"Am Ziele deiner Wünsche wirst du jedenfalls eines vermissen: dein Wandern zum Ziel."


"Am Ziele deiner Wünsche wirst du jedenfalls eines vermissen: dein Wandern zum Ziel." - Marie von Ebner-Eschenbach

Molon Labe versteht sich als privates Story- und Fansite-Projekt des von dem fantastischen Erzählwerk Robert E. Howards inspirierten Massive Multiplayer Onlinegame Age of Conan.

Vor allem ist es ein Schreibprojekt von Geschichten rund um die gespielten Charaktere, angeregt durch das Spielgeschehen Hyborias in Age of Conan wirkt es schliesslich in einer eigenen fantastischen Welt vorantiker archaischer Zeit - ganz im Stile von Sword, Sex and Sorcery.


Sämtliche Veröffentlichungen sind Entwürfe oder Manuskripte, also unfertig. Es geht dabei nicht um literarische Meisterschaft, sondern um das einfache Erzählen mithilfe des Schreibens.

"Aus den Trümmern unserer Verzweiflung bauen wir unseren Charakter." - Ralph Waldo Emerson




Seiten

Belite, die Eroberin - Hohe Dienerin Mitras


Hier entstehen die Geschichten um Belite, eine sagenhafte Gestalt uralter Legenden grauer Vorzeit.

Eine Kriegsamazone, selbstsicher und unabhängig, die einzige weibliche Primus Centurio des Blutordens der Mitraner in einer brutalen männlichen Welt der Gier nach Macht durch Unterdrückung und Unterwerfung.

Belite ist gütig und liebevoll, tugendhaft und aufrichtig. Freiheit und Gerechtigkeit gehen ihr über alles.

Belite betet Mitra an, die ihr schliesslich auf fernen Reisen in einer Vollmondnacht erscheint, ihr das wahre weibliche Anlitz der Naturgöttin zeigt und sie zu ihrer Erleuchteten im ewigen Krieg gegen die dunklen Mächte der Unterwerfung und Zerstörung macht.

Einsam, aber nicht allein tritt sie für die Schwachen, Armen und Wehrlosen ein, wird aber von diesen als unheimliche Bedrohung angesehen, denn dort, wo sie Magie und Schwert hinführen, gerät die alte Ordnung aus Betrug und Falschheit aus den Fugen.

So wird aus ihr eine einsame Abenteurerin im Zwiespalt mit der Welt und im Ringen mit den beherrschenden Mächten. Deshalb erscheint sie verflucht, verfolgt, ist ihrer Bestimmung und ihrem Schicksal ergeben.

Belite ist die Keimzelle für eine kleine eingeschworene Gemeinschaft voller Sehnsucht und Hingabe, junge und eigensinnige Gefährtinnen, die ihr in freiem Willen ergeben sind und gemeinsam mit ihr traumhafte Momente der Glückseeligkeit und tiefgrausamen Qual erleben sowie in wundersamer Weise todesmutig für das Gute eintreten - bis zum Untergang.

Es gibt kein Entrinnen oder Erbarmen. Unerbittlich gibt es nur eine Entscheidung: Gut oder Böse - Leben oder Tod !

Dienstag, 19. November 2013

Xoxo. Die Cimmererin VII - Verrat

Die Abenddämmerung stieg langsam aus den Bergen hervor und Xoxos Gedanken kreisten verworren und unentwegt suchend herum. Der Wein hielt sie halbwegs beisammen, sodass sie nicht durch das zermürbende Grübeln in Schlagseite geriet. Die Sternennächte waren zu dieser Jahreszeit sehr klar und hell. In dieser hellen Dunkelheit konnte man gut sehen, man benötigte kein Feuer, ausser um nächtliche Raubtiere abzuhalten. Menschen hingegen lockte jedes Feuer an, weshalb man es vermied. Der Zugang zur Felsklippe, die sie ansteuerte lag in einem Spalt im Fels hinter dichtem Buschwerk versteckt. Nur mit äusserster Mühe konnte man auch ein Pferd hindurchzwängen. Diesen Ort kannten nur sehr wenige und kaum jemand nahm sich Zeit diesen Zugang zu suchen. Sie fühlte sich deshalb hier sehr sicher, auch da sie alle Spuren verwischte. Hinabblickend am Klippenrand bot sich für Xoxo ein seltenes und beeindruckendes Lichtschauspiel vom herunten liegenden durchgehend bewaldeten Hochplateau. Die vielen Feuerstellen dort beleuchteten die Stämme, flakkerten die Äste hinauf bis hin zu den prächtigen Baumkronen, die das funkelnde Licht der vielen Feuerplätze mit ihrer Blätterpracht wie ein leuchtender Teppich wiederspiegelten und das wellige Dach des Waldes geheinnisvoll belebten.


Xoxo war inzwischen angetrunken vom Wein, sackte langsam zur Seite und schlief ein. Rauchgeruch zog ihre Nase zusammen und beendete ihren Schlummer. Sie blickte um sich. Nichts, niemand war da. Sie schaute in den Himmel, der bereits zum Morgen dämmerte, aber nun von sich teilenden Streifen und dunklen Rauschwaden, die durcheinander wirbelten, verhangen war. Erst jetzt sprang sie auf und lief zum Rand der Klippe, schaute ins vermeintliche Lichtermeer hinab. Sie meinte nun auch die Stimmen von tausenden von menschlichen Seelen wie ein Hintergrundrauschen zu hören, sah wie sehr es sich in ein schauriges Bild eines brennenden und dröhnenden Infernos verwandelt hatte. Immer wieder sah sie riesige Schwärme von Brandpfeilen von den links und rechtsseitig anschliessenden Anhöhen, die das Hochplateau umschlingen, in hohem Bogen herabschwirren. Die Anhöhen waren von den Feinden besetzt und sie hatten von dort teerige Feuerballen hinabgestürzt, die nun an den steilen Felsrändern entlang Feuerwände entfachten, die sich in den Wald hineinfrassen. Wie das alles möglich war, wollte sie nicht wissen, es roch nicht nur nach Feuer, sondern auch nach Verrat. Die Krieger, die versammelten Clans, versuchten der Feuerbrunst zu entfliehen indem sie zu den Hängen mittig vom Plateau strömten, da die seitlichen Auf- und Abgänge durch das Feuer bereits blockiert waren. Zu diesem mittleren Aufstieg zum Plateau rückte jedoch vom Tal bereits des Feindes ganzes mörderisches Aufgebot in voller Breite vor, an dessen Spitze schwere Kriegsnashörner eine zerstörerische Walze bildeten. Sie sollten alles zertrampeln, was sich ihnen entgegenstellte. Hier also würde sich die Schlacht ausrollen und wie ihr schien einem fürchterlichen Abschlachten gleichen. Die Übermacht des nahenden Feindes war unübersehbar, denn seine Truppen schwärzten den Horizont. Was lange als sicherer Hort schien, hatte sich zu einer gespenstischen Feuerfalle verwandelt und die einzige Möglichkeit dieser zu entkommen, war sich einem übermächtigen Aufgebot des Feindes entgegenzuwerfen. Dieser mußte nicht mühsam und verlustreich das hochgelegene Plateau steil und beschwerlich hinaufstürmen, sondern brauchte nur die vor dem Feuer fliehenden und hinabströmenden Massen niederringen. Die Sicht wurde immer schlechter durch den dichter werdenen aufstiegenden Rauch und Qualm.


Alle vorherige Trübsaal, würgende Bauch - und Gliederschmerzen waren ihr entschwunden, war von grenzenlosen Entsetzen und aufsteigender Wut verdrängt. Sie stand lange da, um das Ausmass der Katastrophe zu begreifen. Ihre Wut erstarrte in eisiger Verzweiflung über das, was sie sah und kühnste Rettungsmöglichkeiten und Fantasien erstickte. Nichts brach mehr wild aus ihr heraus, sondern grub sich kalt und todverheissend in ihr ein. Sie riss sich die leichte Rüstung vom Leib, warf sie den Abgrund hinab. Nichts sollte sie mehr mit diesem Ereignis verbinden ausser der unermesslich anschwellende Hass. Sie reckte sich nackt zum Himmel empor, auf Zehenspitzen, so als wollte sie zum Sprung ansetzen und sich schwungvoll wie ein Springer hinabstürzen in die Tiefe, doch sie dehnte ihren nackten Körper nun ganz weit in die Höhe. Sie verlor in keinem Augenblick das Gleichgewicht und wie aus einer statuengleichen Körperhaltung heraus begann sie ein stummes Gebet an alles was ihr heilig war, eine Beschwörung und stille Verheisssung für alles das, was noch kommen würde. Ihr aufpeitschender Hasse wandelte sich tiefgründigen Zorn gleich einer immerwährenden Sehnsucht nach Vergeltung. Es war, als würden alle ihre Träume in den grässlichen Flammen dort unten verzerrt. Es waren dort unten ihre Brüder und Schwestern, doch sie hatten sie ausgestossen wie eine schmutzige Hündin. Sie hatten sie nie geliebt, nur ausgenutzt und als ihre Taten soviel Heil und Gutes brachten, wuchs die vesteckte Missgunst und der Neid. Ihr war, als würde ein göttlicher Fluch über dieses falsche Pack herabsausen in Gestalt des Feindes, der doch vielmehr als ein Abgesandter der Hölle schien. Und sie rüstete ihre Seele, dieser Hölle zu begegnen, denn eine Niederlage war kein Untergang. Cimmerien würde neu auferstehen. Sie würde zu den Hochcimmerern ziehen und sich rächen für all diese Falschheit, die der Feind über alle gebracht zu haben schien. Es war wie ein grelles Blitzlicht, das ihre Haltung abrupt auflöste und sie nach hinten umwarf, sie aus ihren schamanistischen Verwünschungen riss. “Vajria,” sie sah ihr Bild, die geschundene stygische Gestalt wie lebend vor ihren geistigen Auge. Abgemagert und nackt. Obwohl ihres erbärmlichen Zustandes wirkte sie schön und edel. Und ihr Geist, der ihren gestrauchelten Blicken entwich, war ungetrübt und rein, voll reger Spannung und Wachheit. Vajria war ihre Gefangene, aber sie behandelete sie wie ihren Gast, ja wie eine Gefährtin. Und die Vertrautheit und seelische Nähe, die sie in so wenigen Tagen aufgebaut hatten, obwohl sie eigentlich sich als Feinde hätten töten müssen, war unfassbar. Jetzt fühlte sie sich für sie sogar verantwortlich. Was auch immer wahr sein sollte und über ihr Grausames gesprochen werden sollte, so war sie sicher, sollte sie erneut zu Kräften kommen und sich erholt haben, würde sie eines vereinen: der grenzenlose Hass auf die Skyther. Sie hatten beide ihr Volk verloren. Ob nun durch Tod oder Lüge oder Verrat, sie würden nicht ruhen, diese Schuld, dieses Verbrechen zu rächen.


Xoxo sammelte ihre Sachen zusammen und bepackte damit ihr Pferd. Schulterte ihre Waffen, deren Klingen sie jede sanft streichelte und sogar küsste so wie andere ihre Kätzchen liebkosten. Es wimmelte sicher von Feinden, doch sie hatte keine Angst. Im Gegenteil, sie brannte darauf ihnen zu begegnen, doch vermutlich würde das nicht passieren, da sie nur die geheimen Wege der Einheimischen nutzen wollte, denn wenn es jetzt eine Gefährdung für Vajria gab, dann waren es die der eigenen Cimmerer, diejenigen die vor der nahenden Schlacht voller Gier nach materieller Belohnung sie fangen wollten. Nun, sie würde sie aufspüren und töten bevor sie zurückfinden würden. Dann blickte sie noch letztes Mal hinab und sah, dass die Vernichtung ihres Volkes dem Höhepunkt entgegen trieb. Die massenhaften Schreie, die nun mit dem dichten schwarzen Rauch zum dunklen Himmel hinaufzogen waren entsetzlich, aber viel schlimmer das entfernte dröhnende Stampfen des Waffenganges. Sie wandte sich ab, denn diesem Gemetzel wollte sie nicht zuschauen wie ein schäbiger Schaulustiger, vielmehr spürte sie wertvolle Zeit zu verlieren. Es drängte in ihr aufzubrechen, denn Vajria schwebte in Gefahr und war jetzt der einzige Mensch, der ihr noch geblieben war.


Wie besessen ritt sie nackt, nur mit den kniehohen Stiefeln, Armschützern und geschulterten Waffen bekleidet die geheimen Wege und niemand war ihr begegnet. Sicher war der Zeitpunkt dafür günstig, jetzt wo die Schlacht ihrem Höhepunkt und alle Blicke des Feindes auf ihren Verlauf gerichtet waren. Sie mochte sich das entsetzliche Schreien der Kinder und Frauen nicht vorstellen, die verbrannten. Auch nicht, was ihnen in Gefangenschaft drohte. Alle, die noch überlebten, fielen in die Sklaverei. Sklaven der Skyther lebten vielleicht nur zwei, nur sehr wenige bis zu fünf Jahre, wenn sie nicht gefoltert wurden, so hatte Vajria ihr erzählt. Die Frauen wurden geschwängert und wie Vieh gehalten. Da die Skyther selbst keine Prachtbauten kannten, wurden die anderen Sklaven, die Männer und kleinwüchsigen Jungen für die niedersten und schwersten Arbeiten eingesetzt, meist beim Erzabbau in den Gruben und Stollen. Es war eine sklavische Marter.


Nach eiligen unentwegten Ritt stiess sie schliesslich aus dem Waldesrand hervor in Sichtweite ihres Zuhauses, der hoch gelegenen Höhle, auch wenn diese noch nicht sichtbar vom Fels verdeckt war. Wenige Meter auf der Wiese vor ihr lag eine Leiche und noch weiter dahinter eine zweite. Es waren Cimmerer. Sie trabte dorthin. Sie waren erschlagen. In einem steckte ein Wurfspeer. Die Spuren wiesen auf einen kurzen Kampf hin. Sie waren nicht ausgeplündet. Es waren Cimmerer aus dem Heerlager. Doch der Speer, der in ihnen steckte, war kein fremdländischer oder skythischer, sondern ein cimmerischer. Die Gier hatte sie wie von ihr angenommen in Bewegung gesetzt. Doch anscheinend war noch jemand damit nicht einverstanden oder sie hatten sich untereinander zerstritten. Ja, Beolg hatte sie belogen und bereits einen Preis auf Vajria ausgesetzt. Es führten weitere Hufspuren nach oben, denen sie nun folgte. Es müssen mindestens fünf Reiter gewesen sein. Die Spuren verrieten nunmehr, was vor sich ging. Einer von ihnen schien nicht zu ihnen zu gehören und machte Jagd auf sie. Xoxo grinste. Sie hoffte sofort darauf, dass es einer ihrer alten Clanfreunde war. Nun als sie noch näher dran war und die letzte Steigung zum Höhlenaufgang vor ihr lag, sass sie ab. Das Pferd blieb zurück und Xoxo ging vorsichtig weiter.


Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich Wallax vor ihr auf und schrie wie übermächtig und kraftstrotzend in brutaler von Blut verschmierter Gestalt: “Nimm das, du Hure!” Der Schlag seiner Lanze traf sie, ratsche sie jedoch nur und sie liess sich instinktiv fallen. Er schlug ein zweites Mal nach, sodass sie wegrollen mußte, sich aber am Rand des Wegessaumes nicht mehr halten konnte und einige Meter tief das Geröll hinabstürzte. Er sass sofort auf das ihm folgende Pferd auf, auf einem zweiten Pferd hatte er Vajria drübergepackt. Sie war geknebelt und gefesselt wie ein Gepäckbündel, regte sich nicht, schien bewusstlos. Er sah feixend zu Xoxo hinab. Sie lag dort unten vom Sturz schwer angeschlagen regungslos an einer spitzen Felsecke umgeben von dichten Buschwerk. Er ritt hinunter, blickte aus einiger Entfernung erneut zu ihr hin. Er war zunächst unentschlossen, doch nun stand für ihn fest, sich ihres Todes zu vergewissern und nachzuschlagen. Eine Verfolgung konnte er sich nicht leisten, die Skyther hatten ihm die fünffache Summe geboten. Würde er Vajria lebend bringen, würden sie sein Leben verschonen. Sie brauchten ortskundige Führer. Er war sichtlich etwas stolz, die so gefürchtete wilde Xoxo so einfach niedergeworfen zu haben. Ja, Überraschung war sein Element. Sie hatte den Tod verdient. Zeit sich an ihr zu vergehen, hatte er nicht mehr. Lust dazu auch nicht, das war vorher schon erledigt. Er sass ab, zog seine Axt und ging festen Schrittes auf Xoxo zu. Xoxo war noch schwer benommen, als sie zu sich kam, sah wie Wallax sich näherte mit einer pendelnden Axt und einem fürchterlich breiten Grinsen, was ihr den sicheren Tod verhiess. Sie lag auf dem Rücken, war aber noch steif, konnte sich nicht rühren, sie schloss ihre Augen. Es schien wie eine Ewigkeit, aber es passierte nichts. Es herrschte die Stille, als würde ein schweres Loch in der Luft hängen. Es war die Stille, die sie von der Jagd zu gut kannte, die unheimliche fesselnde Stille der lauernden unmittelbaren Bedrohung durch etwas unnahbares und Starkes. Sie entschloss sich dazu ihre Augen zu öffnen und sah Wallax wie angewurzelt nur noch sechs Schritte von ihr entfernt. Verdammt, er zitterte sogar, er zitterte voller muskulärer Anspannung, jede Sehne, jeder Musekel war voll angespannt und seine Augen waren im Anlitz der unheimlichen Bedrohung eng und konzentriert zusammengezogen. Doch es schien es lief ihm auch ein Schauer über den Rücken, den er nicht offen zeigen konnte. Sie rührte sich ebenfalls nicht, denn es war klar, dass etwas sehr grosses oder gefährliches und nicht menschliches hier bei ihnen lauerte. Die lähmende Bewegungsstarre vom Sturz war von ihr gewichen und sie fühlte, sie konnte sich wieder rühren. Tat es aber nicht. Von hinten näherte sich etwas furchtbares und sie spürte dessen ausströmende Wärme und ein Atem, der einem tiefen Schnaufen glich. Es stand offenbar nun ganz nahe bei ihr angekommen direkt neben ihr. Sie erkannte den Geruch. Plötzlich schnupperte es an ihrem Körper und sie war sich im Klaren, was es war - ein riesiger Säbelzahntiger. Er leckte mit seiner rauhen Zunge ihre nackte Haut an einer Wunde entlang, biss aber nicht zu, sondern hob den Kopf in den Nacken und brüllte jetzt ganz mächtig. Ja, der Säbelzahn betrachtete sie als seine Beute und Wallax hatte nicht das Recht ihm diese zu nehmen. Für einen Säbelzahntiger war die Welt sehr einfach, es gab nur einige monströse Höhlenbären und Wollnashörner, die es mit einem voll ausgewachsenen Säbelzahntiger aufnehmen konnten. Wallax bewegte sich noch immer nicht, versuchte ganz langsam zurückzuschleichen. Jede abrupte oder schnelle Bewegung hätte einen Angriff provoziert und es kam jetzt darauf an, langsam Distanz aufzubauen und Zeit zu gewinnen. Doch der Säbelzahn senkte sich, schüttelte den Kopf, knurrte drohend, dann schleckte er, als hätte er kein Interesse mehr an einen Kampf, seitlich über Xoxos Schulter bis hin zu ihren Brüsten, doch dann brummte er wieder und fauchte schliesslich bestialisch, so wie es alle Raubkatzen tun, wenn sie ihre Beute beschützen und Fressdiebe davonjagen wollen. Am Ende verhalten sie sich so, dass man nicht mehr weiss, wie sie sich verhalten, dann schlagen sie zu. Es wurde unerträglich laut und seine Speichel von den fletschenden Zähnen splatschte auf Xoxos nackten Körper hernieder. Sie regte sich nicht, stellte sich tot, vermied den Blickkontakt zu diesem mächtigen Tier, das sicher spürte, dass sie noch lebte. Sie war warme lebende Beute, das sich dem Schicksal ergab. Für einen kurzen Moment wagte es Xoxo hinaufzuschauen. Es war wirklich ein Riese von einem Säbelzahn, ein sehr starkes und voll ausgewachsenes Weibchen, weit grösser und schwerer als die, die Xoxo im Kampf besiegt hatte, so unermesslich mächtig. Wozu sollte es sich in Xoxo verbeissen, wenn sie als Beute vollkommen sicher war.


Es suchte nach schneller Nahrung für die Jungen, die bestimmt nicht sehr weit weg waren. Es würde sie wegschleppen und ihren Jungen zum Spielen hinwerfen. Die jungen Raubkätzchen mußten töten und jagen lernen, spielten häufig mit der lebendigen Beute, so wie Katzen es mit Mäusen tun. Für das Opfer ein schreckliches Spiel. Dann völlig überraschend und doch seit langem erwartet, erfolgte der brüllende und gewaltige Sprung, der die Steine fetzen liess. Es war ein ungeheurer wuchtiger Zusammenprall, ein kurz auftosender Kampf. Der Säbelzahn war sehr schwer und seine wirbelnde Bewegungswucht gewaltig. Die rasend schnellen Prankenhiebe erschütterten den Boden, tauchten alles in einen staubigen Nebel. Xoxo fühlte sich völlig leer und ausgeliefert, erfasste aber ihre Chance und rollte schnell zur Seite. Nur weg von hier, war ihr einziger Gedanke, Ihre geschulterten Waffen berührte sie nicht einmal, denn bei einem solchen Ungeheuer war alles vergebens. Eine dichte Staubwolke verdeckte das grausige Geschehen. Von Wallax sah sie nichts mehr, dann schliesslich seine Beine, er war in seinem übermächtigen Gegner mit seiner Axt verkeilt, doch bereits leblos. Es gab keinen einzigen Schrei. Seine Axt hatte er in den Säbelzahn hineingetrieben, aber nicht an einer tödlichen Stelle. Für den Säbelzahn schien es eine Wunde von vielen aus zahllosen Kämpfen mit Beutetieren oder Artgenossen. An dieser Wunde würde er nicht zugrundegehen, auch wenn sie heftig zu bluten schien. Und wenn, erst viele Tage später. Der Säbelzahn hatte bereits den Arm herausgelöst, dieser hing aber noch an den Schulterknochen herunter und sich in Wallax Nacken gebissen, hob nun ruhig seinen Körper hinauf, schüttelte den Kopf hin und her, um das Genick zu brechen. Die bluttriefende Beute, einen gefürchteten Krieger, hielt der Säbelzahn nun hoch, so federleicht schien es, als würde dieser starke Mann nichts wiegen. Dann verschwand er so abrupt, lief so schnell und lautlos wie er gekommen war. Xoxo hatte sich schon ein weites Stück entfernt und riss sich hoch, rannte schnell zur Höhle, wohin die Pferde geflüchtet waren. Sicher würde der Säbelzahn wiederkommen, um nach ihr zu sehen, vielleicht auch nicht. Sie war nun gewarnt und wusste ihn mit Fackellicht fernzuhalten. Sie verzogen sich dann nach einer Weile, suchten andere Beuteplätze auf.


Dort am Eingang ihrer Höhle roch es nach Tod, lagen drei weitere Leichen, erschlagen im Kampf und wenige Meter entfernt sah sie den nackten Körper einer Frau. Ihre Lederrüstung lag um sie verteilt herum, man hatte sie ihr regelrecht vom Leib gerissen. Es war eine cimmerische Kriegerin. Sie atmete heftig, ihre Arme und Beine waren mit einem Strick hinter dem Rücken gebunden auf dem sie nach oben gerichtet lag. Die Arme und Schenkel waren von Brüchen geschwollen. Wallax hatte sie brutal gefügig gemacht und vermutlich hatte Xoxos Erscheinen sie vor dem lebendigen Ausweiden bewahrt. Er hatte sie vergewaltigt und ihren Widerstand, jede widerspenstige Bewegung durch das Brechen der Knochen erstickt. Xoxo entschied sich, zuerst nach ihr zu sehen, da sie bereits um ihr Leben rang, schaute in diesem Augenblick zu Vajria rüber, die noch bewusstlos am Pferd herabhing. Sie war jetzt in Sicherheit. Dann ging sie knieend in die Hocke, beugte sich über die Fremde. Xoxo durchtrennte zunächst den Strick, der die Haare mit den Füssen am Rücken verband und sie in eine nach hinten verkrümmte Zwangslage gebracht hatte. Ganz vorsichtig berührte sie ihre Wange, strich ganz fein daran und an ihrer Stirn entlang. Die Fremde öffnete ihre Augen, atmete weniger heftig, schien sich etwas zu beruhigen. Es war ein reiner trostloser Tunnel des Unglücks, dem Xoxo entgegensah. “Töte mich," flüsterte sie. "Erlöse mich, ich bin nicht ich. Lass mich nicht elendig zugrundegehen wie ein Stück Aas.” Sie blutete noch immer zwischen den Beinen aus dem Unterleib und es hatte sich eine grosse Blutlache gebildet. Er hatte sie brutal gefistet. Dem Blutverlust zu urteilen, hatte sie nur noch wenig Zeit. “Du bist sehr tapfer, du hast sie fast alle ganz allein getötet."  Ein schmerzverzerrtes Lächeln huschte über das Gesicht der Fremden. "Dein Name ?" ”Uoni, vom Yakhmar-Clan, bitte übergebe ihnen meine Asche. Sie werden es dir danken. Ich habe sie alle geschafft, die Schweine, aber für ihren Anführer hat es nicht mehr gereicht. So hat er von mir alles genommen.” “Er ist nicht mehr, ein Säbelzahn hat ihn gerissen.” Die Femde lachte jetzt bitter auf, doch Zittern würgte es ab, dann biss sie sich auf die spröden Lippen. “Wicca hat mich erhört. Ein grausamer Tod. Bist du Xoxo ?” “Ja” “Hast du die Stygierin ?” “Ja, sie ist hier bei mir.” “Ich sage dir ihren wahren Namen. Sie heisst Vajria und ist eine uralte stygische Wesenheit und wurde von einem uralten Gott entsendet. Ich warne dich. Nimm dich in Acht. Sie tut dir nichts, weil sie dich braucht und geschwächt ist, aber sie ist gefährlich. Die Mitraner sagen, sie sei ein Ungeheuer. Doch niemand weiss, was wahr ist oder Lüge. Ich wollte sie nicht ausliefern, aber ich wollte sie zur Rede stellen, denn sie weiss Dinge, die vergessen sind, aber unser Leben wie ein Schicksal bestimmen. Ich habe die anderen verfolgt. Dich habe ich gesucht, aber nicht gefunden. Er wollte sie an die Skyther ausliefern. Er hat es mir gesagt wie sovieles. Er ist so erbärmlich dumm und doch hat euch alle verraten. Und doch hat er mich besiegt.” Die Fremde hustete und kalter Schweiss rann über ihre Stirn. “Komm beuge dich zu mir, es gibt ein Rätsel, dass Vajria entlarvt und das Tor zur Wahrheit öffnet. Ihr Gott gebietet ihr als Wesenheit diese Wahrheit zu bewahren, sodass niemand sie erfährt. Töte sie, wenn sie diese Antwort dir verschweigt, denn sie muß antworten, weil es ein Rätsel ihrer Gottheit ist." "Komm," dabei blinzelte sie als Zeichen des Vertrauens und um es in Ohr zu sagen.  Xoxo beugte sich tiefer ganz dicht herab. Während die Fremde ihr das Rätsel, eine Frage aufgab, starb sie, die richtige Antwort nannte sie nicht.


