüber. Sie hatte Angst. "Ja, ich kann auch schreien. Guck nur, wenn die Bestien kommen, muß du allein mit deiner Nintu mit ihnen fertig werden. Ich bin noch zu schwach. Aber wenn sie Nintu sehen, werden sie die Bullrogs rufen, dann bricht hier ein Inferno los. Das wird den ganzen Berg dann sprengen. Flehe um Gnade, dass das nicht passiert." Belite zeigte in den Höhlengang, der hinunter in die Dunkelheit führte. "Das haben wir nun davon. Von deinen Wutanfällen. glaubst du denn etwa, dass ich nie die Beherrschung verlier?" Beide blickten immer wieder zum dunklen Gang, standen eine ganze schier unendlich wirkende Weile still und lauschten, aber es rührte sich nichts. Sie waren mit den Nerven am Ende. Sie redeten nach diesem Vorfall eine ganze Zeit nicht mehr miteinander.
Nawatus Kräfte liessen seit diesem Vorfall rapide nach, sie fing immer häufiger voller Trostlosigkeit um Turiyas Zustand an zu weinen. Belite behielt jedoch ihren klaren Verstand und sie hatte sogar den Eindruck, je stärker Turiya von den Qualen der tiefen Verwundung und Schändung, den Geistern des Bösen heimgesucht und geplagt wurde, desto stärker wurden sie beide es auch selbst. Nawatu wurde immer schwächer. Ihre seelische Verbundenheit zu Turiya drückte sie nieder. Schmerz und Elend teilten sie. Sie war mit Turiya eins. Das schwächte sie nun, wo sie doch die Einzige war, die trotz ihrer Kämpfe weitgehend bis auf wenige harmlose Schrammen und Schürfwunden unversehrt geblieben war. Die aufgebrochenen Stellen der Verwandlung waren wie durch Zauberhand völlig abgeheilt. Belite hingegen spürte wie ihre alte mentale Stärke und ihre Reflexe wiederkehrten. Körper und Fleisch ? Was waren sie ohne Seele und ohne Verstand ?
Nawatu wich, wenn sie nicht mit Besorgungen und anderen Arbeiten beschäftigt war, nicht von Turiyas Seite. Belite trat häufig dazu. Nawatu hatte schliesslich aus Ästen, Zweigen und Blättern ein besonders weiches und federndes Lager gebettet und dies mit mühsam aufgelesenen Blüten durchstäubt. Schliesslich stellte Belite rund um das Lager Fackeln auf. Sie wollte alle bösen Einflüsse mit Rauch und Feuer von ihr fern halten. Belite beschwor Mitra und die Geister mit schamanischen Gesängen, umgab Turiya mit geheimnisvollen Dämpfen aus alter Überlieferung. Doch es rührte sich nichts. Die Götter gaben keine Zeichen. Es bewegte sich nichts. Nintu schien verschwunden und auch von Mitra war nichts zu spüren. Die Götter wollten, dass sie allein das Ringen um Leben entschieden. Doch Turiya wurde immer schwächer. Turiya verweigerte schliesslich die Nahrung ganz und nur manchmal liess sie sich von Nawatu noch etwas Heiltrank und Betäubungsmittel einflössen. Manchmal mußte Belite Nawatus immerwährende Eifrigkeit bremsen. Nawatu konnte irgendwie nicht verstehen, dass Turiyas Brüste auch abrupt auskühlen konnten. Sie verstand nicht, dass darunter Herz und Lunge lagen. Sie wusste nicht einmal wirklich, was das ist. Dauerhafte Kühlung zum Abschwellen mit dem von ihr immer wieder strapaziös herbeigeschafften Eiswasser konnte ihren Tod herbeiführen und vor allem das Gewebe absterben lassen. Belites kurze Jahre in den Kriegslazaretten der Grenzgebiete Aquiloniens hatten ihr so vieles gelehrt. Das hatte sie den eher mystischen Schamanen voraus, die stets ihre Vorbilder der Heilkunst blieben, aber solange sie noch nie in blutigen Fleischbergen gestanden hatten, konnte sie über sie andererseits nur müde lächeln. Sie hatte hunderte Verwundete versorgt, sogar selbst Operationen und Amputationen durchgeführt. Gut ausgebildete aquilonische Ärzte zeugten damals ihrer Arbeit unter den erbärmlichen Lazarettbedingungen tiefsten Respekt. Doch am höchsten war die Freude der Krieger ihren Stolz, ihre Ehre und ihre Lebenskraft zurückgewonnen zu haben. Manche von ihnen hatten Familie, sahen sie dennoch nie wieder und andere kehrten zu ihnen zurück.
