"Am Ziele deiner Wünsche wirst du jedenfalls eines vermissen: dein Wandern zum Ziel."


"Am Ziele deiner Wünsche wirst du jedenfalls eines vermissen: dein Wandern zum Ziel." - Marie von Ebner-Eschenbach

Molon Labe versteht sich als privates Story- und Fansite-Projekt des von dem fantastischen Erzählwerk Robert E. Howards inspirierten Massive Multiplayer Onlinegame Age of Conan.

Vor allem ist es ein Schreibprojekt von Geschichten rund um die gespielten Charaktere, angeregt durch das Spielgeschehen Hyborias in Age of Conan wirkt es schliesslich in einer eigenen fantastischen Welt vorantiker archaischer Zeit - ganz im Stile von Sword, Sex and Sorcery.


Sämtliche Veröffentlichungen sind Entwürfe oder Manuskripte, also unfertig. Es geht dabei nicht um literarische Meisterschaft, sondern um das einfache Erzählen mithilfe des Schreibens.

"Aus den Trümmern unserer Verzweiflung bauen wir unseren Charakter." - Ralph Waldo Emerson




Seiten

Belite, die Eroberin - Hohe Dienerin Mitras


Hier entstehen die Geschichten um Belite, eine sagenhafte Gestalt uralter Legenden grauer Vorzeit.

Eine Kriegsamazone, selbstsicher und unabhängig, die einzige weibliche Primus Centurio des Blutordens der Mitraner in einer brutalen männlichen Welt der Gier nach Macht durch Unterdrückung und Unterwerfung.

Belite ist gütig und liebevoll, tugendhaft und aufrichtig. Freiheit und Gerechtigkeit gehen ihr über alles.

Belite betet Mitra an, die ihr schliesslich auf fernen Reisen in einer Vollmondnacht erscheint, ihr das wahre weibliche Anlitz der Naturgöttin zeigt und sie zu ihrer Erleuchteten im ewigen Krieg gegen die dunklen Mächte der Unterwerfung und Zerstörung macht.

Einsam, aber nicht allein tritt sie für die Schwachen, Armen und Wehrlosen ein, wird aber von diesen als unheimliche Bedrohung angesehen, denn dort, wo sie Magie und Schwert hinführen, gerät die alte Ordnung aus Betrug und Falschheit aus den Fugen.

So wird aus ihr eine einsame Abenteurerin im Zwiespalt mit der Welt und im Ringen mit den beherrschenden Mächten. Deshalb erscheint sie verflucht, verfolgt, ist ihrer Bestimmung und ihrem Schicksal ergeben.

Belite ist die Keimzelle für eine kleine eingeschworene Gemeinschaft voller Sehnsucht und Hingabe, junge und eigensinnige Gefährtinnen, die ihr in freiem Willen ergeben sind und gemeinsam mit ihr traumhafte Momente der Glückseeligkeit und tiefgrausamen Qual erleben sowie in wundersamer Weise todesmutig für das Gute eintreten - bis zum Untergang.

Es gibt kein Entrinnen oder Erbarmen. Unerbittlich gibt es nur eine Entscheidung: Gut oder Böse - Leben oder Tod !

Freitag, 4. Januar 2013

Xoxo. Die Cimmererin. III - Begegnung


Der Nadelwald lag vor ihnen, ausladend und herunterfallend von den breiten Schultern der emporragenden Berggipfel. Dazwischen zwängte sich eine saftig grün bewachsene Gletscherzunge, die nach mehreren hundert Metern in einer Senke mündete, in dessen Mitte ein tiefdunkelblauer See als Quelle einen flachen und schmalen Bach speiste, der von dort schlängelnd seinen Anfang nahm, um hinter einem Fels unterirdisch in einer Nebelhöhle als glitzernder See zu versinken, danach als tosender Wasserfall in schwindelnder Höhe steil herabzurauschen und sich als fruchtbarer lebensspender Fluss hinab auszubreiten - ins weit entfernte und versteckte Tal, in dem sich ihre Siedlung befand. Sie hatten mit dem Abstieg begonnen und Xoxo schaute noch einmal den Hang hinauf zu ihrer Höhle. Doch sie war schon nicht mehr zu sehen. Dafür aber der terassenförmige Felssims, hinter dem eine steile Wand wie ein Portal alles überragte. Sie strahlte für einen kurzen Moment. Ihre Höhle war so unweit vor fremden Blicken gut versteckt. Niemand konnte ahnen, was sich dort verbarg. Sie war stolz diesen sicheren Platz damals ausfindig gemacht zu haben.