Wallax hatte sie als Krüppel ausblutend liegen gelassen. Sie mußte eine grosse Kriegerin gewesen sein eines ihr unbekannten Stammes aus dem Hohen Norden Cimmeriens, auch die Eiswüste genannt. Sie war schön und hatte ganz weisse Haut, azurkristallend blaue Augen und schwarze Haare. Xoxo schwor ihrem Wunsch dem Clan die Todesnachricht zu überbringen, denn sie hatte es allein vermocht Vajria zu retten. Dieses miese Schwein von Wallax, sie hatte sich von ihm noch die Tage ficken lassen, nun ekelte es sie fürchterlich an, dass sie sich schmutzig fühlte, hatte Vajria ausliefern wollen und er auch verantwortlich für den kriegerischen Verrat, der die vereinten Stämme in einem Flammenmeer untergehen liess. “Dieses verfluchte Stück Scheisse, dieses ungeheure Stück Dreck!" Sie fluchte, spuckte aus zur Seite, brach trotz des aufschiessenden Grolls ihre dunklen Gedanken ab, richtete den Kopf der Fremden und schloss ihre Augen, dann stand sie auf, verbeugte sich “ehrenvoll wirst du zu deinen Göttern fahren. Du wirst brennen, wie es sonst nur die grossen Clanführer tun.” Dann wandte sie sich dem Pferd zu, an dem Vajria herunterhing, noch immer ohne Bewusstsein oder betäubt. Sie löste ihre Fesseln, sie war unverletzt, d.h. es waren keine neuen Wunden dazugekommen, ausser vom Niederschlag an der Stirn eine frische Kopfwunde, die noch sickerte. Sie hielt ihre kleinwüchsige magerknochige Gestalt in ihren Armen und drückte sie fest an sich, denn sie war warm und lebte. Dann rüttelte sie sie sanft, immer wieder und klapste ihr links und rechts auf die dünnen Backen. “Komm schon, sag endlich was.” Xoxo schossen bereits die Tränen hoch. Vajrias Augen blickten sie an und sie lächelte, als sie Xoxo erkannte:“Wo sind wir?” “Wo wohl? Hier bei mir, in unserer Höhle.” “Du hast überlebt und mir erneut das Leben gerettet. Wie soll ich dir jemals danken? Habt ihr die Schlacht gewonnen?” “Nein, alle sind zu Crom gegangen und ein Verräter wollte dich den Skythern ausliefern. Er hat alle hintergangen und sie in den Feuertod getrieben. Er war mein Freund. Ich hatte ihm vertraut. Wir alle. Der, der dich schon damals tobend töten wollte. Er hat dich verschont, wollte dich unversehrt verkaufen.” Vajria sah die eiserne bittere Enttäuschung in den Augen Xoxos. “Ja, er war es. Bist du geflohen ?” "Nein, sie haben mich ausgestossen. Es ist alles schiefgelaufen." Und nach einer kurzen Pause, "Wegen mir?” Xoxo schaute nur auf den Boden. "Ich habe es geahnt, hatte solche Angst um dich." Vajria richtete sich auf, drehte sich um die Achse, fasste an die Kopfwunde, betrachtete das eigene Blut an den Händen und streifte sich an den Armen und Beinen ab. “Und du hast nicht widerrufen?” “Nein. Wir haben ihr, Uoni, unser Leben zu verdanken, denke ich. Einer fremden cimmerischen Kriegerin, die uns nicht kannte, doch das wenige, was sie mir noch gesagt hat, zeigt mir, dass sie besser war, als alle anderen, die ich kannte.” Vajria blieb stumm, nickte, dann sagte sie nur: ”Sie hat gekämpft wie ein Berserker. So wie du, doch sie war zu erschöpft um gegen ihn zu bestehen. Er war brutal. Ich habe es mitangesehen. Irgendwann verlor ich dabei das Bewusstsein. Hast du ihn bezwungen ?” "Nein , ein Säbelzahn hat ihn gerissen, ich war schon dem Tode nah, war gestürzt und gelähmt. Er wollte mich erschlagen. Und er hätte es getan, wäre der Säbelzahn nicht erchienen." - "Deine Götter haben dich beschützt und den Säbelzahn entsendet." Und nach einer kurzen Pause. "Du mußt rasch zu Kräften kommen, wir beide müssen uns die nächsten Tage schonen und stärken. Ehrlich gesagt, mir tun alle Knochen weh und wir müssen unsere Wunden richtig auskurieren. Aber noch vor dem Winter müssen wir nach Norden zu ihrem Clan und auch wieder zurück sein. Wir sind dann sicher gute vier Wochen fort. Du hast fürs Anfressen also nicht gerade sehr viel Zeit, kriegst dafür von mir die ganz fetten Abschnitte." Xoxo grinste breit während Vajria eine Fratze zog. "Ich esse kein Fett, auch wenn ich sterben muß." "Du kriegst das beste Fleisch, das Cimmerien dir bieten kann und welches sonst nur Krieger bekommen. Den Winter verbringen wir hier, niemand kommt hierher dann. Im Frühjahr brechen wir auf und ziehen nach Aquilonien." "Etwa nach Tarantia ?" Vajria wurde von sichtlichem Unbehagen erfasst. "Ja. Dir geschieht nichts. Ich bringe dich unter. Ausserdem laufen da in bestimmten Vierteln viele Stygier rum, das ist keine Seltenheit. Allerdings fast alle unfrei, also Sklaven, Diener des Adels. Aber da fällst du nicht auf im Gesindeviertel. Und schlimmer, wo es hier bald nur noch von Skythern nur so wimmelt, wird es keinesfalls sein. Du wirst dort meine Tochter kennenlernen und ich bin gespannt auf eure Begegnung. Sie ist eine angehende Mitrapriesterin.” - “Oh, nein,...” - Während Vajria die Hände über den Kopf zusammenschlug und sich bestürzt zeigte, begann Xoxo vergnügt an zu lachen und zu gackern. “Ihr werdet euch verstehen, verraten wird sie dich nicht. Sie ist meine Tochter. Nichts, was mir heilig ist, wird sie mir jemals nehmen und ich ihr auch nicht. Sie ist noch jung und wunderschön. Sie ist schwärmerisch und wenn sie etwas mag, dann ist es Weisheit, ganz gleich aus welchen Quellen. Und davon kannst du ihr mehr als genug geben, das weiss ich. Cyantia wird uns sogar helfen, denn was uns geschehen ist, ist so unglaublich, dass es einfach wahr sein muß.” Vajria sah den ganzen Stolz, der aus Xoxo nur so heraussprudelte, wenn sie von ihrer Tochter sprach. Vajria wurde bewusst, dass sie nun bald - noch vor der Abreise - ihre ganze Geschichte und ihr Geheimnis lüften mußte, um ein Zerwürfnis, einen Bruch zu vermeiden. Nur wie sollte sie es anstellen, denn eine Mitrapriesterin war per Gelübde dazu gezwungen sie - sofern ihre Identität gelüftet war - der Priesterschaft zu melden. Man würde sie festnehmen und ihre Tortur würde von neuem beginnen. Sie mußte Xoxo aufklären bevor sie mitranischen Boden erreichten, denn Xoxo wusste von allem nichts oder dachte gar das alles zu ignorieren. Es war ihre barbarische Natur über solche Dinge nicht viel Zeit mit Grübeln zu verschwenden. Ihre Tochter war verpflichtet so zu handeln oder sie würde aus der Priesterschaft ausgestossen und selbst einer Anklage entgegensehen. Unsinnigerweise mochte sie Xoxo zu sehr, empfand bei ihr Geborgenheit, sogar tiefe Zuneigung, wie sie es seit Ewigkeiten nicht mehr erlebt hatte. Sie war weich geworden, was sie nicht verstand. Ausgerechnet hier bei den Wilden, den Barbaren auf eine primitive Jägerin zu stossen, die ihr mehrmals das Leben rettete, nichts dafür verlangte als Freund- und Hilfsbereitschaft, ihr Wissen teilte und sogar bereit war dafür ihren Stamm zu verlassen, das war unmöglich. Das war doch wie im Tollhaus. Viel zu verrückt. Zugleich wusste sie auch, dass sie selbst nicht mehr die Gleiche war, sondern dass die Torturen der skythischen Gefangenschaft sie verändert hatten. Es schien ihr, als sei sie weich geworden, hörte auf ihr Herz, obwohl sie ein Verstandesmensch war. Diese Möglichkeit sich selbst, den eigenen Gefühlen völlig ausgeliefert zu sein, machte ihr Angst. Und zugleich war es ihr gleichgültig, was möglich oder nicht möglich war. Es würde geschehen. Ihr Verstand liess sie nachhaken: "Willst du mich ausliefern ?" "Niemals, du gehörst doch zu mir. Zu oft habe ich während der letzten Tage an dich gedacht. Nicht als Gefangene, auch nicht mehr als unfreiwilliger Gast, sondern als Gefährtin. Ich weiss sehr wohl um den Zwiespalt einer Begegnung Cyantias mit dir, aber vertraue mir, ich wünsche nur, dass du sie teilhaben lässt an deinem Reichtum uralten Wissens, was sie nirgendwo in Aquilonien finden wird, nicht nur weil es verboten ist, sondern unterging vor langer Zeit. Glaube mir, ihr werdet beide eure Zusammenkunft überleben." Im Innern ihres Herzens war Vajrias Verstand nun gefangen und ihre Stimmung hellte sich weiter auf, sie zog spitz ihren Mund zusammen und ihre feinen Augenbrauen entspannten sich. Sollte sie sich in dieser Barbarin geirrt haben und wusste sie mehr über die uralten Mysterien, als sie verriet? Oder war es nur einen Ahnung von etwas Verborgenen ? Sie fand jedenfalls zunehmend Gefallen an dieser womöglich ketzerischen Idee. "Sag, was ist es, dass dich zu diesem wahnsinnigen Einfall treibt ?" Xoxo antwortete sehr nüchtern: "Nichts als die Wahrheit, auf deren Suche nicht nur meine Tochter ist. Auch wir, du und ich, wollen Gewissheit. Und uns vereint die Rache gegen einen Feind, der uns alles, aber auch wirklich alles genommen nachdem er die Sinne vergiftet hat. Nur unsere Seele nicht. Sie sind rein und er ahnt nicht, dass sie nun noch viel klarer sehen mit jedem Leid und mit jedem Verlust, den er uns zufügt. Es ist soviel unendlich Blut für die Lüge vergossen, sodass es nicht schadet und auch kein Verbrechen ist, es auch für die Wahrheit zu tun. Und du Vajria wirst nicht nur an unserer Seite stehen, du wirst zu uns gehören. Und wir geben dich nicht preis. Wer dich berührt, kann zu den Göttern beten." 

Xoxo kam zum Ende:"Wir tun also nichts anderes, als ein altes Sprichwort verlangt: Wenn du die Wahrheit suchst, gehe hin, wo die Lüge zuhause ist."


Freitag, 28. Juni 2013

Xoxo. Die Cimmererin VI - Ausgestossen

"Gott Indera möge den Geist Vajria erwachen lassen, dieser auf deine Feinde niederfahren und dich beschützen ... komm heil zurück, ich liebe dich", das waren ihre letzten Worte beim Abschied. Dann umschloss sie mit beiden Armen Xoxo zärtlich. Da sie so klein war, schmiegte sie ihre Wange leicht an Xoxos Bauch unterhalb der Brüste, hörte das Klopfen von Xoxos Herzen, trat dann wieder rasch zurück. Ihre funkelnden Augen waren glasig von den Tränen, die an ihren Wangen herabperlten. Xoxo war gerührt, fasste sich und sprach: "Vajria, sei auf der Hut. Zeige dich so selten wie möglich, nur um frisches Wasser zu holen oder frisches Obst und Früchte. Halte dich nirgends lange auf. Weitere Verpflegung ist hier reichlich für weit mehr als einen Monat, doch dann bin ich längst zurück. Wir haben noch viel zu erzählen, auch über meine Tochter Cyantia müssen wir unbedingt sprechen. ich möchte deine Meinung hören. Möge Mutter Natur bei dir sein." Dann ging sie leicht in die Hocke und mit einer Hand berührte sie sanft Vajrias Gesicht, verwischte ihre Tränen, doch die traurigkeit liess sich nicht verwischen: "Stärke dich, nutze die Zeit, ess soviel du kannst, du mußt zu Kräften kommen. sonst überlebst du nicht. Tue mir das nicht an. Ich komme zurück." Dann erhob sie sich und rannte los.

Noch einmal, bereits ein weites Stück hinter sich, blickte Xoxo zurück. Vajria stand dort oben noch immer am Felssims, blickte ihr nach, so klein und winzig wie sie war und kaum noch aus dieser Entfernung zu erkennen. Sie drehte sich um, wandte sich ihr zu  und tatsächlich, Vajria winkte, erst mit beiden Armen, dann immer zaghafter und wehleidiger, dann winkte sie zurück und hob kreisend ihre Einhandaxt in die Höhe. Sie überlegte dabei, was die letzten Worte bedeuteten, in welchem Zusammenhang ihr Name mit dem Geist Vajria stand. Es war überall auf der Welt üblich, Kinder nach Göttern oder Heiligen zu benennen, sollte sie sich deshalb unnötig Gedanken machen ? Die Tage mit Vajria hatten Xoxo verändert. Es waren sehr inspirierende Tage des Austausches, die ihren Blick auf die Dinge zu verändern schienen. Sie konnte mit Vajria so einfach über Dinge reden, wo sie mit anderen cimmerischen Schamanen mehr auf Schwierigkeiten stiess. Und Vajria wusste sovieles, konnte ihr alles erklären, was ihr ein Rätsel schien. Wer war sie wirklich ? Dann kam Wehmut in ihr auf. Auch dieses Gefühl war ihr seit langem fremd, nun war es da. Es durchlief ihren Bauch und ihr Herz klopfte übernatürlich stark und fest. "Was ist mit mir los ? Warum zieht sie mich so an ?" Sie versuchte es abzuschütteln, wandte sich um, griff fest nach ihren Waffen, fing an ein kleines Stück wegzurennen und marschierte rasch weiter.

Sie fand das Pferd an der vereinbarten Stelle, auch ein Packbeutel lag dort, darin eine lederne Rüstung und Proviant. Sie trug einen Umhang, darunter nur einen knappen Brustschutz und eine kurze lederne Hose. Sie legte die Waffen und den Umhang ab, probierte die neue Rüstung an. Die Lederrüstung bestand aus Brustteil, Armschutz, Handschuhe und einer Kappe sowie langen bis über die Knie reichende Stiefel. Es war speziell zum Schutz in mehreren Schichten aufgetragenes hart gegerbtes Leder, war aber innen weich mit Fellflausch bezogen. In der Mitte des Brustteils das Siegel des Clans. Die schwere Rüstung würde sie sicher im Heerlager erhalten.