Plötzlich, wie ein Schatten, riss Nawatu sie aus ihren verzerrenden Gedanken, baute sich vor ihr auf, hielt einen Dolch vor ihre eigene Kehle, den Griff zu Belite gerichtet. "Los, töte mich." Sie zitterte am ganzen Leib. Ihr Blick war verstört. Belite wandte sich in einer wie vor einem Sprung verlangsamte Bewegung eines Panthers Nawatu zu, dann schoss ihre Hand hoch, stob den Dolch vom Hals weg bis er im Flug klirrend an die Höhlenwand prallte. "Bist du des Wahnsinns? Verflucht ! Wozu habe ich dein verfluchtes Leben gerettet ? Turiya lebt, du dumme Kuh !" Dann klatsche sie Nawatu mit der flachen Hand auf die Backe und Nawatu fiel seitlich zu Boden. "Wach endlich auf! Verdammt!" sie beugte sich über Nawatu hob sie hoch, den Schulterschmerz ignorierte sie, schaltete ihn ab. Ihre Kraft war wieder da und ihre Reflexe auch. Dann schüttelte sie Nawatu wie ein kleines Kind. Sie schrie sie an. "Wach endlich auf ! Komm endlich wieder zu dir. Ohne dich ist Turiya verloren." Nawatu war nur noch Elend, stand am Rande des Zusammenbruchs. Belite umarmte, drückte sie nun fest während beiden die Tränen liefen. "Du hast keine Schuld. Turiya wird es schaffen. Ich finde einen Weg. Ihr werdet euch lieben, mehr als je zuvor." Dann stellte Belite sie wieder vor sich hin. "Sag mal, wo ist Nintu ? Die lässt uns hier im Stich. In deinen Augen ist von ihr jedenfalls nichts mehr zu sehen. Oder hast du sie etwa schon aufgefressen ?" Nawatu lächelte nun doch ein bisschen. "Nein !" raunte sie trotzig. Dann rannte sie zum Lager zu den Kisten und Säcken, nahm das kleine Körbchen, kam zurück und öffnete es, hielt die kleine Schlange stolz in die Höhe. "Sie ist nur müde. Es liegt an der Jahreszeit." Nawatu streichelte sie ganz stolz. Die Schlange selbst bewegte sich nur müde und träge, als wollte sie weiterschlafen. "Hm, Schlafende soll man nicht wecken. Aber dann sag ihr mal, das die faule Zeit bald vorüber ist. Die Zeit ist reif zum Häuten." Nawatu war von diesem Augenblick an wieder bei der Sache. Sie wusste nur allzugut, ohne Belite wäre sie schon lange tot und nicht das, was sie jetzt war. Ohne ihren Rat, ihre Erfahrung, ihr Wissen und ihre magischen Künste war alles verloren. Sie alle drei gehörten zusammen.
In dieser Nacht zog sich Belite heimlich aus der Höhle zurück. Sie konnte nicht schlafen. Der Vorfall war auch für sie zuviel. Sie war zwar froh, dass Nawatu sich wieder eingerenkt hatte, aber dass sie keine Lösung für Turiya fand, zermarterte sie, raubte ihr den Schlaf. Denn eines war sicher. Viel Zeit hatten sie nicht. Morgen schon würde sich alles entscheiden. Dieser Gedanke lähmte sie und sie spürte wie sehr Turiya auch in ihrem Herzen einen unumstösslichen Platz gefunden hatte. Doch wer war Turiya, dass sie in ihnen diesen Platz eingenommen hatte, dass sie sich für sie so aufopferten, um sie zu heilen ? Sie nahm aufstützend ihren heiligen Speer, setzte sich vor dem Eingang der Höhle mit dem grandiosen Blick in die Weite. Die Nacht war schwarz, der Mond war noch nicht aufgegangen und so schaute sie in den Sternenhimmel, genoss die frische Luft, atmete tief ein und spürte den Wind in ihrem Haar. Es war ihr einerlei, ob der Häuptling der Menschenfresser, der wahnsinnigerweise daran glaubte, dass allein rohe Stärke und gnadenlose Brutalität ihn zum unumschränkten Führer machten, hier irgendwo draussen lauerte. Die Spuren zur Höhle hatte er sicher zurückverfolgt, doch sein Aberglaube erlaubte es ihm nicht, die verwunschene Höhle zu betreten. Er würde sicher Soldaten seiner miesen Herren rufen, doch auch die müßte man mit der Peitsche hineintreiben. Sie amüsierte sich zynischerweise. Ja, er brauchte eine willenlose Sklavenarmee, dieser erbärmliche Hund, die er antreiben konnte mit miesen Hexengeschrei. Und da er dank Nawatu völlig abgebrannt war, würde das wohl noch eine Zeitlang dauern. Nawatu hatte ihm alles weggenommen, ausser sein mieses Gefolge als Leichen zurückzulassen in seiner Höhle. Sie lachte laut auf bei dem Gedanken. Dieses kleine verrückte Dorfkind. Hielt sich den Kopf, sie fand das zu lustig. Oh ja, er würde toben und fluchen. Sie rechnete fest mit ihm. Aber nicht heute und auch nicht morgen. Sie taxierte, dass er nach einigen Raubüberfällen und Dorfplünderungen in den nächsten Wochen hier mit seinem Gesindel, seiner neuen Truppe aufschlagen würde. Sollte er meinen, sie mit Gewalt zu brechen, so würde er erleben, wie er dabei unterging. Mit ihrem Speer würde sie ihn die Eingeweiden entlang zum Himmel darbieten. Ja, sie würde ihn lebendig häuten. Er hatte es nicht anders verdient. "Gut," und nun stiess sie ihre Verwünschungen laut in die Ferne hinaus, "dann werde ich dich begrüssen und du wirst für alles büssen, was du Turiya, Nawatu und mir, Turiyas Familie und allen anderen an Leid angetan hast. Du bist schon jetzt seelenlos und ich erwarte dich. Dann bist du tot und kannst deine Schmerzen aus deinem Körper schreien. Und zwischen dir und der Sonne liegen Welten und deine eigene Haut versperrt dir die Sicht bis du vertrocknet bist."