Sie durchschritten nun die lange Rinne mit stark überwucherten Geröll zwischen den Waldstücken und trafen auf die saftig grüne Wiese der alten Gletscherzunge mit dem kleinen See. Immer wieder erhoben sich vereinzelte Steinansammlungen. Sie wanderten nun eine Biegung entlang und brauchten dem Bachverlauf nur folgen. Dieser wurde nur einmal zwischen zwei aufeinandertreffenden Steilhängen unterbrochen, wo dieser unterirdisch verschwand, um später dahinter wieder als kleiner Wasserfall aufzutauchen. Sie zwängten sich durch diese felsige Klamm hindurch und die beiden Maultiere verhielten sich mitunter etwas störrisch, aber blieben willig und liessen sich doch gut führen. Hinter der Klamm brach ein erhebenes und zauberhaftes Panorama auf. Sie hielten wie immer, wenn sie diesen Weg nahmen, für eine Weile ein. Vor ihnen lagen zwei Täler zwischen den Bergen und direkt vor ihnen führte ein steiler Abstieg in ein schmales dicht bewaldetes Kerbtal, dass sich im Verlauf des breiter werdenden Baches sohlenförmig ausbreitete. Je breiter es wurde, desto weicher war der Bewuchs, geprägt von Buschwerk körperhoher Wildgräser und vereinzelt herausragenden Bäumen. Xoxo war bis zu den Schultern verdeckt während ihre Gefährten mit den Oberkörpern klar herausragten und weithin sichtbar waren. Die Bäume fehlten zum Ende ganz im Gegensatz zu den steilen Hängen, die dicht bewachsen waren. Hatte man dies durchschritten, stand man vor einer Verzweigung, die in einer Wendung zu dem jeweiligen Tal hinab führte. An dieser noch entfernten Stelle war die Hälfte des Weges erreicht.

Sie unterhielten sich ausgelassen, doch plötzlich war es Xoxo, die innehielt. Sie schien eine Witterung aufzunehmen. Es hiess, sie hätte den Spürsinn der Säberzahntiger übernommen, sich ihrer Seele bemächtigt, als sie sie bezwang und ihre Herzen ass, konnte Gefahren über sehr grosse Entfernungen ausmachen. Sie verharrten eine Weile, aber es war nichts zu sehen, keine auffällige Bewegung. Nichts. Sie zeigte auf eine weit entfernte buckelige Stelle an den Seitenwänden des linken Hanges. Es war eine frische Rutschspur, die bis zu den Gräsern führte. Das Gras war dort zu einer Ausbuchtung niedergedrückt. Eine Fallstelle und von dort ins Wildgras hinein und man sah an den Spitzen immer wieder Knickungen. Ihr Arm folgte dem Verlauf. "Da!" Und stoppte, wo die Spur endete. Es war klar, ein Tier war es nicht. Sie näherten sich nun langsam und auf der Hut bis zur Rutschspur, teilen sich aber nicht auf, blieben zusammen. Dort angekommen, betastete Wallax den Boden. Xoxo ging der Ausgangsspur folgend noch etwas weiter hoch, kam wieder zurück. "Überall geknickte Zweige. Auch Blut auf dem Boden und an den Ästen. Menschenblut." "Die Fremden!" stiess Wallax, schnüffelte an der Erde in seiner Hand. "Höchstens einer und auf der Flucht," fügte Xoxo trocken zu. Dann rief Xenay: "Seht." Er stand dort wo die Rutschspur mit einem Aufprall geendet hatte. Auf dem abgesprengten weichen Erdboden war ein Fussabdruck zu sehen. Chimir stellte seinen Fuss daneben und lachte auf: "Entweder ein Buschmann oder Kinder, aber die Eindringlinge sind doch riesengross. Angeblich noch grösser als wir." Beolg sagte dann: "Ein entflohener Gefangener vielleicht." Xoxo nickte schweigend. "Von uns ist es jedenfalls keiner. Er hat Angst, auch vor uns." stellte Beolg fest. "Hat sich ins Wildgras verkrochen und wartet auf die Jäger." "Und auf den Tod!"ergänzte Wallax. Wallax nahm seinen Bogen, spannte ihn. "Oder eine Falle ?", schaute verschmitzt in die Runde. "Schnapp, schnapp," Chemir grinste, kratzte sich am Nacken, doch eine Hand fasste kurz an den Axtstiel, rückte sie zurecht.