Es war ein mehrtägiger Ritt durch Täler und Fluchten der langgestreckten rauhen Berge Cimmeriens. Sie war gespannt und würde sicher viele alte Kampfgefährten der benachbarten Clans wiedersehen. Sie war nun voller Hochgefühl. Schliesslich kam sie nach einer Biegung an einer steilen Klippe zum stehen. Unter ihr erstreckte sich das bewaldete Hochplateau von Kaltun. Diese war riesig soweit das Auge reichte und in der Mitte dort in der Weite stieg aus einer grossen Lichtung inmitten des befestigten Ting eine Rauchsäule auf. Auch dieser war riesig und man konnte darauf schliessen, dass er über hundert Stammesräten Platz bot. So mußte es ein mächtiges Lager sein, das jedoch von den Baumkronen verdeckt war. Sie fühlten sich völlig sicher. Xoxo stimmte dies merkwürdig, da sie noch keinem einzigen Späher begegnet war. Und in einigen Bereichen, die sie durchquert hatte, wurde sie das Gefühl nicht los, das sich etwas verändert hatte. Manchmal überkam ihr ein Schauer, der auf etwas Fremdes hinwies. Doch ihre Clanbrüder würden es schon wissen. Sie konnte es sich nicht vorstellen, dass sie die Lage nicht einschätzen konnten und wischte ihre düsteren Gefühle und Zweifel beiseite.

Voller Freude auf die grosse Zusammenkunft ritt sie nun den schmalen Bergpfad durch ein Waldstück entlang, stiess dann auf eine grosse Lichtung die zum letzten steilen Abstieg führte. Da kamen sie, brachen aus dem Waldrand hervor. Sie wollte schon jubeln, doch aus der Haltung der sieben Reiter unter denen sich auch Beolg befand und der Art und Weise ihres Rittes, wie ein Spalier, dass Gefechtshaltung einnahm, las sie ab, dass etwas nicht stimmte. Sie riss sich zusammen, drosselte das Tempo, bremste aus. Dann blieben alle stehen. Xoxo hob ihren Arm zum Grusse, der ohne Erwiderung blieb. Ein Reiter löste sich aus der Gruppe, die in einer Reihe stehen blieb. Kam näher. Was war passiert ? Wieso behandeln sie mich so ? Ich bin doch keine Fremde, schoss es ihr panisch durch den Kopf. Er hob nun seinen Arm zum Grusse und kam heran. "Heil dir, Xoxo, des Säbelzahns Bezwinger und Schamanin des Ben Morgh Clans."  "Heil dir, Cantam, weiser Bote des Hohen Rates der vereinigten Stämme." Sie kannten sich seit vielen Jahren, hatten gegenseitigen Respekt. Mit einer so formellen Begrüssung hatte sie jedoch nicht gerechnet, was kein gutes Omen war. Sie festigte sich. "Xoxo, ich bringe dir schlechte Nachricht, doch es ist im Rat besiegelt." "Was, um alle Welt?" Man habe sie nicht mit einem Bann oder einer Acht belegt, aber sie gelte nun als Ausgestossene im eigenen Land. Handel dürfe sie noch treiben, müsse dafür aber einen doppelten Zehntel entrichten und dürfe ihre Waren nur noch vor den Dörfern ausbreiten. Auch weder als Heilerin, noch als Schamanin dürfe sie fortan für die Clans wirken. Sie dürfe jedoch überleben. Die üblichen Gepflogenheiten seien ihr ja bekannt. Dies sei nun der Grund für den Beschluss an dem alle Stämme des Vorgebirges gebunden seien. Sie habe eine stygische Hexe aufgenommen und sich der Ausrottung verweigert. Diese stygische Hexe gelte nun als Fang. Nur ihre, Xoxos Behausung, und ein Kreis von hundert Meter sei davon verschont. Jeder dürfe sie auf der Stelle töten oder mit ihr anstellen, was ihm beliebe, auch wenn sie am Ende dabei zu Tode käme. Erkläre sie, Xoxo, sich jedoch auf der Stelle bereit, diese auszuliefern, würde der Beschluss zurückgenommen, andernfalls sei dieser Beschluss für immer gültig. So sei es Brauch. In die Entscheidung seien ihre Erfolge als tapfere Kriegerin, Jägerin und Heilerin eingeflossen. Es sei ihr deshalb verboten an der Schlacht teilzunehmen zum Schutze der Clans vor stygischer Zauberei, die schon häufig die Sinne der Menschen verwirrt habe und stets zum Niedergang führe. Es täte ihm persönlich leid, aber einige Ratsmitglieder hätten empört gar ihren Kopf gefordert. Sie habe nun das Wort. Es folgte Stille und Xoxo war leichenblass. Sie konnte ihre ausgekühlten Gefühle nicht beschreiben. Ihre Speiseröhre zog sich zusammen, war trocken. Das war ein gemeiner Schlag, schoss es ihr durch den Kopf. Dann spürte sie Eiseskälte in ihren Gedanken. Und die ganze Zeit blickte sie Cantam in seiner stolzen Erscheinung in edler Ratsrüstung regungs- und ausdruckslos an. "Nun? Ihr seht, es warten alle gespannt. Schon diese Abordnung wird nicht jedem zuteil. Ihr dürft nicht zu lange überlegen, sonst ist das Angebot verwirkt."  "Angebot?" sprach sie düster in rauchig trockener Stimme zum Boden gerichtet, als könnte sie dort ablesen, was sie sagte. "Nun, ihr wisst, wie es gemeint ist." Xoxo räusperte sich. Ihr Hals war völlig trocken. "Dann höret, Cantam, viele Worte werde ich nicht verlieren, ich weiss, auf eure unverfälschte und redliche Übermittlung kann ich vertauen." Sie blickte ihn nun zwar ernst, aber freundlich geradewegs in die Augen und gewann ihre Farbe zurück. "Jawohl, so sei es wie es immer meine Haltung war." Er lächelte, nahm aufgrund ihrer entspannteren Art und Weise an, er habe es mit ihrer Einwilligung zu tun. "Nein." Sein Gesicht versteinerte. " Sie ist ein Geschenk des uns fremden Gottes Indera an Crom. Und als solches geniesse sie ihre unumschränkte Gastfreundschaft. Und dieses Geschenk sei heilig, weil es eines der Götter sei, entrissen der skythischen Invasion und Barbarei. Die Grosse Mutter habe sie in ihrem Herzen aufgenommen, aufgenommen in ihrem Schmerz. Niemand werde sie töten oder schlimmeres antun ohne selbst an grossem Leid zu sterben. Wer sie verfluche, vernichte sein eigenes Leben, sein eigenes Volk." Nach einer kurzen Pause, Cantam war mittlerweile kreidebleich und starr im Sattel während Xoxo ihre pure Lebenskraft in sich pulsieren fühlte. "Ich akzeptiere die Bedingungen." "So sei es, so wird es wahr. Aber ihr wisst, dass Crom sich aus Geschenken anderer Götter gar nichts macht." Er wollte den Kopf des Pferdes bereits antippen. "Halt, und bittet Beolg um ein letztes Wort" "Es wird geschehen." Dann machte er sichtlich erschüttert kehrt. Sie sah, als er die Reihe wieder erreichte, nur sein Kopfschütteln und wie sie ihre Köpfe hoben, zu ihr blickten. Teils spürte sie Verachtung. Er wandte sich sogleich Beolg zu und sie ging davon aus, dass er ihre Worte erst später, wenn überhaupt, übermitteln würde, denn diese grenzten an Gotteslästerung mit der Folge von Folter und Tod.  

"Warum habt ihr mich verraten ?" kühl und enttäuscht, kaum auf eine wahre Antwort hoffend, warf sie diese Frage ihrem alten Freund und Kriegsherrn des Stammes entgegen. "Verdammt, Xoxo, wir waren es nicht," bremste er sein Reittier aus. "Wallax nicht, Chimir nicht und auch der junge Xenay nicht. Nur er käme in Frage wegen des alten Streites seiner Mutter mit dir. Nein, er hat es mir geschworen, er wolle mit diesem Weiberstreit nichts mehr zu tun haben, das sei ihm bei unserer Zusammenkunft mit dir klar geworden. Es muß ein Späher gewesen sein." "Dann hat das Schwein auch bei unserem Kampf zugesehen. Wir hätten sterben können. Sie wollten uns töten und sind zur Hölle gefahren." "Ja, ich weiss, denn die Lanze mit den Köpfen ist hier angekommen. Wie hast du das wieder hingegekriegt, wozu nicht einmal zwei Mannen imstande sind ?" Sein Blick war aufrichtig und voll Respekt, aber auch von Traurigkeit verhangen." Ohne Vajria wäre ich schon tot."
 "Was die stygische Schmarotze ?" "Ich hatte bereits die meisten erledigt, doch dann ging mir die Luft aus. Sie hat mich mit Wurfpfeilen gerettet." "Ihr verdankst du dein Leben ? Oh Mann, Xoxo. Was bist du nur runtergekommen." Er baute jetzt klare Distanz auf und sie spürte, dass alles aus war - alles, was sie einstmals verband. "Eigentlich hatte ich dich gewarnt, doch bei deinem Dickschädel ... Mir haben sie auch eine Verwarnung verpasst." "Du wirst das überstehen." "Nach der Schlacht wissen wir mehr. Vielleicht ist es ein Fall für die Hochinstanz, dem Cromrat, dem alle Stämme unterstehen, doch ich denke, dieser kommt zu selten und nur in wichtigen Fragen zusammen, die alle angehen und es ist für den völlig egal, ob eine hilflose Stygierin für eine Hexe gehalten wird oder nicht. Tot kann sie nicht leben, das dürfte ausschlaggebend sein. Und eine Xoxo kennt er nur vom Hörensagen, wenn überhaupt."  Sie schauten sich offen an, bewusst, dass das, was geschehen war, von nun an ihre Wege durchschnitt. Doch sie wollten nicht im Streit oder Hass auseinandergehen. "Es tut mir leid, aber ich konnte nicht mehr für dich tun. Solange ich im Dorf etwas zu sagen habe, erhältst du faire Preise für deine Waren. An allen anderen Dingen kann ich nicht mehr rütteln. Ich muß gehen." "Jagen sie sie schon ?", kam es nur noch gekränkt aus ihr heraus. "Wenn ja, dürfte ich es dir nicht sagen. Aber der Beschluss wird erst nach der Schlacht öffentlich verkündet. Sie geben dir also Zeit mit ihr zu entkommen. Sehr viel Zeit. Nutze sie verdammt, die Schlacht wird von anderen geschlagen, zu denen du nicht mehr gehörst. Alle Vorgebirgsstämme sind hier versammelt, sicher 15000 Krieger mit ihren Führern. Vielleicht findest du ja Gnade in der Hochstimmung des Siegestaumels. Du weisst, Siegesfeste können vieles ändern, dann kannst du zurück." Dann fügte er trocken und sehr leise an:"Reise zu deiner Tochter." Sie nickte kleinlaut. Er war sich des Sieges sicher, der Massentaumel hatte ihn angesteckt. "Solange wird es heissen, du wärest nicht angekommen." Ein Kopfgeld sei aber nicht ausgesetzt, doch drauf wolle er nicht wetten, wenn die Schlacht geschlagen sei, was nütze es dann noch, Stygier töte man eben einfach auch aus Freude an der Treibjagd - mit Wölfen, sie zu zerfleischen. Aber eben erst nach der Schlacht gegen die Skythen, wenn klar sei, dass die Skyther mit den Stygiern paktierten." "Woher wollt ihr das denn nehmen ? Etwa von den Toten ? Und weshalb seid ihr des Sieges jetzt so sicher, wo vorher Angst bei allen herrschte? Denn wie kann es sein, dass Skyther jetzt schon hier sind, wo sonst keiner vor ihnen war, selbst Vanir und Gurnahki nicht?" 

Dann riefen sie ihn und er riss hektisch sein Pferd herum und ohne Antwort oder Abschiedsgruß ritt er zur wartenden Reihe zurück, die kurz darauf im Wald verschwand. 

Zutiefst enttäuscht blieb Xoxo zurück, stand auf der Stelle. Sie vermochte nicht zu beschreiben, was sie empfand. Tränen flossen. Dann schrie sie den Schmerz ihrer verletzten Seele heraus. Warum nur hatten sie ihr das alles getan ? Sie war jetzt für immer ganz allein. Und der sichere Tod war auch ihr gewiss. Denn das waren alles schöne Worte für ein grausames und unbarmherziges Ende. Kein Ausgestossener hatte je länger als nur ein Jahr überlebt, es sei denn er hatte das Land, seine Heimat ganz und gar und sehr schnell verlassen. Manche
 zogen sich als Eremiten in weit entlegene Gebiete zurück und mieden den Kontakt. Doch auch in der Fremde wartete auf Cimmerer kaum Herzlichkeit. Nur abgeschiedene Bergbauern, die von alledem nichts wussten, würden sie als Menschen betrachten. So wie es ihr damals in Stygien geschah. Warum nur ? War diese Vajria das alles überhaupt wert ? Sie würde den Verstand verlieren, sollte sie sich täuschen oder von Vajria getäuscht worden sein und sich in den Tod stürzen müssen. Sie heulte, ihr ganzer Oberkörper fiel vornüber hinein in die dichte Mähne des Pferdes, das ihr nun Halt gab. Ihre Arme rutschten erschöpft herunter. Ihr Pferd hatte eine stoische Geduld, verhielt sich ruhig und hatte Xoxo schon vom ersten Tag nach kurzem Ritt ins Herz geschlossen, denn Xoxo war nicht wie die normalen herrschsüchtigen Reiter, gab keine Tritte, tippte immer nur leicht und streichelte es. Nach einer Weile hatte Xoxo sich wieder gefangen, richtete sich mühsam auf und ritt langsam im Schritttempo zurück zur Klippe. Währenddessen trank sie vom Wein, den sie für ihre Freunde mitgebracht hatte, um ihre Ankunft zu begiessen. Es war ein ungewöhnlich guter aquilonischer Trank, den sie nun für sich alleine brauchte. Ja, sie hatte ihn verdient. Diese gemeinen Hunde, Freunde gab es nun nicht mehr. Jeden Gedanken an Beolg versuchte sie zu verdrängen. Aber das war das andere verborgene Gesicht von ihm. Es währte lang sein Vertrauen zu gewinnen, aber nur kurz es wieder zu verlieren. Die Bilder ihrer gemeinsamen Kindheit brachen auf. Und sie schrie: "Du mieses dreckiges Schwein !" Ihr Schrei war weit zu hören und ein Schwarm Krähen flog aus den Baumwipfeln auf. Es war ihr egal, sollten es alle hören, ob Freund oder Feind. Doch Freunde gab es hier keine mehr. Dann übergab sie sich und rotzte alles aus sich heraus. Die zähe Brühe triefte an ihrem Bein hinunter. Es war ihr so hundeschlecht. Sie wischte mit dem Ellenbogen ihren Mund kreuz und quer und verschmierte die Reste des Erbrochenen in ihrem Gesicht. Dann kam sie wieder zur Besinnung. Und was sie nun spürte, gab ihr entsetzliche Kraft. Es war der reine Hass auf alles. Sie blickte um sich - voller Drang zu töten.