Ihre eigenen Wunden beachtete sie kaum noch, da sie nun immer schneller heilten und das ständige Kribbeln und die Wärme an diesen Stellen empfand sie als angenehm, kratzte sich nicht andauernd. Sie löste ihren letzten Verband, auch den Lendenschurz, war nun ganz nackt und kam auf dem Rücken zum Liegen. Sie atmete tief und erleichtert durch, genoss die kühlende Frische der Nacht. Dann tastete sie hinter ihrer Brust leicht an der wunden verkrusteten und geschwollenen Stelle herum. Es sickerte noch etwas, juckte und kribbelte, dann zog es zunehmend tief stechend. Sie mußte sich vorsehen. Sie schaute auf ihren Klumpfuss mit dem festen Wickel und unterdrückte ihren Ärger noch so unbeweglich zu sein. “Na, jedenfalls besser als abgehackt, Nawatu!” Sie verdrehte ihre Augen, schüttelte den Kopf. Bei Mitra, das war nicht geschehen. Dann streckte sie ihre Arme weit aus, sog in sich die klare Mitternachtsluft ein, vernahm die Stille der Berge und versuchte neue Gedanken zu fassen. Sie tauchte ab in Regionen dieser Welt, die für niemanden erreichbar waren. Ihr mitranisches Mal auf ihrer Brust schimmerte im kalten Mondlicht wie ein mächtiges Siegel rabenschwarz. Es war wie die Dunkelheit der Nacht und öffnete ein Portal zum Innern ihrer Seele. Der Mond war aufgegangen und sein blauweisses Licht durchflutete erst ihren Körper, dann erfüllte es ihr Herz und schliesslich erreichte es ihren Geist. Ihr war, als würde sie alles Lebende in sich aufnehmen, das Flüstern der Blättern im Wald, das Zischen der Schlange auf einem Ast, ja selbst das Stimmgewirr einer weit entfernten Stadt drang zu ihr herüber, als ob sie sich schwebend näherte. Dann hob sie ab, es umgab sie das wälzende Wehen der Wolken und sie tauchte schwerelos in die Sternenwelt ein. Sie verschwand in einem Sog, einem mächtigen Strudel, ging unter im Nichts.
Belite selbst machte allerdings grosse Fortschritte. Sie konnte gehen, wenn auch nur humpeln, aber sie zwang sich, jeden Tag etwas mehr zu laufen. Auch ihre tiefe Fleischverletzung hinter der rechten Brustseite war auf einem guten Weg. Die Wunde zog zwar unheimlich bei jeder Dehnung und der stechende Schmerz verkrampfte bei bestimmten Bewegungen die Muskeln um den Lungenflügel. Ihr blieb dann regelrecht die Luft weg, dann wurde ihr schwindelig und es blieb ihr nichts anderes übrig, als sich zu setzen. Aber sie arbeitete dagegen an, konnte den Arm bereits kreisend bewegen, nur schwer heben durfte sie auf keinen Fall. Erleichtert stellte sie fest, dass ihre Muskeln aktiv waren, zwar schwach, dennoch, sie war sich nun gewiss, ihre alte Stärke zurückzugewinnen. Jede Überreizung war Gift und konnte sie um Tage zurückwerfen. Das mußte sie auf jeden Fall vermeiden, denn sie wollte Nawatu unbedingt zur Seite stehen. Nawatu hatte soviel geleistet. Auch in ihrem Fall, dafür war sie dankbar. Sie gab Nawatu wichtige Vorgaben für die richtigen Rezepturen und Heilmethoden und half Nawatu bei leichten Tätigkeiten, vor allem beim Zubereiten der Medizin und dem gemeinsamen Essen. Aber ohne Nawatu ging bei ihr noch gar nichts richtig, dafür war sie einfach noch zu schwach. Und Kochen war nicht gerade ihre Leidenschaft. So fühlte sie sich eher wie eine erbärmliche Küchenhilfe und das gefiel ihr gar nicht, auch wenn sie die Rezeptur für die Heilmedizin vorgab. Nawatu hingegen war im Kochen eine kleine Zauberfee. Sie brauchte nicht viele Zutaten. Selbst aus einfachen Wurzeln konnte sie ein leckeres Mahl bereiten. Dies kam ihnen allen zugute, allerdings nahm Turiya immer weniger feste Nahrung an.