"Die Vögel sagen das nicht. Auch der Wind trägt mir nichts herüber. Aber was ich spüre, ist unermessliche gefrorene Angst. Diese Seele ist von Angst zerfressen. Hinter ihr liegt das Lied der Qualen. Deshalb versteckt sie sich. Wartet auf ihr Schicksal. Wie das gestellte Wild, das die Wölfe erwartet. Wartet auf den Tod." "Die Frage ist nur, ob wir ihr Schicksal sind oder ob noch eine andere Gefahr hier lauert - auch auf uns ?" hakte Wallax nach. "Naja, die Verfolger werden bald auftauchen, sofern es sie gibt," sagte Beolg kühl. "Wir ziehen jedenfalls weiter. Wir werden sie auf dem Schlachtfeld begrüssen. Sie sickern sowieso überall ein." Xoxo schaute weiterhin in die Richtung, wohin die Spur der verbogenen und abgeknickten Halme führte, erwiderte darauf ohne ihre Haltung irgendwie zu ändern. "Und wenn der Flüchtling etwas weiss, was uns weiterhelfen könnte. Uns etwas über unsere Feinde verrät, um ihre Stärke zu brechen?" "Xoxo, wenn der so dumm ist, wie er sich hier in der Wildnis verhält, dann kann ich auf seine Ratschläge gut verzichten." Wallax grinste und wühlte mit seinen Fuss im Sand. Er kannte Xoxo. Sie würde gehen, ob nun allein oder mit ihnen. "Ich gehe und schaue nach. Dann sehen wir, was es auf sich hat und ob es sich für uns lohnt." Wallax und Chemir stimmten ihr zu, auch Xenay nickte. "Gut, viel Zeit haben wir aber nicht. Mach schnell Xoxo. Und lass den Kopf für Wallax übrig." Sie ging nun den Hang ganz hinunter und verschwand schnell im hohen Gras. Nur ihr rotbrauner Haarschopf war noch zu sehen. Es war von der Gruppe aus eine Zickzacklinie, den ihr Gang beschrieb bis sie einen Bogen machte und nur etwa hundert Meter von ihnen in der Mitte zum Stehen kam. Sie blieb dort eine Weile stehen. Es gab keine Kampfanzeichen. Dann verschwand ihre Gestalt ganz. Sie guckten sich an. Plötzlich hörten sie ein kurzes Aufschreien. Es war eine schrille Frauenstimme. Und wieder. "Ihr bleibt bei den Maultieren," rief Beolg zu Chemir und Xenay. Dann rannten Wallax und Beolg los. Sie eilten in grossen Sätzen durch das Gestrüpp. Doch Xoxo winkte ihnen bereits wieder zu und gab Zeichen sie sollten sich zurücknehmen. "Sie hat ihn, ich quetsch alles aus ihm raus,"raunzte Wallax. Schliesslich kamen sie vor den beiden zum Stehen und schoben das hohe dichte Gras beiseite.    