Auf der Klippe wollte sie rasten und nächtigen. Das riesige Heerlager hatte sie von dort gut im Blick. Zwar konnte sie die Masse unter den dichten Baumkronen des Waldes nicht sehen, aber dafür umso mehr den befestigten Ting auf der Lichtung. Erst am nächsten Morgen wollte sie entscheiden, wie es weitergehen sollte. Und würde sie jetzt aufbrechen, wäre es zu spät. Vajria würde den Häschern diesmal nicht entkommen. Womöglich war Vajria sowieso schon tot. Und was würde das überhaupt noch ändern ?

Fest stand, sie mußte sich rasch entscheiden, wenn sie selbst überleben wollte.


Mittwoch, 29. Mai 2013

Xoxo. Die Cimmererin V - Untergebracht


Kaum hatte Xoxo mit dem Plündern der Leichen begonnen, brach Vajria zusammen. "Es ist einfach zuviel, so schwer, alles ... mir ist schwindelig", seufzte Vajria erschöpft. Ihr Gesichtsausdruck war dabei seltsam entspannt, sie schien zu lächeln, "bitte, lass mich hier nicht allein, ..." Vajrias Kopf fiel zur Seite und ihr ganzer Körper sackte weg als Xoxo sich über sie beugte. "Nein, mach ich nicht und du stirbst nicht, vor allem jetzt nicht, wo alles vorbei ist." Xoxo stand auf, als sie sich sicher war, dass Vajria zwar zusammengesunken, aber keine Gefahr um ihr Leben bestand. Vajria war einfach am Ende ihrer Kräfte. Es blieb ein Rätsel, wie sie so schwach und abgemagert bis hierher gekommen war und dann dazu noch in der Lage war, ihre Wurfpfeile so zielsicher und in dieser Wendigkeit zu schleudern. Xoxo wusste darum, wie es war, schwerverwundet und völlig ausgelaugt zu sein. Es konnte plötzlich über ein kommen, dann war man weg. Sie war sich jedoch sicher, die kleine geheimnisvolle Stygierin würde sich schon bald erholen und zu Kräften kommen, dann würde sie sich bald einen Namen machen, sodass man sie entweder töten oder verehren würde. Ja, ganz ohne Scherereien würde es nicht ablaufen. Eine Stygierin in Cimmerien, das war nur was für Verrückte. Trotzdem, es gebührte ihr Respekt, vor allem, da sie ohne jegliche Arroganz und typischer Hochnäsigkeit stygischer Herrschaften aufgetreten war. Dies hatte Xoxo am meisten verwundert. Nun, bis zu diesem Wahnsinn, dachte sie, bis dahin ist noch Zeit und viel Blut würde die Berge hinabrauschen, eine Schlacht würde den Krieg gegen die Invasoren nicht entscheiden. Es würden noch viele folgen. 


Sie begann nun mit der Plünderung fortzufahren, sammelte die fremden Schmuckketten ein, nahm einige Rüstungsteile, die aus seltenen unbekannten Material geschmiedet waren und packte alle Waffen zusammen, warf alles auf einen Haufen. Die Leichen liess sie liegen, doch ihre Köpfe spiesste sie auf einer ihrer Lanzen auf und stob den Stiel in den Boden. Dann lief sie schnell zu den Hängen, brach einige Äste heraus und band diese mit den Wildgräsern rasch zu einer einfachen Tragbarre zusammen. Sie trat nochmal mit vollem Körpergewicht auf die Verspannung. Es hielt und war fest. Flink hatte sie alles draufgeschichtet und Vajria daneben angeschnürt. Dann spannte sie sich davor, die Gürtel der Feinde benutzte sie als Riemen, wovon sie einen um ihre Stirn legte und dann loszog. Das alles war viel leichter, als was sie gewöhnlich an Wild an einem Jagdtag erlegte. Ein Säbelzahntiger oder ein ausgewachsener Büffel wogen zigmal soviel, eigentlich zu schwer für einen kräftigen Jäger. Bergauf machte es sie hin und wieder doch zu schaffen und sie war am spucken und fluchen. Vajria schlief fest, manchmal stöhnte sie, öffnete die Augen für kurze Zeit, sagte aber nichts, starrte in den Himmel. Xoxo gab ihr dann schnell was zu trinken bevor sie wieder wegsackte. Vermutlich hatte sie tagelang auf ihrer Flucht nicht mehr geschlafen. So zog Xoxo Vajria und die Kampfesbeute den ganzen Rückweg bis zu ihrer Behausung. Sie brauchte mehr als die doppelte Zeit, die sie sonst für diese Weg benötigte und als sie dort eintraf, brach bereits die Abenddämmerung herein.


Es sollte ein herrlicher cimmerischer Sonnenuntergang werden, der die ganze Umgebung in ein sattes orangefarbendes Licht tränkte. Sie liebte das, stellte sich völlig nackt mit gestreckten Beinen und ausgebreiteten Armen dem Sonnenlicht zugewendet auf und liess ihren Kopf leicht und wonnig in den Nacken fallen. So umarmte sie die Sonne und sie war glücklich, den Kampf überstanden und Vajria gerettet zu haben. Sie war mit sich im reinen und die Götter, da es soviele gab, waren ihr sicher. Nur Crom blickte argwöhnisch drein, als nähme er es ihr übel, die Stygierin nicht geopfert zu haben. "Das Blut meiner Feinde floss wegen ihr. Darüber solltest du dich freuen. Es sind auch deine Feinde. Die Feinde Cimmeriens und der Welt. Aber da du ihr Blut verachtest, ist es ist nicht dein Blut. Ich weihe es dem Blutrot der Sonne, der ewigen Mutter der Natur. Crom, du gemeiner Narr, geh hin zu deinen Mannen. Tränke mit ihrem Blut dein Schwert und lasse deinen Zorn bejubeln. Aber Vajria ist mein, ich hasse die Stygier nicht, denn Stygien war gut zu mir, verdanke ihnen mein Leben. Lass uns gemeinsam die Setisten und ihre sklavische Brut hassen. Sie sind die Feinde unserer Welt. Aber Vajria wird unser Land lieben, mehr wie dich und doch so sehr wie du. Sie wird ein Teil davon und Kunde davon in ihre Heimat bringen. Ein Kleinod über das selbst du bald wachen wirst, auch wenn du sie jetzt verfluchst wie alles Fremde und Unbekannte, ja, du wirst sie sogar lieben, als wäre es dein eigenes Kind. Und es wird deinen Zorn heraufbeschwören, wenn ihr jemand etwas tut ..." Sie hörte ihn wütend aufstampfen und böse fluchen. "Ja, ich höre dich. Polter nur du Rauhbein, ich kann nur darüber lachen. Du brutales Mannsbild eines Gottes, ihr seid doch alle gleich. Fast war es ihr, als hörte sie einen Knall vom lauten Zuschlagen der Tore des Hauses Crom. Doch sie ignorierte Croms schlechte Stimmung, war überzeugt, sich nicht in Vajria zu irren, wog sich rhytmisch in den Sonnenstrahlen, tanzte leicht und spürte ihre schamanische Kraft bis auch sie die Müdigkeit überkam. Sie entzündete noch schnell die alte Glut des Feuers, auch eine Fackel stellte sie auf. Dann legte sie Vajria auf ein aus federnden Zweigen und weichen trockenen gestauchten Gras bereitetes Lager, dass sie immer für Gäste hergerichtet bereit hielt. Xoxo cremte noch ihre Wunden. Die tiefe Schulterwunde brannte, als sie die ölige Medizin darauf träufelte, zog die Haut wie eine Beize zusammen. Doch sie war sich sicher, es war ein heilender und gesunder Schmerz. Die Wunde konnte ihr nichts anhaben. Weder war sie wirklich tief genug, noch war sie entzündet. Böse Wunden schmerzten anders oder manchmal gar nicht, brüteten im Innern ihre Fäulnis aus. Vajria schlief schon sehr fest und auch Xoxo wurde jetzt von der Müdigkeit überwältigt. Sie schaffte es noch, zwei ihrer Lieblingsfelle vor das Feuer auszulegen, nahm noch einen guten Schluck vom Beerenmeet, dann schlief auch sie am Feuer vor ihrer Höhle ein.


Das plätschernde Wasser in der steinernden Abflussrinne drang laut an Xoxos Ohren und weckte sie auf.  Vajria hatte die Dusche ausfindig gemacht und nutzte sie sogleich. Manche ihrer Stammesbrüder und -schwestern taten sich da schwerer, waren völlig unbeholfen diese Vorrichtung in Betrieb zu nehmen, da ihnen der Gebrauch unbekannt war, kam Xoxo in den Sinn. Ihr Zuhause mußte Vajria dennoch so primitiv vorkommen, die es sicher gewöhnt war, in Palästen und Tempeln mit unvorstellbarem Luxus zu leben. Wie es wohl Cyantia gerade bei den Mitranern erging ? Bald würde sie sie erneut besuchen. Xoxo räkelte sich und musterte ihre Wunden, die sie bereits gestern mit einer Kräuterpaste versorgt hatte. Sie waren nicht tief genug. Ihre Schulter lahmte nun doch, zog sich steif zusammen wie bei einer schweren Verrenkung, was sich aber nach einigen Streckungen wieder gab. Sie setzte sich auf in die Hocke, schaute den Hang hinab in die Weite. Lauschte dazu dem allmorgenlichen Konzert der Vögel tief unten in den Waldesrändern und auf den Hängen des Berges und beobachtete ein Reh in der Ferne. Sie schüttelte den Kopf, rieb sich die Augen, schaute neben sich auf das Rinnsal des Duschwassers.      


"Na, was sagst du dazu ? Einen Tempel habe ich dir nicht versprochen" rief Xoxo nach hinten, sitzend mit dem Rücken der Höhle zugekehrt, als das Geräusch des Wassers aufhörte. "Ich weiss", kam es prompt zurück, "doch so eine erbärmliche Höhle ist es nicht. Und deine Duschvorrichtung, damit habe ich gar nicht gerechnet, wie bei uns in Stygien, ich habe mich so gefreut, als ich sie sah. Ich mußte sie sofort in Betrieb nehmen. Ich habe seit Monaten nicht so geduscht und mir war dabei, als würde ich soviel Dreck abspülen, wie mein ganzes Leben nicht - soviel Schmerz und Schlechtigkeit." "Kommst du denn dabei mit einem Eimer aus ?" "Ha,ha, ja verdammt, ich bin doch keine miese Schlampe, das Wasser tut so gut und es duftet so herrlich vom fruchtigen Öl." "Ja, da habe ich die Idee auch her und habe sie hier aufgebaut. sowas findest du sonst nicht in Cimmerien." "Was dann?" "Frag lieber nicht, ich bin keine primitve Barbarin," Xoxo lachte. Vajria trat nun splitternackt und knochig vom öligen Wasser triefend hervor, verbreitete einen lieblichen Duft. Xoxo drehte sich zu ihr um und Vajria blieb etwas entfernt vor ihr stehen. Sie war so klein und spindeldürr. Ihr ganzer Körper war mit vielen nun rot glänzenden Narben übersäht, doch im Grunde schien ihr nichts wirklich zu fehlen, ganz abgesehen von ihrer geschwächten und ausgemergelten Gestalt. Sie war nicht verstümmelt oder entstellt. Nein, das war sie nicht, vielmehr schimmerte eine wundersame Aura der Würde und Eleganz noch immer aus ihr heraus, aber das lag wohl an ihrer schwingenden Art sich zu bewegen. Ihre Augen verschwanden funkelnd in dunklen schwarzen Gruben. "Hoi, du hast ja noch Öl dazugetan." Vajria lächelte, "mir geht es jetzt schon sehr viel besser und ich weiss gar nicht, wie ich dir danken soll, aber ich konnte plötzlich überhaupt nicht mehr" "Ach egal, ich kenn das, komm, ich habe kein Tuch zum reiben, ich setze mich immer in die Sonne oder ans Feuer, selbst im Winter. Du hast dich offenbar schon gut umgesehen. Komm, geniesse die Morgensonne, das Morgenlicht."


"Damit habe ich nicht gerechnet, ich dachte, oh bei allen Göttern, eine dunkle elende eklige Höhle, es erschauderte in mir, feucht, schmutzig und steinig, aber dann dachte ich, es ist besser, als das Dreckloch, wo ich vorher war. Doch wie soll ich sagen, das ist ja gar keine finstere Höhle. Es ist ein wunderschönes verträumtes Refugium. Was du alles angesammelt hast, ich werde mir vieles noch einmal anschauen. Es kommt, wie mir scheint von überall her. Wahre Schätze, ist dir das klar ? Bist du soweit schon überall gereist ?" "Ach nein, ich habe es von Händlern. Ich kann alles tauschen, wenn ich will, ich habe seltene Felle, Schwänze, Schädel, Klauen, Hörnungen soviel ich will. Dafür kriege ich alles. Ich war erst viermal in Aquilonien und einmal in Stygien. Das ist schon viel." Vajria kam näher, setzte sich im völlig flachen Schneidersitz dazu, dann liess sie ihre Handrücken der geöffneten Hand auf ihren Schenkeln ruhen. Xoxo freute sich mächtig, denn endlich war sie auf eine Person gestossen, die offenbar den wahren Wert ihrer Höhle, der ganzen Utensilien, die Artefakte ohne sonderliche Mühe zu begreifen verstand. Doch zuerst erklärte Xoxo ihr den Ablauf der nächsten Tage bis zu dem Tag, wo sie aufbrechen wollte zur nahenden Schlacht. Aber sie erklärte ihr auch, was ihr die Sonne bedeutete, die Natur und ihre cimmerische Götterwelt, die aus unendlich vielmehr bestand als aus Zorn, Hass und Gewalt. Ihre Heimat von der sie lebte und von der sie nie mehr nahm als sie brauchte. Vajria wurde klar, dass Xoxo nicht nur eine geschickte Wildtöterin und Kriegerin war, sondern auch eine Heilerin und reifende Schamanin. Diese göttliche Fügung der Begegnung hatte ihr das Leben gerettet. Jeder andere cimmerische Barbar hätte sie wohl getötet, töten müssen, um seine Ehre zu bewahren.