Belite hatte schon mehrmals versucht auf sie einzuwirken, endlich einmal auszuruhen, wenn sie auch noch umfiele, seien sie alle ernsthaft in Gefahr. Und in ihrer jetzigen Verfassung könne leicht ein Fehler unterlaufen. Dann sei es mit Turiya unter Umständen geschehen. Doch Nawatu blieb unermüdlich, liess sich nicht davon abbringen, sich weiter zu verausgaben. Sie konnte Nawatu nur zu gut verstehen. Es war nicht an der Zeit ihre Autorität auszuspielen. Die Angst um ihre so geliebte Turiya trieb Nawatu ohne Unterlass an. Turiyas Zustand schien sich im Laufe der Zeit immer ungünstiger zu entwickeln, obwohl es grosse Heilerfolge gab. Sie hatte Fieber, hechelte unter Anfällen von Atemnot, schrie häufig im Wahn und konnte wegen der schlimmen Rückenverletzungen sehr schlecht, fast gar nicht schlafen - selbst unter Betäubung. Die Rückenprügel hatten alle alten Verletzungen vom Sturz wieder aufgerissen. Nawatu hatte ein weiches Blätterbett für die Rückenlage geflochten, denn auf der Brust konnte sie nicht liegen. Es half wenig, nur gelegentlich fand Turiya auf der Seite liegend Ruhe. Ansprechbar war sie jedoch kaum. Sie lächelte dann, wie aus einer anderen Welt Nawatu zu, ergriff immer ihre kleine Hand, streichelte sie in der Handfläche. Sie sah dann aberwitzig aus mit ihrem von den brutalen Schlägen in vielen Farben verquollenen Gesicht. Das linke Auge war noch immer dicht, doch aus Blautönen wurden bräunliche Gelbtöne, die Schwellung nahm leicht ab. Ihr Gesicht war nicht schief heruntergefallen, sodass sie einen Bruch ausschliessen konnten. Sie fragte dann nuschelnd mit ihren verquellten sprödwunden Lippen, die sich blau verfärbt hatten, ob sie alle fort seien, dann ob sie wieder aufgetaucht seien, ob sie wiederkommen könnten ? Verneinten sie dies, versank sie wieder in taumelnden fiebrigen Schlaf. Sie litt sehr unter der albtraumhaften Schändung, mehr als sie es von einer Kriegsamme angenommen hatten. Vermutlich war es die andauernde Todesangst um noch schlimmere Höllenqualen, die ihre Nerven derart einbrechen liessen. Aber die Herzenswärme und das sternengleiche Funkeln ihres glasigen Blickes liess sowohl Nawatu und Belite Tränen in die Augen schiessen. Belite wendete sich dann immer verzweifelt ab. Es war unerträglich, wenn Nawatu danach laut zu heulen begann, mitunter auch fluchte, weil Turiya meist in Dämmerung zurückfiel. Nawatu konnte dann in dieser vom Leid gereizten Fassung völlig ausrasten und mit ihren Verwünschungen in Raserei geraten.
Belite machte sich allmählich ernste Sorgen, was mit Nawatu passieren würde, wenn Turiya sterben oder eine Besserung einer lebenslangen Behinderung glich. Vor allem, wie würde Nintu, ihr zweites Ich reagieren ? Würde sie sich einen neuen Wirt suchen? Nicht auszudenken, was alles geschehen konnte. Und vor allem, warum unternahm Nintu nichts, wo doch Nawatu, wenn auch nur als Medium, ihr doch sicherlich von allen Menschen am nächsten war ? Sie hatte doch Nawatu ausgewählt oder war es eine der vielen rätselhaften göttlichen Prüfungen, die so häufig mit dem blossen und sinnlosen Tod endeten. Oder war Nintu bereits hinfort und auf der Suche nach neuen Geistern ? Das waren die Momente, wo es auch in Belite aufschäumte, wo sie sonst ihren Hengst herbeirief und in die Weite ziellos hinausritt, häufig bis zum Sonnenaufgang, wo die Welt in ein anderes Licht eintauchte und ein neues Anlitz bekam. Jetzt aber frass sie alles in sich hinein.
Die offenen und entzündeten Wunden Turiyas waren eigentlich sehr gut versorgt und die bösartige Eiterung an ihrem Ellenbogen noch von ihrem alten Sturz war mithilfe einer Madenbehandlung gestoppt. Die Maden leisteten ganze Arbeit, fühlten sich in der Wunde wohl. Nawatu und Belite hatten sich darüber riesig gefreut, doch die erhoffte Verbesserung der Gesamtsituation trat nicht ein. Der Rücken mit seinen Abschabungen und tiefen Schrammen und Schlagriefen schien durch die Kräuterbehandlung auch allmählich abzuheilen. Sie legten Turiya dann gemeinsam ganz vorsichtig auf die Seite oder richteten sie behutsam auf. Dann verteilten sie die Würmer auf ihrem Rücken. Schon nach kurzer Zeit hinterliessen sie überall ihr Sekret, weshalb der wunde Rücken dann immer glasig wie in einem Gelee glänzte. Wie das mit den Würmern und Maden funktionierte, hatte Belite Nawatu gezeigt, auch wo sie sie finden würde. “Bei dir gings auch ohne,” sagte Nawatu, zwinkerte ihr zu und umarmte sie.“Nun, ich war auch nicht am verfaulen,” erwiderte Belite darauf. Das war ihr bloss gedankenlos ausgerutscht, doch Nawatu wich erschrocken und erbost zurück. Ihre Augen waren voll strafenden Entsetzens. Belite fügte schnell hinzu: “Ich mein das nicht so, wirklich. Komm, verzeih mir bitte." Nawatu schaute noch immer grimmig, renkte sich dann wieder ein. Und Belite atmete auf, machte sich an die Anmischung der Medizin. Die aufgeplatzten Kneifstellen an den Schenkeln und Armen sowie die Fesselquetschungen waren ebenfalls rückläufig, auch die vielen bunten Blutergüsse am ganzen Körper. Und die Ohrstümpfe nahmen auch einen guten Verlauf. Selbst die Unterleibsverletzung infolge der Überdehnung stellte sich als nicht so gefährlich heraus. Belite hatte sie mehrmals innen an den Scheidenwänden vorsichtig abgetastet. Sie spülten ihre Geschlechtsteil mit einer besonders zubereiteten Heillösung. Die inneren Widerstandskräfte Turiyas waren stark. Ihr Körper schien alle Kräfte zu mobilisieren und über grosse Reserven zu verfügen, gab sich nicht geschlagen, setzte sich mithilfe der heilenden Kräfte aus der Natur in fast allen Bereichen durch.