Rasch verfolgte Xoxo die Spur, war derjenige doch so ungeschickt und unachtsam. Auch wenn dieser im Zickzack sich im Gras hin und herbewegt hatte, sprach dies mehr für Orientierungslosigkeit als für jemanden, der verwirren wollte. Oder für jemanden, der mit der Natur und der Wildnis nicht vertraut war. Der Fremde war nur noch wenige Schritte entfernt. Xoxo lauschte noch einmal völlig regungslos. Sie spürte nun die Nähe der fremden Gestalt und ihren Angstschatten, doch das Gras war so dicht, dass man nichts erkennen konnte. Dann gab ein Windzug, der über die Spitzen der Wildgräser streifte und manchmal Furchen darin zog für einen Augenblick die Sicht ins Versteck frei. Die Fremde hockte mit den Beinen fest angepresst und mithilfe ihren dünnen Arme fest umschlungen seitlich von Xoxo abgewandt. Sie blickte starr hinaus, dorthin wo ihre Gefährten warteten und man ihre Stimmen hören konnte, nahm Xoxo überhaupt nicht wahr. Sie hatte kurze zerzauste struppige kastanienfarbene Haare. Ihre Haut war fremdländisch braun, wie trockener Schlamm, so wie Xoxo es nur einmal gesehen hatte in den Grenzgebieten Stygiens. Die Fremde hatte eine Hakennase. Ja, es war eine Stygierin keine Frage. Sie war völlig nackt, sehr klein und zierlich, war aber dazu noch stark  abgemagert. Ihre Rippen schienen deutlich an der Seite durch und auch die Wirbel auf dem gekrümmten und von Peitschenstriemen gezeichneten Rücken. Man konnte alte vernarbte und frische Striemen von Stock- und Peitschenhieben erkennen. Xoxo war sich im Klaren, sie könnte ihr mit einem einzigen Tritt den Rücken brechen. Die Fremde war keine Gefahr, völlig wehr- und hilflos, zitterte am ganzen Leib. Wenn Gefahr drohte, dann von ihren Verfolgern oder ihren eigenen Gefährten. Der Wind legte sich und Xoxo preschte vor, kam direkt vor der Fremden zu stehen. Die Fremde rührte sich nicht, zitterte und der Angstschweiss lief ihr am ganzen Leib herunter, den sie fest umklammerte und ihren Kopf hatte sie nach vorn auf den Boden starrend gestreckt. Sie bot Xoxo auf diese Weise ihren ausgestreckten Hals offensichtlich zur Enthauptung dar. Es war das Zeichen der vollständigen Unterwerfung. Sie atmete laut und heftig, schluchzte dabei und erwartete Schläge, Peinigung und ihren nahenden Tod. Ihr Hals hatte tiefe Wund- und Würgemale einer Fesselung, ihre Hand- und Armgelenke auch. Ihre Füsse waren blutig aufgerissen, ihr ganzer Körper zerschrammt und von blauen Flecken übersäht, von den Zweigen, Büschen an denen sie vermutlich wie panisch hindurchgerast war. Xoxo legte ihre Axt langsam und ruhig auf den Boden. Und grübelte, welch stygische Brocken sie noch beherrschte. Ohne weiter nachzudenken, lag ihr ein Ausspruch bereits auf der Zunge, weil er melodische Ähnlichkeit hatte mit einem cimmerischen Gesang. Ja, den würde sie verstehen, wenn sie wirklich eine echte Stygierin war: "Keine Finsternis ist dem Kummer gleich. Erlischt die Seele in der Trauer, so brennt sie in der