Ihre gemeinsamen Tage vergingen wie im Fluge. Xoxo stellte schon am ersten Tag für Vajria aus den Lederresten, die in vielen Kisten einsortiert waren, ein paar gewickelte Bundstiefel her. Sie verstand sich im Zuschneiden, Knoten und Knüpfen, wovon Vajria rein gar nichts verstand. Auch knotete sie ihr ein feines weiches Brustoberteil und einen Lendenschurz aus flauschigen Schwänzen erbeuteter Nager und Füchse. "Naja, du mußt noch etwas reinwachsen, aber du wirst ja noch zulegen, nehm ich an. Eine Mütze gibt es erst zum Winter." Vajria sah darin ulkig aus wie ein Zwerg. Auch untersuchte Xoxo alle ihre Wundmale, auch die teils eitrigen Stellen, quetschte sie aus, behandelte sie mit ihren verschiedenen Heil- und Kräuterpasten. Auch Vajria kannte sich in Heilkünsten aus und so konnten sie sich austauschen, doch viele Heilkräuter, die es in ihrer Heimat gab, gab es hier nicht. Deshalb schlüpfte Vajria als Gast zunächst einmal in die Rolle der Schülerin. Denn sie war wissbegierig und in Bezug auf stumpfsinnige cimmerische Barbaren hatte sie zumindest in Xoxo sehr schnell ihr Bild gewandelt. Sie fühlte sich so zu ihr hingezogen. Es war alles so anders, ganz und gar nicht so wie es heimische Hetze der stygischen Priester über Begegnungen mit barbarischen Cimmerern geschildert hatten: "Alles verdammte Wilde. Tötet sie. Häutet sie. Dann richten sie keinen Schaden an." 


Und diese Barbaren konnten tatsächlich sehr feinfühlige und intelligente Menschen sein, zumindest dem Anschein nach ?

Am nächsten Tag zeigte Xoxo Vajria die nähere Umgebung, wo sie frische Beeren, Pilze und Wurzeln finden würde und zu welcher Zeit sie diese Zonen aufsuchen sollte, um unliebsamen Kontakt mit Raubtieren zu vermeiden. Sie mußten immer wegen des geschwächten Zustandes von Vajria viel Rast einlegen. Und abends führte sie sie durch die Höhle, zeigte ihr überaus stolz alles und sie stellte fest, dass Vajria ihr über manche Dinge sehr viel mehr Aufschluss geben konnte. Vajria kannte sich aus in der Welt der Mythen, der Legenden, der Götter, der Toten und der Schattenreiche und dies offensichtlich über viele Regionen hinweg. Sie wusste sehr viel mehr. Die Edelsteine konnte sie alle benennen und woher sie stammten. Xoxo holte sogar noch verkramte Dinge aus alten Kisten hervor und Vajria mußte teils fassungslos mit dem Kopf schütteln, da sie den Wert sehr schnell erkannte, vor allem den immateriellen. Das einte beide, denn der materielle Wert bedeutete beiden sehr wenig, es war gut ihn zu wissen, um zu tauschen, aber wahre Bedeutung hatte er für sie nicht. Vajria entdeckte darunter schliesslich ein breites ovales und schweres Lehmbündel mit einem halben Meter Durchmesser und geriet darüber völlig in Euphorie. Sie stürzte sich sofort darauf, um die Lehmschicht mit Wasser einzuweichen. Dann nach einiger Zeit legte sie die rundliche Platte frei, die in einem Sack mit Seilen fest und dicht umwickelt war, wohl um Stösse abzuwenden . "Du weisst nicht, was das ist ? Glaube mir, das ist eine wahre Kostbarkeit ! Das gibt es nur in den Tempeln und Palästen. Ich selbst hatte auch nur einen, der aber kleiner war." Sie legte es hastig immer weiter frei, schliesslich blieb noch rauhes Tuch und darunter feines Fell. "So, jetzt pass auf. Es ist ein wahres Wunder." Beide lösten zusammen vorsichtig das Fell, zogen die schwarze Platte heraus. Es war eine rundliche Obsidianscheibe, völlig fein geschliffen und poliert. Beide konnten sich schon darin erkennen. "Es ist ein wunderbarer Spiegel. Viel feiner als meiner. Sie haben ihn über viele Tage auf Hochglanz geschliffen. Los komm noch mehr ans Licht." Beide konnten sich nun ganz klar sehen. "Ein seltenes Kunstwerk von höchster Reinheit. Sicher stammte es aus einem Tempel oder Palast bzw. es war dafür bestimmt und gut verpackt auf dem Weg dorthin. Ein Raubstück bestimmt. Und keiner dieser Räuber erkannte dessen Wert." Xoxo nickte lächelnd, "vermutlich Barbaren". Xoxo betastete sich andauernd vor dem Spiegel. Vajria und Xoxo beugten sich immer wieder abwechselnd vor und grinsten sich an. "Du kennst dich wirklich aus. In Aquilonien habe ich soewas mal gesehen. danach nie mehr." "Ha, ha, das ist noch nicht alles. Wir legen ihn jetzt flach hin. Siehst du den feinen Rand ? Komm, gib mir etwas Öl." Vajria beträufelte die Platte verrieb es bis kein Film mehr zu sehen war, hielt die Platte gegen das Licht, legte sie wieder ab auf einen Schemel. "Siehst du den feinen Rand. Lass uns das reine Felswasser nehmen. Sie träufelte es auf die Platte und es begann zu perlen und zu glitzern bis die Platte sich mit einem feinen Wasserfilm überzogen hatte. Das Staunen war nun noch grösser, es war ein perfekter Spiegel. Alles war klar und deutlich zu sehen, was der Spiegel aus der Umgebung einfangen konnte. Es war atemberaubend und für Xoxo das erste Mal überhaupt diesen Spiegelglanz für sich zu entdecken.


Zum Abend lud Vajria, der es merklich besser ging, am dritten oder vierten Tage Xoxo zu wohltuenden Ganzkörpermassagen ein, sie wolle damit etwas zurückgeben, um ihre Dankbarkeit zu erweisen für die Gnade und Gastfreundschaft, die sie erfahren hatte. Es waren Massagen, die so in Cimmerien eher nicht gebräuchlich, vielmehr gänzlich unbekannt waren. Xoxo hielt das ganze anfängliche Gehabe mit den Betröpfelungen von Öl und feinsten Blütenstaub zunächst für etwas überzogen und lächerlich, doch dann merkte auch sie, wie sehr es sie öffnete und entspannte. Vajria spürte jeden Winkel ihrer Muskeln, Bänder und Sehnen auf, teils fühlte sie mit den Fingerspitzen wie auf einem Seidenfaden entlang, dann wiederum knetete sie mit den vollen Händen. Manchmal klopfte und trommelte sie ihren Rücken durch, dann gleitete sie wieder sanft und grossflächig über ihre Haut. Auch hockte sie federleicht auf Xoxos Rücken und Bauch, walkte ihre grossen fülligen Brüste, auch besonders dort wo ihre grosse Narbe war und Xoxo erzählte ihr dabei von ihren Kämpfen mit den Säbelzahntigern, der Jagd in der Wildnis, aber auch von den Problemen in ihrem Dorf, der neidischen Streitsucht einiger Bewohner. Beide lachten dabei viel. Vajria löste schnell ihre versteckten Verkrampfungen, war sehr einfühlsam und zärtlich, hatte ein tiefsinniges Gespür dafür. Beide kamen sich noch näher. Und eines Abends tanzte Xoxo für sie ihren beschwörerischen Tanz vor dem Feuer. Ja, sie war eine wahre Geschichtenerzählerin und Vajria empfand tiefsten Respekt, bewunderte Xoxo sehr, ihre Einfachheit, ihre Wildheit, ihre Freiheit, aber auch ihre Stärke und ihren Mut. Doch sie wollte noch warten bis sie Xoxo ihre wahre Geschichte anvertrauen wollte, noch immer hatte sie Angst, ob sie damit nicht alles zerstören würde. Diese finsteren Gedanken verdrängte sie, doch sie spürte, es war bald an der Zeit es zu tun, doch sie wagte es nicht, es noch vor der Abreise zu tun, nahm sich vor, es bei der Rückkehr Xoxos von der Schlacht zu tun. 


Vor allem auch ihre Behausung gefiel ihr, zwar sehr einfach, aber sehr schön und liebevoll beschmückt und behangen, sodass es für sie wie eine Entdeckungsreise war: wunderbare weiche Felle, zauberhafte Amulette und verzierte Talismänner, steinernde und hölzernde Masken, prachtvoller Federschmuck, edle Ketten aus Knochen und Edelsteinen, bemalte Schalen und Krüge, feinste seidene Vorhänge und Tücher ... und sogar einen wertvollen schwarzen Obsidianspiegel. Niemals hätte sie dies für möglich gehalten. - 
So hatte sie sich weder eine cimmerische Begegnung, noch eine barbarische Höhle vorgestellt. Alles war wie ein Traum, war wie ein Wunder.

Mittwoch, 16. Januar 2013

Xoxo. Die Cimmererin IV - Überfall


Dann ergriff alle die Hektik des erneuten Aufbruchs. "Was ich gesagt habe, gilt, bring sie niemals in unser Dorf, niemals," sagte Beolg und fügte hinzu: "Wir sehen uns dann auf dem Schlachtfeld. Ein Pferd steht nahe der Böschung, du weisst schon wo. Die neue schwere Rüstung erhältst du dann wohl erst im Heerlager. Viel Glück." 

Sie machten sich nun auf und liessen Xoxo mit der Stygierin zurück. Sie taten so, als wäre es ein normaler Vorgang, aber allen war klar, sollten die Verfolger der Entflohenen wieder auftauchen, so stünde Xoxo allein. Auch, wenn sie sehr stark war, sie würde es wohl nicht überleben, nach allem, was man über die fremden Eindringlinge gehört hatte. Schon bald waren sie ausser Sicht und verschwanden hinter einer Biegung in einer steilen Schlucht bergabwärts.

"Bis zur Höhle mußt du es so schaffen, es sind noch zwei Stunden und es geht bergauf. Dort versorge ich dich dann und behandle deine Wunden." Xoxo reichte der Stygierin eine lederne Binde. "Hier, wickel das um deine Füsse bevor sie völlig hin sind. Wir müssen es einfach schaffen." Dann reichte sie ihr einen anderen  Trinkbeutel "Trink, du mußt viel trinken. Dies ist flüssiges Brot."

"Nun, sag schon, wieviele ? Wieviele sind hinter dir her ?" Auch sie machten sich nun auf den Weg. Xoxo hatte nur ein dickes Bündel, alles andere hatten die anderen auf den Maultieren mitgenommen. Und ihre Waffen hatte sie geschultert. Während der ersten Schritte brach die Stygierin endlich ihr Schweigen. Sie begann nun wie ein Wasserfall zu reden und dies im einfachen entfernt ländlichen cimmerischen Dialekt aus den aquilonischen Grenzregionen, der Xoxo wegen ihrer Reisen nach Aquilonien noch gut geläufig war. Xoxo unterbrach sie manchmal, bat sie langsam zu reden, denn sie überschlug sich manchmal, wobei sie einige Worte und Begriffe durcheinanderwirbelte und mit stygischen vermischte. Sie war es offenbar gewohnt schnell zu reden, war sehr redegewandt. Der Stygierin gelang es schliesslich das Erlebte ihrer Flucht und die Lage sehr genau zu schildern. Es  gelang ihr im Verlauf immer besser bis nahezu flüssig in cimmerisch zu sprechen. Der Stygierin war offensichtlich klar, wie sehr sie jetzt voneinander abhingen und zueinander finden mußten. Sie mußte sich öffnen, auch wenn sie nicht so recht wusste, was mit ihr geschehen würde. Aber sie hatte keine Fesseln angelegt bekommen, was für sie wie ein Wunder war. Die schrecklichen barbarischen Cimmerer liessen sie am Leben, wo sie doch immer gedacht hatte, sie würden viel schlimmer sein, als alles, was sie vorher erleiden mußte. Sie schilderte die Situation. Sie seien nun beide in allergrösster Gefahr. Die Skyther würden sie verfolgen. Sie könne ihr noch nicht erklären warum und wer sie waren, weil sie es nicht glauben würde. Es würde auch alles zu lange dauern. Es reiche, wenn sie wisse, dass sie eine Tempeldienerin sei. Sie habe ihr ganzes Leben nur in Tempeln, Gärten und Städten verbracht. Die Wildnis sei ihr völlig unbekannt. Sie sollte deshalb auch erst als Letzte geopfert werden, es seien nur sehr wenige ihrer Gefolgschaft noch am Leben, wenn überhaupt. Man habe sie jeden Abend auf einen Platz öffentlich geschändet, um zu beweisen, dass es ihren Gott nicht geben würde. Und häufig hatten sie zum Höhepunkt eine Person aus ihrem Gefolge direkt vor ihren Augen bestialisch getötet. Sie sollte abschwören, doch sie tat es nicht. Durch einen Zufall habe sie sich befreien können, doch in dieser Wildnis würde sie nicht lange überleben. Freie Natur kenne sie nur von hören und sagen. Sie könne lesen, schreiben, rechnen, malen, tanzen, dichten und viele andere Dinge, die ihr hier gar nichts nützten und bestimmt auch unbekannt seien. Wenn sie sich nicht beeilen würden, wären sie schon bald gefangen. Xoxo fragte wieder, wieviele es seien, alles andere könne sie doch später erzählen. Sie antwortete, sie habe fünf gesehen. Einer davon, sei ein Anführer aus der Adelsschicht. Und auch ein Schamane sei dabei. Ihre Schamanen seien aber auch Krieger. Die anderen seien einfache Jäger oder Späher aus der Kriegerkaste. Sie habe sie an einem Hang beobachtet, gestern als sie ihr so nah waren, dass sie sie leicht hätten fangen können, aber sie sammelten sich und machten Rast. Das war ihre Rettung. Sonst wäre alles vorbei gewesen, weil sie nicht mehr wusste, wie sie weitergehen sollte. Und genau so mußte es denen auch gegangen sein. Eine tiefe und unübersichtliche felsige Senke mit einem Bachlauf hatte ihnen die Verfolgung erschwert. So konnte sie sehr viel Zeit zurückgewinnen. Sie würden aber nicht aufgeben, denn ohne sie oder ihre Leiche bräuchten sie sicher nicht mehr in ihr Lager zurückkehren. Sie hätten bestimmt schon wieder aufgeholt, da sie ja sogar Blutspuren hinterliess. Nur in dem Wasser hatte sie ihre Spuren für kurze Zeit verwischen können. Aber sie hatte immer mehr an Kraft verloren und deshalb hielt sie in den Gräser aus. Sie war völlig erschöpft. Ihre Verfolger wären bestimmt schon in der Nähe und würden sie bestimmt schon beobachten.