Hingegen ihre Brüste heilten gar nicht. Es war, als würde Stillstand herrschen. Schlimmer noch. Als würden sich alle Entzündungsherde in den Brüsten aufstauen und versammeln. Sie waren die Ursache für den sich immer mehr zuspitzenden Zustand. Ihr ganzer Oberkörper schien unter Druck und Schauplatz eines unsäglichen Abwehrkampfes zu sein. Die Menschenfresser hatten sie zulange beim brutalen Spritzmelken stranguliert. Sie hatten sie, nachdem der Häuptling aufgebrochen war, noch einmal brutal gemolken. Und da Turiyas Ammenbrüste ziemlich entleert waren und kaum noch Milch gaben, pressten sie sie, quetschten sie mit ihren Händen aus. Vermutlich war den Menschenfressern die Kontrolle vor überschäumender Geilheit entglitten, denn wer sollte eine Amme mit geschundenen Brüsten noch kaufen ? Die ermahnenden Worte ihres Häuptlings hatten sie in ihrer überbordenen Erregung völlig verdrängt. Auch lag es an der für sie exotischen Erscheinung Turiyas, ihre weisse goldene Haut, ihre Blondheit, ihr überragender athletischer Körper, ihre ausgedehnten vollen Brüste und an den Blättern, die sie gekaut hatten und sie in einen Rauschzustand versetzten. Dann nahmen sie sie einer nach dem anderen noch einmal, aber nur von vorne. Als Turiya schliesslich würgen und erbrechen mußte, störte es sie wenig. Sie lachten amüsiert. Sie flössten ihr, als nur noch Schleim kam, einen Trunk ein und machten dann belustigt weiter. Turiya brauchte nichts tun, befand sich in einer verstörenden Bewusstseinstrübung. Sie schaukelten sie in den Seilen vor und zurück, hielten ihren Kopf an den Haaren fest dabei. Als sie fertig waren, stopften sie ihr den alten sandigen Knebel vom Boden in den Mund. Einer gab ihr noch einen Stoss, so dass sie sich am Seil hängend um die eigene Achse drehte und dann wieder zurück. So liessen sie sie in den Seilen hilflos hin und her baumeln. Ihre Lippen waren dick angeschwollen, auch von Schlägen zwischendurch. Turiya war verstummt, war gebrochen und schwindelig weggetreten bis die Schmerzen am ganzen Körper sie überwältigten, ihr Wimmern erstickte in der Knebelung. Dann wurde es in der Höhle ruhig. Sie waren erschöpft, berauscht und mit sich zufrieden. Sie ahnten nichts davon, dass Nawatu bereits in der Röhre durch eine Mischung aus Staub und Kot kroch. Bald sollte diese Ruhe in eine endgültige Stille umschlagen und ihrem schrecklichen Dasein ein stummes Ende bereiten.
Turiyas Brüste waren infolge der Marter steif aufgebläht und blauviolett verfärbt. Die Adern, die ihre Busen einmal fein marmoriert zierten, waren schwülstig und hart verkrampft. Ihre Brüste waren durchzogen von rötlichen Blutgerinseln, sodass an einigen Stellen die Haut platzte und Risse zog. Jede noch so kleine Berührung löste bei Turiya zittrige wälzende Krämpfe aus. Ihre Brustwarzen waren blutig verkrustet, angeschwollen und brannten rot. Die blutigen Striemen und Schürfungen an ihrem Busen durch die scheuernden Stricke blieben offen. Ihr Zustand war einfach schrecklich, schien aussichtslos. Nawatu und Belite taten zwar alles, was ihnen an Heilkünsten bekannt und möglich war. Doch ihre Reserven für die Behandlung der blutigen Quetschungen und schweren Blutergüsse ihrer grossen Brüste waren langsam aufgebraucht. Stundenlang war Nawatu täglich unterwegs um frische Heilkräuter und Wurzeln zu finden, die nur noch immer weiter entfernt aufzuspüren waren. Wenn überhaupt. Auch schien es, dass die Heilmittel nicht richtig anschlugen, egal welche sie wählten.
Belite befürchete eine sich anbahnende Blutvergiftung, dachte bereits über eine Brustentfernung nach. Doch dieser Gedanke war einfach schrecklich, denn Turiya würde daran seelisch zugrundegehen, eben weil sie nicht irgendeine Amme war, sondern eine Kriegsamme. Eine Brustentfernung war deshalb wie ein Todesurteil. Selbst Nawatu würde beim tatsächlichen Erwägen dieser Möglichkeit zur Rettung Turiyas den Verstand verlieren, auch wenn es das Leben Turiyas retten sollte. Belite fragte sich, wie lange der Körper Turiyas dies noch durchmachen könnte. Das Einzige, was sie wirklich von dieser Möglichkeit abhielt war, dass Stillstand herrschte. Ein gefährlicher Stillstand zwar, aber es war ein Stillstand. Kein Untergang. Denn wie Brüste oder überhaupt Fleisch aussah, das nicht mehr zu retten war, also unterging, wusste sie nur zu gut. Normalerweise starb Fleisch dann ab, man konnte es sehen, fing an zu faulen, schwemmte aus und begann zu stinken. Um eine Blutvergiftung zu vermeiden, entfernte man die eingefallenen Stellen oder brannte sie aus, möglichst bei ersten Anzeichen, was hier eher letztes Mittel war. Es war eine fiebrige Entzündung im Innern in Gange und das Gewebe ihrer Brüste war trotz aller schlimmen Entzündungsherde noch sehr lebendig. Man konnte sie nicht einfach entfernen. Dies war zum jetzigen Zeitpunkt noch verfrüht. Turiya stand genau auf der Kippe. Und genau das war schlimm, denn in solchen Fällen konnte eine Entzündung in wenigen Stunden sich völlig ausbreiten und über den Körper herfallen. Dann wäre es das Aus. So schien denn alles ausweglos und es blieb ihnen nur übrig abzuwarten ?