Todesflamme und im dunklen Rauch zieht sie über das weite Land. Heil dir, der du verletzt und lebend bist." Stille. Sie regte sich nicht, aber für einen Augenblick zitterte sie nicht mehr. Sie hatte verstanden. Xoxo betrachtete den Tränenfluss, der an den schmalen dürren Beinen der Stygierin in der Sonne glänzend herunterlief. "Ihr sprecht stygisch?" murmelte die Stygierin, noch immer zum Boden gewandt. "Ja, aber nur einfache Brocken der ländlichen Bevölkerung im Grenzgebiet." "Was ihr sagtet, ist aus einem uralten und heiligen Gedicht. Woher wisst ihr ?" Sie hustete. Dann bückte sich Xoxo, ging in die Knie und fasste sie leicht an den Schultern. Die Stygierin erschrak, schrie auf. Doch als nichts weiter passierte, verstummte sie sofort. Sie hatte offensichtlich nur Angst vor jeder Berührung und immer wieder um sich schauend vor den Verfolgern. Xoxo hob sie hoch. Beide standen nun sich gegenüber und ihr Zittern am ganzen Körper setzte wieder ein. "Schau mich an", sagte Xoxo. Sie riss ihren Kopf hoch als wöge er sehr schwer, schnaufte dabei und das Zittern setzte wieder ein. Ihr Kopf reichte Xoxo gerade einmal bis zu ihren üppig ausladenen Brüsten. Die Stygierin war kein Kind, sondern eine erwachsene Frau. Sie war dürr, ihre Rippen schienen durch und ihre Brüste waren erschlafft, zogen Falten. Sie war in einem schlimmen Zustand und würde allein sicher nur noch wenige Tage überleben sofern nicht Raubtiere sie nicht vorher entdeckten. Ihre dunkelbraunen fast schwarzen Augen hatte sie weit aufgerissen, waren völlig glasig und blutrot unterlaufen. Salzige Tränen rannen vereinzelt wie Kristalle die Wangen herab. Ihre spröden rissigen Lippen wipperten zusammengepresst wie bei einem Fieber. Sie rang um ihre Würde und um ihre Selbstachtung blickte nun Xoxo direkt an. Für einen Moment blieben ihre Blicke an der grossen dicken Narbe neben Xoxos Busen hängen. Xoxo war von ihrem Ringen um Haltung tief beeindruckt. Sie war unglaublich stark. Wieviele Gefangene hatte sie schon gesehen, sie hätten niemals den Mut gehabt ihr in die Augen zu sehen, meist nur unter Anwendung von Gewalt. Und ihr Blick, zwar völlig verzweifelt und ausgeliefert, aber darin war noch immer ein kleiner Rest Stolz und Würde sowie Mut und Entschlossenheit verborgen. Man hatte sie fürchterlich erniedrigt, aber nicht endgültig gebrochen. Sie würde sich davon erholen mit der Zeit. Sie mußte eine Städterin, vermutlich aus einem Tempel oder einem Palast sein, stammte der Statur nach sogar aus der Oberschicht, doch ihr abgemagerter Zustand liess nur eingeschränkt Rückschlüsse zu. Schwere körperliche Arbeit kannte sie sicher nicht, aber sie mußte unglaublich zäh sein, was zu allem gar nicht passte. So dünn und geschwächt konnten sich viele andere kaum auf den Beinen halten geschweige denn noch laufen, aber sie hatte es bis hierher getan. Und hier war offensichtlich Endstation. so schien es als wartete sie hier wie ein gejagtes Reh auf den reissenden