Das Erlebte hatte sie am Ende in nahezu perfekten cimmerisch, wenn auch eines hier eher unüblichen, aber für Xoxo sehr gut verständlichen und bekannten Dialektes geschildert, was Xoxo nun veranlasste, sie zu fragen, wie sie als Stygierin dazu gekommen sei. Sie erklärte, sie beherrsche sehr viele Sprachen, es sei nun einmal ein Teil ihrer Ausbildung gewesen, auch habe es sie interessiert und sie sei überaus sprachgewandt. Sie spreche hochstygisch, also das der herrschenden Kaste, auch das seteigene stygisch der Priester als eine besondere Elite und drei stygische Dialekte, die teils verwandt, aber auch grundverschieden seien, kushitisch, aquilonisch, shemitisch, darfari, vendhynisch, turanisch und eben dieses cimmerisch für den Notfall, wie ihre Lehrer stets kopfschüttelnd betonten, womit sie meinten, dass es bei diesen Barbaren sowieso sinnlos sei, was man sagte, denn der nicht weniger barbarische Tod sei einem in Gefangenschaft gewiss. Und dieser Umstand sei ja nun tatsächlich eingetreten, obwohl niemand ihrer Mitschüler und Lehrer es jemals für möglich gehalten hätte, dass sie die cimmerische Begegnung überleben würde. Und glauben würde ihr diese Geschichte auch niemand. Xoxo entdeckte in ihr ein unterschwelliges und flüchtiges Lächeln, das über ihre stets ernste und von Angst erfüllte Miene huschte. Sie dachte an ihre Tochter Cyantia, die nun in Aquilonien vermutlich einen vergleichbaren Weg der Lehre im Mitrakloster durchschritt. Vielleicht war auch dies ein Grund, weshalb sie von der Stygierin so beeindruckt war. Sie erinnerte sie so sehr an ihre Tochter, obwohl die Stygierin wohl älter war und ihre Ausbildung offenbar erfolgreich abgeschlossen hatte, denn so selbstbewusst, wie sie nun auftrat, hatte sie noch keine Gefangene erlebt. Xoxo war sich sicher, Vajria gehörte einer herrschenden Kaste der Stygier an, wofür sie sie, wie ihre cimmerischen Brüder, eigentlich hassen müßte. Eine einfache Tempeldienerin war sie sicher nicht und sie hatte sicher Angst es zuzugeben, weil sie wohl glaubte, dann sterben zu müssen. Sicher würde sie bald mehr erfahren.  

"Gut, sag mir deinen Namen, den, wenn sie dich rufen und alle in Eile sind, mich nennen alle Xoxo." "Hm, ich weiss nicht, dann heisse ich nur Vajria, als das göttliche Werkzeug dem ich angehöre." "Werkzeug?" "Ja, es heisst, es sei ein Dolch vom Himmel gefallen ..." "Nicht jetzt, welche Waffen haben sie ?" Vajria blieb stehen und sprang zu einer sandigen Stelle, riss einige Grasbüschel heraus, plättete mit den Händen die Erde und dies so geschickt, wie es Xoxo noch nie gesehen hatte, malte sie die Waffen und ihre markanten Klingen, die sich in ihrer Form von allen hier bekannten unterschieden. Dann zeigte sie jeweils darauf, stand auf und machte Bewegungsmuster vor. Xoxo war überrascht. Vajria ahmte die typischen Kampfbewegungen nach, gekonnt und wiederholt und vor allem sehr wendig und gelenkig, als sei sie ein Trainer und das obwohl sie so geschwächt und so abgemagert war. Mal langsam um das Bewegungsmuster zu verdeutlichen, dann schnell, als sei es jetzt passiert. Das war unglaublich und es schien, als würde die Stygierin alle ihre letzten verfügbaren Reserven aufbringen, wohlwissend, dass ihr beider Leben an einem dünnen Faden hing, auch wenn es in ihrer Dürrheit sehr bizarr wirkte. Xoxo mußte sich darauf einstellen, denn zu jeder neuartigen Waffe gehörte ein typischer Bewegungsablauf und sei es nur durch die veränderte eigentümliche Klingenform bedingt. "Ich sehe , du kannst Dinge, wovon andere keinen Schimmer haben, aber das ahnte ich schon, als ich deine schmächtige Gestalt sah. Es scheint, du bist eine Künstlerin. Wir können viel voneinander lernen. Wir werden den Weg beibehalten, aber wir müssen aus diesen Wildgräsern heraus, denn diese bieten auch ihnen Deckung und wo das Gras dicht steht, ist es schwerer für mich Witterung zu nehmen."

Nach einer Weile, sie waren noch nicht ganz aus den hohen Gräsern heraus, das Tal verengte sich, blieb Xoxo stehen. "Sie sind da. Die Vögel sind stumm. Ich spüre ihre Gegenwart." Vajria rückte hautnah an Xoxo heran, blickte nervös um sich und zitterte leicht. Xoxo löste die Schlingen ihrer kleinen Äxte. Sie war nun kampfbereit. "Schau, dort werden sie auf uns warten. Entkommen können wir nicht. Weglaufen wäre der sichere Tod. Wir tun so, als wüssten wir es nicht. Wir stellen uns dumm." Sie blickte dabei zu einer Stelle mit dichten Buschwerk und einem alten knorpeligen Baum mit etwas freier Fläche. Vajria war nur noch von Angst erfüllt, aber sie fügte sich dem unausweichlichen Schicksal. Was wollte diese stolze Wilde gegen diese Krieger allein ausrichten ? Sie würden gemeinsam sterben. "Sie werden denken, ich sei nur ein dummes Mannsweib, eine Primitive, pass auf Vajria, du machst gar nichts, verstehst du ? Nichts. Bleib einfach liegen, grab dich ein bis alles vorbei ist." Dann lächelte sie. "Gleich erlebst du die tiefe Seele Cimmeriens, der Geist des Säbelzahntigers wird sie zerfleischen." Vajria war kreidebleich. Sie schaute starr vor Angst und fasste plötzlich ganz zaghaft den Arm von Xoxo. Sie suchte Halt, wollte noch einmal einen Menschen fühlen, der sie beschützen wollte bevor sie sterben würde, obwohl sie sie hätte töten oder einem schlimmeren Schicksal hätte überstellen können. Warum lieferte sie sie nicht einfach aus ? Ja, warum nicht auf diese Weise in einen grausamen gemeinsamen Tod stürzen ? P
lötzlich stiess Xoxo Vajria mit voller Wucht zur Seite. Es ging los. Indem sie mit ausgebreiteten Armen flach ausgestreckt nach vorn hechtete und dann sich von Vajria entfernend in entgegengesetzte Richtung rollte, gelang es ihr geschickt den feindlichen Speeren auszuweichen. Dann sprang sie zur Seite um ihre eigene Achse drehend, liess beide Einhänder in der Luft wirbeln und brüllte ihre Wut heraus. So lenkte sie alle Aufmerksamkeit auf sich. Grosse furchterregende Gestalten, völlig tätowiert und mit fremdartigen Rüstungen und dunklen Umhängen griffen sie nun an. Vajria prallte hart auf den Boden auf. Der heftige Stoss hatte ihr den Atem weggenommen. Sie hatte Angst zu ersticken, jabste nach Luft. Noch während ein Speer flach über sie hinwegrauschte und den Boden durchpflügte,

konnte sie tiefer in das Gestrüpp robben, drückte ihr Gesicht, ihren ganzen kleinen Körper auf den Boden und ihre Finger krallten sich in die morastige Erde. Sie schloss ihre Augen und jeden schrecklichen Augenblick fürchtete sie von den übermächtigen Fremden ergriffen, missbraucht und wieder ins Lager zurückgebracht zu werden. Ein dumpfes Ziehen verengte ihren Unterleib, die Erinnerungen an die nicht endenen Torturen durchströmten sie. Aber vielleicht würden sie sie gleich auf der Stelle töten, ohne sie zu foltern. Oder wie gefangenes Wild fesseln und ins Lager bringen. Dort würde dann die Strafe auf sie warten. Oder erst über sie herfallen, sich mit ihr vergnügen und dann erst aufbrechen und sie mitschleifen. Es gab soviele Möglichkeiten der Pein, der Tortur. Hoffnung hatte sie nicht. Ihre unermessliche Furcht steigerte sich in frostige Kälte, sie zitterte und wimmerte in sich hinein. Dann hielt sie wie von einer seltsamen Kraft gelenkt inne, noch immer hatte sie niemand an den Beinen gezerrt, sie herausgezogen und sich über sie hergemacht. Sie hatten sie ausser Acht gelassen, weil sie sich ihrer sicher fühlten oder weil die Wilde sie so sehr ärgerte. Endlose Augenblicke der Stille folgten und ihre Sinne lauschten während der Erdboden von bedrohlichen Stampfen und Tritten zu erschüttern schien. Das mächtige Klirren von Metall auf Metall, das knarrende Zerspringen von Rüstungsteilen und das tiefe reissende Schmatzen von Fleisch, wenn Hiebe darin malmten, es teilten und durchtrennten, drang an ihr Ohr. Qualvolles Stöhnen und Röcheln. Xoxo war jetzt bestimmt gefallen. Es war alles aus, sie schloss mit ihrem Leben ab und spürte die Kälte, die von ihr Besitz ergriff.  Dann brach wildes wutenbranntes Geschrei über sie herein, das der skythischen Krieger. Und es wurde durchbrochen von einem grellen hyänischen Zischen, Fauchen und hasserfüllten Kreischen. Es war Xoxos Stimme. Wie konnte es sein ? Wirklich, sie hielt noch immer aus, kämpfte wie ein unberechenbares Tier in der Falle, dann folgte wieder ein bedrohliches Gröhlen ihrer Feinde wie eine Vergeltung. Es war ein wildes Toben in Gange, ständig die Richtung wechselnd. Immer von gewaltigen Schlagabtausch unterbrochen. Verdammt, Vajria konnte es noch immer nicht fassen. Das war unmöglich. Aber es war wirklich, es war real. Tropfen aus heissem Blut spritzten plötzlich auf ihren Kopf und Rücken. Sie zuckte zusammen und mit ihren Händen presste sie ihren Kopf noch fester auf den Erdboden, der unter den kräftigen Stössen und Sprüngen wie bebend durch ihren Körper fuhr. Sie wollte schreien, aber konnte es nicht. Der brutale Kampf ging weiter.

Ein weiterer entsetzlich gellender Schrei riss sie unkontrolliert wie von Sinnen in die Höhe und sie wandte sich nach hinten zurückkriechend und abstützend dorthin um, sah eine Blutfontäne aus einem mächtigen Körper emporschiessen und ein abgetrennter Kopf mit weit aufgerissenen Augen, glotzend vor Entsetzen, rollte vor ihre Füsse. Dann fiel der schwere Körper zu Boden. Aber die anderen Kämpfenden waren bereits wieder verschwunden. Der Kampf schien unter sehr hohem Bewegungstempo abzulaufen, kam schnell näher und entfernte sich wieder und sie hatten die Cimmererin noch nicht zur Strecke gebracht. Sie kämpfte unermüdlich weiter. Vajria sah vor sich in einigen Abstand bereits zwei Leichen, die eine enthauptet und die andere mit gespaltenen Schädel indem noch die Axt steckte. 

Wie hatte sie das fertiggebracht ? Das Wildgras war niedergetrampelt. Dann drangen Rufe zu ihr herüber. Sie waren es. Hatten sie sie jetzt ? Verdammt die Cimmererin hielt ihren Kopf für sie hin und sie war von Angst zerfressen, noch immer im Bann der Torturen, der sklavischen Erniedrigung und Pein. Sie war nicht sie selbst, ein elendes Geschöpf aus Verzeifelung und Jammer. Was sollte denn noch geschehen ? "Nein!", sie schrie es laut heraus. All ihre Angst brach nun als trotziger Zorn aus ihr heraus. Das war der entscheidene Moment, kein weiterer würde folgen, wenn nicht dieser sich erfüllte, dann keiner mehr. Niemals mehr. Plötzlich wie verwandelt, ging alles sehr schnell. Sie senkte sich in die Hocke, presste so kräftig sie konnte, es tat weh, presste würgend und zog an der kleinen klebrigen Schlaufe, die aus ihrem After hing, zog es schmerzend heraus und öffnete die verschmierten weichen ineinander verknüpten dreigliedrigen Lederröllchen. Blanke schmale Pfeilspitzen funkelten sie aus jedem Röllchen einzeln an. Sie wischte flink ihre Finger im Gras. Hörte wieder Schreie und das Schlagen von aufeinanderprallenden Waffen. Eine riesige Gestalt kam ihr langsam entgegen. Es war die blutüberströmte wankende Gestalt eines der hünenhaften Krieger - nur noch mit einem Arm. Es war der Dritte, den die Cimmererin sehr schwer getroffen hatte, so dass er wie verirrt suchend daherkam. Doch er war nicht tot, er war noch immer gefährlich und lebendig, benebelt vom Verlust und den Schmerz, aber voller Wut und wild entschlossen. Und als er sie entdeckte, ging er schnurstracks auf Vajria zu, ergriff einen grossen Krummdolch, der bei einem Toten am Boden lag. Vajria schoss geitesgegenwärtig in die Höhe und mit einer kaum wahrnehmbaren sehr schnellen Handgelenkdrehung schleuderte sie die erste Wurfspitze zielgenau in seinen Hals. Er wurde durch den Treffer sofort verlangsamt, machte nur noch zwei oder drei träge Schritte, dann fiel er ohne einen Laut, still und stumm direkt vor ihr zu Boden. "Das Gift wirkt und das nach solanger Zeit," stellte sie erstaunt kritisch, aber höchstzufrieden fest.