Belite versuchte mit Nawatu darüber zu reden, obwohl es klar war, dass sie nicht mehr viel Zeit hatten. Es war unmöglich. “Ja ?” stiess es angewidert aus Nawatu heraus, "die letzte Möglichkeit?" Belite senkte resignierend den Kopf, wusste was nun folgen würde. Ein hysterischer Ausbruch. Nawatu zog die Worte mit ihrer in ungeahnte Höhen verzerrte Stimme kreischend in die Länge: ”Ja, genau, welch grandiose Idee !” Dann ging es weiter."Schneiden wir ihr doch einfach die Brüste ab !" Polterte nun dumpf, "Sie sind doch viel zu gross und werden faulig!” Jetzt fing Nawatu an zu zischen, war nicht mehr zu halten. “Zerstückeln wir sie!” Belite liess sie schreien. Es war die reine Verzweiflung, die aus Nawatu herausbrach. “Ja genau, ich wollte doch deinen Fuss auch noch abhacken !” ging es munter weiter. “Ich bin vom Wahnsinn getrieben, warum hab ich das nicht getan ? Oh, nein, das habe ich ja ganz vergessen !” “Hör auf, Nawatu!” rief Belite. “Zack, zack, zack !” ereiferte sich Nawatu, dann lief sie zur Stelle, wo die ganzen Waffen lagerten, suchte nach einer Axt und riss sie mit einem Sprung in die Höhe. Sie sah dabeivöllig irrwitzig aus, da die Axt grösser war als sie selbst und man sich fragen mußte, wie sie überhaupt mit ihrem schmächtigen Körper so in die Höhe schleudern konnte. “Arme, Beine, einfach alles, wir müssen sie zerfetzen !” Das folgende sirenenartig jaulende "Ja genau !" hatte fast ihr Trommelfell zerschnitten und Belite schrie jetzt auch alle aufgestaute Wut aus sich heraus, tief und grell und entsetzlich, sodass es bis in die letzten Winkel der Höhle hallte und sich in einem Echo fortpflanzte bis in die dunkelsten Gänge der Tiefe. “Hör endlich damit auf!” Beide waren starr und stumm. Belite stand da, hielt sich am Speer fest, hustete, spuckte und fühlte sich verloren. Dann schaute sie zu Nawatu rüber. Sie hatte Angst. "Ja, ich kann auch schreien. Guck nur, wenn die Bestien kommen, muß du allein mit deiner Nintu mit ihnen fertig werden. Ich bin noch zu schwach. Aber wenn sie Nintu sehen, werden sie die Bullrogs rufen, dann bricht hier ein Inferno los. Das wird den ganzen Berg dann sprengen. Flehe um Gnade, dass das nicht passiert." Belite zeigte in den Höhlengang, der hinunter in die Dunkelheit führte. "Das haben wir nun davon. Von deinen Wutanfällen. glaubst du denn etwa, dass ich nie die Beherrschung verlier?" Beide blickten immer wieder zum dunklen Gang, standen eine ganze schier unendlich wirkende Weile still und lauschten, aber es rührte sich nichts. Sie waren mit den Nerven am Ende. Sie redeten nach diesem Vorfall eine ganze Zeit nicht mehr miteinander.
Nawatus Kräfte liessen seit diesem Vorfall rapide nach, sie fing immer häufiger voller Trostlosigkeit um Turiyas Zustand an zu weinen. Belite behielt jedoch ihren klaren Verstand und sie hatte sogar den Eindruck, je stärker Turiya von den Qualen der tiefen Verwundung und Schändung, den Geistern des Bösen heimgesucht und geplagt wurde, desto stärker wurden sie beide es auch selbst. Nawatu wurde immer schwächer. Ihre seelische Verbundenheit zu Turiya drückte sie nieder. Schmerz und Elend teilten sie. Sie war mit Turiya eins. Das schwächte sie nun, wo sie doch die Einzige war, die trotz ihrer Kämpfe weitgehend bis auf wenige harmlose Schrammen und Schürfwunden unversehrt geblieben war. Die aufgebrochenen Stellen der Verwandlung waren wie durch Zauberhand völlig abgeheilt. Belite hingegen spürte wie ihre alte mentale Stärke und ihre Reflexe wiederkehrten. Körper und Fleisch ? Was waren sie ohne Seele und ohne Verstand ?