Jäger. Sie zitterte unentwegt am ganzen Leib und der Schweiss lief an ihr unaufhörlich herunter. Xoxo blickte sie noch immer scharf einschätzend, aber nicht wütend an. Überlegte, was sie tun sollte. Eine gottverdammte Stygierin. Eine Katastrophe. Die Fremde rührte sich nicht, bemühte sich fest und aufrecht vor ihr zu stehen, wankte dabei sicher wegen schwindener Kräfte. Sie war so selbstbewusst und so verloren. Fast alle anderen wären auf der Stelle zusammengebrochen, würden betteln und flehen. Sie tat es nicht. Xoxo gefiel das sehr und war sich nun absolut sicher, dass die Stygierin keine einfache Dienerin oder Sklavin eines Palastes war. Warum sollte man sie sonst auch noch durch diese Wildnis jagen ?  Einen wertlosen Sklaven bestimmt nicht, der höchstens ein Fressen für die Krähen und Würmer war, denn es wäre ihr völlig neu, dass ein Stygier in der cimmerischen Wildnis je überlebt hätte. Tiefe blutunterlaufene Scheuer-, Schlag und Würgemale hatten ihre Spuren hinterlassen. Auch ihr rechter Oberarm wies solche Stellen auf. Man hatte sie sicher sehr häufig vergewaltigt und geschlagen. Ihr schmaler Brustkorb schien pausenlos vom rasenden Herzschlag zu erzittern. Sie hatte solch verdammte Angst, war sich zunehmend unsicher, ob Xoxo sie nun doch noch töten würde. Cimmerer waren aus ihren Erzählungen das Schlimmste, was sich Stygier vorstellen konnten. Xoxo mußte ein solcher entsetzlicher Anblick gewesen sein in ihrer cimmerischen Wildheit, weiblich kräftigen Üppigkeit und ihrem starken von Muskeln durchzogenen Körper. Die Stygierin betrachtete ihre Muskeln, die auch ihren Bauch wellig durchzogen, wenn ihr Bauch spannte wie bei einem durchtrainierten Krieger. Aber sie war eine Frau. "Sag, wie willst du hier überleben ?" Die Frage war für die Fremde völlig verwirrend, sie hielt sie für eine Falle, für ein Ablenkung. Ihr Herz raste jetzt und sie atmete immer heftiger und nach Luft schnappend. Xoxos Miene war kalt und ernst ohne Ausdruck, ohne Regung, aber auch ohne Hass. "Wir töten dich nicht. Auch wirst du nicht versklavt. Ich wiederhole es, hast du gehört ?" Die Stygierin schluckte, als würde sie einen Kloss herunterwürgen und nickte dann heftig. "Wir - töten und versklaven - dich nicht." Die kleinwüchsige Stygierin regte sich ab, fuhr langsam herunter.aber es hinderte sie etwas sich ganz zu beruhigen, schaute auf den Boden und zur Seite in die Ferne schweifend. Dann stammelte sie hervor: "Ich weiss nicht. Wir werden alle sterben. Sie werden gleich hier sein. Ich werde sterben. Und ... Ihr auch." "Ich sterbe nicht. Und du auch nicht, wenn ich es doch sage. Es wird dir nichts geschehen. Stell dich hinter mir. Warte ab und sei still." Sie wandte der Fremden den Rücken zu und fragte sich, wie das alles enden würde. Ihre Entscheidung hatte sich schicksalhaft auf ihre Lippen gelegt. So war es gesprochen. Dann winkte sie ihre Gefährten heran, die sie bereits kommen hörte und jetzt vor ihr zum Stehen kamen.