Nawatu wich, wenn sie nicht mit Besorgungen und anderen Arbeiten beschäftigt war, nicht von Turiyas Seite. Belite trat häufig dazu. Nawatu hatte schliesslich aus Ästen, Zweigen und Blättern ein besonders weiches und federndes Lager gebettet und dies mit mühsam aufgelesenen Blüten durchstäubt. Schliesslich stellte Belite rund um das Lager Fackeln auf. Sie wollte alle bösen Einflüsse mit Rauch und Feuer von ihr fern halten. Belite beschwor Mitra und die Geister mit schamanischen Gesängen, umgab Turiya mit geheimnisvollen Dämpfen aus alter Überlieferung. Doch es rührte sich nichts. Die Götter gaben keine Zeichen. Es bewegte sich nichts. Nintu schien verschwunden und auch von Mitra war nichts zu spüren. Die Götter wollten, dass sie allein das Ringen um Leben entschieden. Doch Turiya wurde immer schwächer. Turiya verweigerte schliesslich die Nahrung ganz und nur manchmal liess sie sich von Nawatu noch etwas Heiltrank und Betäubungsmittel einflössen. Manchmal mußte Belite Nawatus immerwährende Eifrigkeit bremsen. Nawatu konnte irgendwie nicht verstehen, dass Turiyas Brüste auch abrupt auskühlen konnten. Sie verstand nicht, dass darunter Herz und Lunge lagen. Sie wusste nicht einmal wirklich, was das ist. Dauerhafte Kühlung zum Abschwellen mit dem von ihr immer wieder strapaziös herbeigeschafften Eiswasser konnte ihren Tod herbeiführen und vor allem das Gewebe absterben lassen. Belites kurze Jahre in den Kriegslazaretten der Grenzgebiete Aquiloniens hatten ihr so vieles gelehrt. Das hatte sie den eher mystischen Schamanen voraus, die stets ihre Vorbilder der Heilkunst blieben, aber solange sie noch nie in blutigen Fleischbergen gestanden hatten, konnte sie über sie andererseits nur müde lächeln. Sie hatte hunderte Verwundete versorgt, sogar selbst Operationen und Amputationen durchgeführt. Gut ausgebildete aquilonische Ärzte zeugten damals ihrer Arbeit unter den erbärmlichen Lazarettbedingungen tiefsten Respekt. Doch am höchsten war die Freude der Krieger ihren Stolz, ihre Ehre und ihre Lebenskraft zurückgewonnen zu haben. Manche von ihnen hatten Familie, sahen sie dennoch nie wieder und andere kehrten zu ihnen zurück.
Plötzlich, wie ein Schatten, riss Nawatu sie aus ihren verzerrenden Gedanken, baute sich vor ihr auf, hielt einen Dolch vor ihre eigene Kehle, den Griff zu Belite gerichtet. "Los, töte mich." Sie zitterte am ganzen Leib. Ihr Blick war verstört. Belite wandte sich in einer wie vor einem Sprung verlangsamte Bewegung eines Panthers Nawatu zu, dann schoss ihre Hand hoch, stob den Dolch vom Hals weg bis er im Flug klirrend an die Höhlenwand prallte. "Bist du des Wahnsinns? Verflucht ! Wozu habe ich dein verfluchtes Leben gerettet ? Turiya lebt, du dumme Kuh !" Dann klatsche sie Nawatu mit der flachen Hand auf die Backe und Nawatu fiel seitlich zu Boden. "Wach endlich auf! Verdammt!" sie beugte sich über Nawatu hob sie hoch, den Schulterschmerz ignorierte sie, schaltete ihn ab. Ihre Kraft war wieder da und ihre Reflexe auch. Dann schüttelte sie Nawatu wie ein kleines Kind. Sie schrie sie an. "Wach endlich auf ! Komm endlich wieder zu dir. Ohne dich ist Turiya verloren." Nawatu war nur noch Elend, stand am Rande des Zusammenbruchs. Belite umarmte, drückte sie nun fest während beiden die Tränen liefen. "Du hast keine Schuld. Turiya wird es schaffen. Ich finde einen Weg. Ihr werdet euch lieben, mehr als je zuvor." Dann stellte Belite sie wieder vor sich hin. "Sag mal, wo ist Nintu ? Die lässt uns hier im Stich. In deinen Augen ist von ihr jedenfalls nichts mehr zu sehen. Oder hast du sie etwa schon aufgefressen ?" Nawatu lächelte nun doch ein bisschen. "Nein !" raunte sie trotzig. Dann rannte sie zum Lager zu den Kisten und Säcken, nahm das kleine Körbchen, kam zurück und öffnete es, hielt die kleine Schlange stolz in die Höhe. "Sie ist nur müde. Es liegt an der Jahreszeit." Nawatu streichelte sie ganz stolz. Die Schlange selbst bewegte sich nur müde und träge, als wollte sie weiterschlafen. "Hm, Schlafende soll man nicht wecken. Aber dann sag ihr mal, das die faule Zeit bald vorüber ist. Die Zeit ist reif zum Häuten." Nawatu war von diesem Augenblick an wieder bei der Sache. Sie wusste nur allzugut, ohne Belite wäre sie schon lange tot und nicht das, was sie jetzt war. Ohne ihren Rat, ihre Erfahrung, ihr Wissen und ihre magischen Künste war alles verloren. Sie alle drei gehörten zusammen.