"Xoxo, was soll das ?" fragte Beolg aufgebracht. Neben ihm baute sich der riesige Chemir auf. Wallax und Xenay standen hinter ihr, griffen nach der kleinen Stygierin, die sich nun an Xoxo verzweifelt festklammerte und die Augen mit dem Kopf nach unten schloss. "Ihr macht ihr Angst, sie ist wehrlos und auf der Flucht vor unseren Feinden." Sie konnte nicht weitersprechen, denn es brach aus Wallax heraus: "Mann, seht euch das an, eine stinkende Stygierin. Und Xoxo beschützt sie." Er spuckte aus, wollte sie Xoxo fortreissen, doch sie drehte sich herum, wich ihm dann flink aus und ging einen Schritt zur Seite. "Lass sie in Ruhe," fauchte sie Wallax an. "Eh, was ist, diese kleine Hexe, ich zerhack sie in Stücke und häng sie für die Raben auf." "Nein, das wirst du nicht. Sie gehört mir, ich habe sie gefunden. Sie ist hier in der Wildnis und frei. Ich nehme sie mit in meine Höhle. Sie unterliegt weder Gesetzen des Dorfes, noch des Stammes, denn seine Grenzen reichen nicht bis dorthin. Deshalb lebe ich dort. Aber wir sehen uns auf dem Schlachtfeld, ich werde cimmerisches Blut nicht entehren. Und sie wird uns vielleicht verraten, wer die Feinde sind. Kenne den Feind besser als dich selbst, dann wirst du siegen." Es herrschte langanhaltenes eisiges Schweigen. "Beolg, du weisst, was mir in Stygien geschah, es waren Stygier, die mich gerettet haben. Einfache Nomaden. Es sind Menschen. Mit der Brut Sets und ihren schrecklichen Herrschern haben sie nichts zu tun. Viele von ihnen sind Sklaven. Ich gebe zurück, was sie mir gaben, so ist es Brauch." Beolg atmete tief durch, dann nickte er langsam, gab Wallax und Xenay, die von neuem nach der Fremden griffen und die sich um Xoxo hektisch herumwand, ein unmissverständliches Zeichen. Dabei knurrte er laut wie ein Bär. "Schluss jetzt." Sie hielten ein. "Scheiss Weiber ! Beolg, eine Stygierin bringt uns nur das Elend und Seuche." "Ja ? Wirklich ?"  Das ist doch eine verkrüppelte Vogelscheuche. Sie kommt nicht in unser Dorf. Steck sie von mir aus in deine verdammte Höhle. Mir egal. Bring sie aber niemals ins Dorf. Guckt sie dir an. Nur Haut und Knochen. Die frisst dir alle Vorräte weg. Am ende wird sie dich im Schlaf meucheln, vollgefressen von deinem Hab und Gut. Zeig sie mir. Mach endlich Platz. Er deutete, die andern zu sich heran, sodass sie ihn zu beiden Seiten umsäumten. Er wollte sie nur sehen. Von Angesicht zu Angesicht. Xoxo drehte sich ihr zu, dann schob sie sie nach vorn. Schubste sie. Sie schaute mit gekrümmten Nacken auf den Boden, zitterte wie vorher am ganzen Leib. Xoxo wisperte ihr zu:"Schau ihn an." Sie reichte ihnen mit dem Kopf nur bis zum Bauch und schaute rasend vor Angst in ihre Gesichter, in die düsteren Mienen hünenhafter kriegerischer Cimmerer, deren schweissöliger und lederner Körpergeruch wie eine Beize in ihre feine Nase stieg. Der massige Chimir wirkte mit seiner wilden Behaarung wie ein bäriges Ungetüm auf sie. Obwohl Xoxo sie festhielt, zitterte sie immer stärker am ganzen Leibe, japste nach Luft, es schien als würde ihr Atem stocken, dann begann sie zu urinieren. Den mächtigen Gestalten und ihren grimmigen und wütenden Blicken hielt sie nicht stand. Das Trauma der Torturen, die sie überstanden hatte, brach über sie ein, so als würden sie von neuem beginnen. Sie begann noch während sie urinierte zu ventilieren, dann kippte sie um.

"Mann ist die fertig, pisst hier rum wie Sau," Wallax feixte, schüttelte den Kopf dabei. Die anderen auch. "Viel Spass mit ihr, Xoxo. Am Ende kriegste die Maul- und Klauenseuche und läufst vor Mäusen weg. Miau !" Jetzt gröhlten alle vor Lachen, nur Xoxo nicht, sie fühlte Wut in sich aufsteigen über soviel Stumpfsinn, Stumpfsinn der tötet und erst danach die Fragen stellt, aber ja, sie war nichts anderes gewohnt von ihnen. Sie wandte sich gereizt zu Wallax um:"Sieh mich an, Wallax, sagt dir der Name Reallia was ? Ja ? Schon vergessen ? Niemand hätte damals jemals daran gedacht, dass sie heute als stumme Magd ihren belanglosen Dienst verrichtet. Es heisst, sie wischt den Dreck und die Kotze der Säufer mit ihren Tränen auf, wenn sie ihre Krämpfe kriegt. Und weil, niemand, der sie nicht kennt, glauben würde, dass sie einst die stärkste Kriegerin des Stammes war. Und nur deshalb lebt sie noch heute. Sie hat ihren Preis gezahlt. Und niemand im Dorf hat je eine grössere Summe an den Feind aufgebracht. Wallax, sag mir, wie sie aussah, als wir sie fanden, wieviel Zeit sie bei den Schamanen und Heilern verbrachte und was von ihr noch übrig ist!" Wallax schaute auf den Boden, dann schweifte sein Blick in die Weite zu den Abhängen hinauf. "Los sag es mir ..." "halt dein verfluchtes Maul, sei still du Hure, sie verdient es nicht mit einer stygischen Hexe verglichen zu werden. Sie ist stinkender Abschaum." "Hör auf Xoxo, das kannst du nicht vergleichen, genug," Beolg hielt seinen Arm vor Wallax. Selbst Chimir stampfte, von einem Bein auf dem anderen. "Schön, dass ihr euch erinnert. Und lange Zeit lief sie in Ziegenfellen herum, wie eine Bäuerin, um ihr geschändetes Anlitz zu verdecken, wie eine Leprakranke habt ihr sie laufen lassen bis sie von mir ein federweich gefüttertes Fell eines Schneeleoparden erhielt. Keines ihrer unzähligen Wundmale riss seitdem auf. Sie trägt es selbst in der Hitze, weil sie auch im Sommer friert. Vor ergreifender Dankbarkeit umarmte sie meine Beine, fiel auf die Knie, wie eine Bettlerin. Das habt ihr aus ihr gemacht." "Schluss jetzt", raunte Beolg ein letztes Mal. Den drängenden allmählich aufkochenden Wallax hielt er zurück. Zwischen Xoxo und Wallax passte kein Blatt. Xoxo wandte sich abrupt ab, beugte sich über die Stygierin. "Los, gebt mal was zu trinken her, ihr cimmerischen Hurensöhne," ihr Ton war wieder kumpelhaft, streckte frech und fordernd ihren Arm in Richtung Wallax aus. "Oder soll sie von eurem miesen Anblick sterben ? Ich habe immer gesagt, ihr seht sowas von potthässlich aus, dass die Milch versauert." Sie grinste neckisch, lachte für alle hörbar in sich heinein. "Was ist nun, soll mein Arm auch noch abfallen ?" Und tatsächlich nach einer Denkminute reichte Wallax ihr mit ausdrucksloser Miene seinen Trinkbeutel rüber. Der Streit war weggewischt. "Ich hoffe, das Zeug ist nicht vergiftet, das wäre eines Barbaren bei Crom nicht würdig. Sowas kenne ich nämlich nur aus Stygien ..." Jetzt lachten sie alle zusammen. "Aquilonien hast du vergessen," fügte Beolg hinzu.Man durfte sie nicht ernst nehmen mit dem, was sie sagten. Das einzige was zählte, waren ihre Taten. Und man mußte sie manchmal zurückholen, dorthin, wo die Wahrheit so hart und kalt war, wie Granit im Schatten. Sie träufelte der ohnmächtigen Stygierin nun den Beerensaft ins Gesicht und sie kam zu sich, blickte Xoxo wie aus weiter Entfernung an. In ihren Augen funkelte es kurz, wie in einem Diamant. Xoxo hob ihren Kopf mit einer Hand und sie trank nun, erst einzelne Schlucke, dann hastig. Sie war durstig, wie ausgebrannt, ausgehungert auch, war viele Tage unterwegs. Sie hatte sich ihrem neuen Los ergeben.

Es grenzte schon an ein kleines Wunder, ihren Häschern solange entkommen zu sein, so abgemagert und geschwächt wie sie war. Und warum hatten sie die Wölfe nicht gerissen ? Sie roch doch verdammt nach Blut. So dumm konnte sie also nicht sein. In einer Wildnis, von der sie überhaupt gar keine Ahnung hatte, dem sicheren Tod entronnen zu sein. Die Art ihrer Begegnung wies Xoxo innerlich unmissverständlich darauf hin, dass die Stygierin nicht die Absicht hatte, wie Reallia zu enden. Sie war verdammt stolz und zäh. In keiner ihrer Regungen fand sie Unterwürfigkeit - nur panische Angst und Entsetzen. Sie würde schon bald erfahren, wer die Stygierin war, was die Feinde ihr antaten, wer sie waren und wie sie kämpften. Und vermutlich würde sie die Cimmerer eines Tages noch überraschen.  

Sie war nur am Ende ihrer Kräfte, über lange Zeit misshandelt und ausgezerrt - sonst nichts. 




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