In dieser Nacht zog sich Belite heimlich aus der Höhle zurück. Sie konnte nicht schlafen. Der Vorfall war auch für sie zuviel. Sie war zwar froh, dass Nawatu sich wieder eingerenkt hatte, aber dass sie keine Lösung für Turiya fand, zermarterte sie, raubte ihr den Schlaf. Denn eines war sicher. Viel Zeit hatten sie nicht. Morgen schon würde sich alles entscheiden. Dieser Gedanke lähmte sie und sie spürte wie sehr Turiya auch in ihrem Herzen einen unumstösslichen Platz gefunden hatte. Doch wer war Turiya, dass sie in ihnen diesen Platz eingenommen hatte, dass sie sich für sie so aufopferten, um sie zu heilen ? Sie nahm aufstützend ihren heiligen Speer, setzte sich vor dem Eingang der Höhle mit dem grandiosen Blick in die Weite. Die Nacht war schwarz, der Mond war noch nicht aufgegangen und so schaute sie in den Sternenhimmel, genoss die frische Luft, atmete tief ein und spürte den Wind in ihrem Haar. Es war ihr einerlei, ob der Häuptling der Menschenfresser, der wahnsinnigerweise daran glaubte, dass allein rohe Stärke und gnadenlose Brutalität ihn zum unumschränkten Führer machten, hier irgendwo draussen lauerte. Die Spuren zur Höhle hatte er sicher zurückverfolgt, doch sein Aberglaube erlaubte es ihm nicht, die verwunschene Höhle zu betreten. Er würde sicher Soldaten seiner miesen Herren rufen, doch auch die müßte man mit der Peitsche hineintreiben. Sie amüsierte sich zynischerweise. Ja, er brauchte eine willenlose Sklavenarmee, dieser erbärmliche Hund, die er antreiben konnte mit miesen Hexengeschrei. Und da er dank Nawatu völlig abgebrannt war, würde das wohl noch eine Zeitlang dauern. Nawatu hatte ihm alles weggenommen, ausser sein mieses Gefolge als Leichen zurückzulassen in seiner Höhle. Sie lachte laut auf bei dem Gedanken. Dieses kleine verrückte Dorfkind. Hielt sich den Kopf, sie fand das zu lustig. Oh ja, er würde toben und fluchen. Sie rechnete fest mit ihm. Aber nicht heute und auch nicht morgen. Sie taxierte, dass er nach einigen Raubüberfällen und Dorfplünderungen in den nächsten Wochen hier mit seinem Gesindel, seiner neuen Truppe aufschlagen würde. Sollte er meinen, sie mit Gewalt zu brechen, so würde er erleben, wie er dabei unterging. Mit ihrem Speer würde sie ihn die Eingeweiden entlang zum Himmel darbieten. Ja, sie würde ihn lebendig häuten. Er hatte es nicht anders verdient. "Gut," und nun stiess sie ihre Verwünschungen laut in die Ferne hinaus, "dann werde ich dich begrüssen und du wirst für alles büssen, was du Turiya, Nawatu und mir, Turiyas Familie und allen anderen an Leid angetan hast. Du bist schon jetzt seelenlos und ich erwarte dich. Dann bist du tot und kannst deine Schmerzen aus deinem Körper schreien. Und zwischen dir und der Sonne liegen Welten und deine eigene Haut versperrt dir die Sicht bis du vertrocknet bist."
Ihre eigenen Wunden beachtete sie kaum noch, da sie nun immer schneller heilten und das ständige Kribbeln und die Wärme an diesen Stellen empfand sie als angenehm, kratzte sich nicht andauernd. Sie löste ihren letzten Verband, auch den Lendenschurz, war nun ganz nackt und kam auf dem Rücken zum Liegen. Sie atmete tief und erleichtert durch, genoss die kühlende Frische der Nacht. Dann tastete sie hinter ihrer Brust leicht an der wunden verkrusteten und geschwollenen Stelle herum. Es sickerte noch etwas, juckte und kribbelte, dann zog es zunehmend tief stechend. Sie mußte sich vorsehen. Sie schaute auf ihren Klumpfuss mit dem festen Wickel und unterdrückte ihren Ärger noch so unbeweglich zu sein. “Na, jedenfalls besser als abgehackt, Nawatu!” Sie verdrehte ihre Augen, schüttelte den Kopf. Bei Mitra, das war nicht geschehen. Dann streckte sie ihre Arme weit aus, sog in sich die klare Mitternachtsluft ein, vernahm die Stille der Berge und versuchte neue Gedanken zu fassen. Sie tauchte ab in Regionen dieser Welt, die für niemanden erreichbar waren. Ihr mitranisches Mal auf ihrer Brust schimmerte im kalten Mondlicht wie ein mächtiges Siegel rabenschwarz. Es war wie die Dunkelheit der Nacht und öffnete ein Portal zum Innern ihrer Seele. Der Mond war aufgegangen und sein blauweisses Licht durchflutete erst ihren Körper, dann erfüllte es ihr Herz und schliesslich erreichte es ihren Geist. Ihr war, als würde sie alles Lebende in sich aufnehmen, das Flüstern der Blättern im Wald, das Zischen der Schlange auf einem Ast, ja selbst das Stimmgewirr einer weit entfernten Stadt drang zu ihr herüber, als ob sie sich schwebend näherte. Dann hob sie ab, es umgab sie das wälzende Wehen der Wolken und sie tauchte schwerelos in die Sternenwelt ein. Sie verschwand in einem Sog, einem mächtigen Strudel, ging unter im Nichts.
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