Sie frierte nicht mehr. Im Gegenteil, Wärme durchströmte ihren Körper, ihr Blut begann regelrecht zu kochen, begann zu schwitzen, war mit einem Mal klitschnass, dann rannte sie los, nichts hielt sie mehr, dorthin, wo der Kampf jetzt tobte. Ihre Füsse brannten, aber sie spürte sie nicht. Ihr Körper war wie verwandelt, war jetzt immun gegen Schmerz, so wie auch ihr Geist. Xoxo schrie auf, wie eine verletzte Tigerin. Und es setzte das triumpfierende verhöhnende Lachen dieser Bastarde ein. Dann wieder ein schmerzgeischender Schrei wie der eines verwundeten Büffels. Xoxo hatte noch einen niedergestreckt. Vajrias kleine schmächtige Gestalt trat nun aus dem Wildgras heraus. Sie sah Xoxos verblüffte Augen, die deuteten, sie sollte fliehen. Xoxo atmete heftig. Ihre Mähne war schweissgebadet und von fremden Blut durchtränkt, ihre Brüste sprangen unter dem heftigen auf und ab ihrer Lungen pendelnd umher. Ihre lederne Rüstung lag verstreut am Boden. Sie war jetzt auch nackt bis auf die Stiefel. Und voller Blut. Vajria schien, Xoxo war an die Grenzen ihrer Kräfte angelangt, atmete überheftig und schwer, hatte Streifwunden am Arm, am Oberkörper und an den Beinen. Offensichtlich ohne Gift, nur von den Lanzen. Es waren noch immer drei, die sie umringten. Sie hatten sie gestellt. Krummdolche und Reisslanzen waren auf sie gerichtet. Sie beachteten Vajria nicht, blickten nur kurz zu ihr herüber. Grinsten. Sie war für sie nur ein dummes Opfer, wähnten sich des Sieges. 

Xoxo hatte nur noch einen kleinen Einhänder, hielt ihn entschlossen mit beiden Armen fest. Der grosse Zweihänder steckte im zersprengten Brustkorb des zuletzt Gefallenen. Vermutlich würde sie noch einen mit in den Tod reissen. Sie rückten Schritt für Schritt vorsichtig näher. In wenigen Augenblicken würde alles entschieden sein. Vajria wirkte unscheinbar in ihrer schmalen, fast knöchernden und geschundenen Gestalt. Sie verneigte sich langsam, hatte dabei ihre Hände flach zusammengepresst, so als wollte sie ein letztes Gebet sprechen. Sie blickte auf, sah Xoxos versteinerte Miene. Dann streckte sie ihre schlanken  Arme weit auseinander, als wollte sie den Himmel empfangen, wirbelte sich blitzschnell zusammenziehend, in einer einzigen fliegenden Drehung wie in einem kreisenden Tanze herum. Ihre Hände waren nun weit geöffnet und ihre dürren Arme ragten verharrend hervor, dorthin weisend wo die anderen standen. Zwei von ihnen ruckten, noch ehe, sie erfassen konnten, was geschah. Xoxo sah in ihre weitaufgerissenen glasigen Augen, ihre Unterkiefer fielen schlaff herunter. Dann sackten sie ohne ihre Haltung noch ändern zu können zusammen. Nur einer war übrig, der Anführer. Mit einem gewaltigen Schrei stürzte Xoxo sich auf ihn, wich seinem Stoss mit der Lanze aus, schleuderte herum, sodass auch sein zweiter Hieb mit dem Krummdolch ins Leere stiess, sie nicht einmal ratschte. Dann rollte sie in einem Bogen über seine Schulter nach hinten herab und noch bevor er sich herumwenden konnte, trieb sie ihm ihren Einhänder von unten tief zwischen die Beine. Dann stellte sie sich vor ihm auf. Er hatte seine Waffen starr vor Schmerz fallengelassen. Es war ein tödlicher Stoss. "Du feiges Schwein", das war alles, was er noch von Xoxo hörte als sie ihn mit einem Fusstritt zu Boden warf, dann sich mit voller Wucht auf ihn stürzte und ihre Fäuste gnadenlos wie ein Steinhagel auf seinen Schädel einhämmern liess. Sie schien nicht mehr aufhören zu können, schnaufte wild und keuchend. Die Schläge wurden langsamer, wie ein träges Stampfen. Sein Gesicht war zusammengebrochen, zertrümmert zu einem Brei und ihre Knöchel aufgeschlagen. Vajria trat näher, ging in die Hocke, legte ihre Hand auf Xoxos Schulter, betrachtete Xoxos bohrende Stichwunde unterhalb des Schulterblattes. Sie hatte sicher viel Blut verloren, es floss noch immer, doch sie schien kaum geschwächt. "Er ist tot. Es ist vorbei." Sie wiederholte es langdehnt und lauter: "Er ist tot" und allmählich drang ihre Stimme zu Xoxos Bewusstsein vor, zunächst aus scheinbar weiter Entfernung in einem unwirklichen Echo, dann klar und fast schrill. Xoxo fuhr ruckartig  herum. Erst jetzt hörte sie auf, der Schädel des feindes war nunmehr völlig eingestampft und sein gehirn quoll seitlich heraus wie Gallermasse. Sie prustete heftig, stierte Vajria wie von weit in der Ferne an, kam langsam zu sich. Vajria blieb ungerührt stehen, hatte keine Angst mehr. Sie war ganz plötzlich von einem Moment zum anderen wie abgeschüttelt. Sie hatten keine Macht mehr über sie. Xoxo hockte noch immer auf dem mächtigen leblosen Brustkorb des feindlichen Kriegers, stützte sich nun auf den Schenkeln ab, senkte ihren Kopf dabei. "Ich habe mich völlig vergessen, war wie von Sinnen, aber sie wollten uns töten. Ich weiss nicht, was war, es brach aus mir raus. Es war der reine Hass. In einer Schlacht kann soetwas für einen selbst sogar sehr tödlich enden, weil man alles um sich rum vergisst." 


"Ohne dich wäre ich jetzt wieder gefangen. Vielleicht schon tot. Oder sie würden mir im Lager viele Dinge antun. Schlimmer als alles, was war. Ich habe gesehen, was sie dann machen. Du hast mich gerettet." Xoxo drehte sich wieder zu ihr um, stand auf. Sie war von Blut überströmt und verschmiert, von eigenen und fremden, in frischem nassen rot und angetrockneten rotbraun, atmete noch immer sehr heftig, ihr nackter Oberkörper stieg auf und ab und an ihren schaukelnen Brüsten tropfte das Blut herab. Sie hatte Schnittwunden an Oberarm und Oberschenkel und eine Platzwunde am Kopf sowie die Stichwunde hinten in der Schulter. Sie stand in voller Anspannung, man konnte jeden einzelnen Muskelstrang sehen, die weichen Polster waren ganz und gar entschwunden. "Ja, Schrecken kennt kein Ende. Man denkt immer, es ist vorbei, dann wird es noch schlimmer. Aber sag, was war das mit dir ?" "Was?" "Was hast du da gemacht ? Vor allem wie ?", Xoxo deutete auf die Toten. "Es waren Giftspitzen und ich sage dir, hätte ein Krummdolch dich erwischt, so wärest auch du auch an seinem Gift zugrunde gegangen. Du kannst dich glücklich schätzen, nur von ihren Lanzen geratscht worden zu sein." "Ja, es war unmöglich diesen unbeschadet auszuweichen, ich hatte es geahnt, aber die sind tatsächlich alle vergiftet ?" Vajria nickte stumm. Dann fügte sie hinzu: "Eines ihrer Erfolgsgeheimnisse." Xoxo spuckte in den Boden. "Wo hattest du sie her?" "Ich habe sie immer bei mir getragen. Sie stammen aus unserem Tempel, habe sie stets verborgen oder versteckt in meinem Hintern. So haben sie es nicht bemerkt." "Aber wieso erst jetzt ?" "Ich weiss nicht, nie schien der Moment wirklich geeignet gewesen zu sein. Das Risiko war immer viel zu hoch. Manchmal dachte ich meinem Leben damit ein Ende zu setzen und der Pein zu entkommen. Aber mein göttlicher Schwur verbietet es. Aber diesmal spürte ich, dass sie ihre Berufung gefunden hatten. Todessicher. Und darauf kommt es an. Für solche Momente sind sie geschaffen. Du machtest es möglich. Noch nie habe ich eine Frau so kämpfen gesehen. Du bist eine wahrhaftige Kriegerin. Ich bin froh ihnen entkommen zu sein. Und das ich auf dich traf. Du bist wahnsinnig. Und das du mich am Leben lässt. Es ist wie ein Wunder." Xoxo schaute sie sprachlos an. "Wo hast du das gelernt ?" Vajria nickte, "Es ist Teil einer Meditationsübung im Tempel," grinste leicht dabei und fuhr weiter. "Ein Teil meiner Ausbildung, eigentlich sogar der überwiegende Teil befasste sich mit der Formung von Seele, Geist und Körper und diese dreieinig zu vereinen. Man erreicht dann mit minimaler Kraft und Energie unglaublich viel, nutzt die Aura des Gegners für den eigenen Widerstand. Und dazu gehörte der Umgang mit Dolch und Wurfpfeil. Dies sind sehr spezielle Spitzen mit denen man auf zehn Meter ins Schwarze treffen kann. Und ich kann es blind." Vajria schien imstande und in Verfassung ihr einen Vortrag halten zu wollen. Xoxo runzelte die Stirn. Sie war wie verändert. "Blind ?Das mußt du mir unbedingt erklären, später in meiner Höhle. Wie so vieles. Denn eine Dienerin bist du nicht." Dann bückte sich Xoxo zum Getöteten und mit den geübten Schnitten eines Wildtöters hielt sie ihr rasch sein warmes Herz entgegen. "Es ist deins. Du hast den ersten Biss." Vajria schüttelte den Kopf. "Ich will nicht." Sie hatte geahnt, dass das folgen würde, dass Xoxo eine Bluttrinkerin war und sein Herz essen würde. "Du willst nicht ? Los, komm, es ist heilig und frisch." "Nein, er ist böse. Es ist nicht gut, sein verfluchtes Herz zu essen. Es vergiftet unseren Körper und unsere ganze Seele. Soll er als Aas zugrunde gehen, verteilt in alle Winde." "Dann mache ich es eben," Xoxo begann gierig vom Herzen zu essen. "Das Herz deines Feindes macht dich stark. Jeder geschlagene Gegner stärkt unsere eigene Kraft. Bei erlegten Tieren mache ich es auch so." "Nein, Tiere sind rein, aber er war nicht stark, er war feige, gemein und hinterhältig. Ein widerliches Schwein. Seine Seele ein Abbild der dämonischen Finsternis. Er hat gequält, gefoltert und lebendig gehäutet während er sich an sie vergangen hat. Er hat mir alles angetan und genommen, was ich war." "Xoxo schaute sie stumm und grüblerisch an während sie erneut abbiss, dann spuckte sie fluchend aus. "Er war das ? Verdammt, du hast recht." Dann schleuderte sie das restliche Herz in einen hohen Bogen durch die Luft. "Verflucht sollen ihre Seelen sein," rief sie aus. Dann ruhig, zu ihr gewandt. "Sein Herz hat auch nicht geschmeckt. Es war bitter," grisnte dabei breit. Nach einer kurzen Pause, sie sahen wie die ersten Raben über ihnen kreisten. "Bist du dir sicher, es kommen nicht mehr ?" "Nein, das waren alle, sonst wäre er nicht dabei, bestimmt. Das waren alle. Mehr kommen nicht." "Du kanntest ihn?" "Ja, er war ein Schwein," Vajrias Miene war plötzlich eisig und kalt, aber ihr Blick war klar und unverhangen. "Du zitterst nicht mehr und deine Augen, sie funkeln richtig." "Ja, es ist weg, alles ist weg. Abgefallen. Es passierte während mir klar wurde, was geschah und mein erster Pfeil den Feind niederstreckte. Ich fühle mich so überwältigt befreit und unendlich dankbar. Ich fühle wieder neues Leben, neue ungeahnte Stärke in mir fliessen, wie vorher, bevor alles begann. Und doch wird von nun an alles anders sein. Nichts wird mehr wie es war.  Ich bin mir jetzt sicher, dass du mich ihnen nicht ausliefern wirst. Ich vertraue dir, mein Blut ist dein." Vajria fiel auf einmal auf die Knie, küsste Xoxos dreckige Stiefel. "Verdammt, nein, komm hoch oder ... ich töte dich." Dann lachte Xoxo. "Komm", zog Vajria hoch und drückte sie für einen Moment fest an sich. "Du bist doch frei. Du mußt dich nicht unterwerfen. Ich halte keine Sklaven. Wir sind von nun an Freunde. Auch ich habe dir mein Leben zu verdanken, auch wenn du mich erst in diese Situation gebracht hast, aber früher oder später wäre es sowieso passiert." Vajria liefen die Tränen, sie schluchste. "Was ist mit dir?" "Nichts, gar nichts," vergrub ihr Gesicht in den kleinen Händen. Dann rieb sie sich die Wangen. "Ich fasse das alles nicht." Xoxo ergriff nun sanft ihre Arme. "Ach Vajria, komm, komm schon. Los." Und dann: "Wenn du jetzt wieder umfällst, ich warne dich, ich lass dich hier liegen, du kannst dann elendig verrotten, du miese stygische stinkende Schweinepest !" Xoxos Augen zwinkerten und leuchteten keck dabei. Sie fing an zu lachen. Das erste Mal sah sie ein strahlendes Lächeln in Vajrias bislang so niedergeschlagene und traurig düstere Miene aufbrechen. Es war wie ein herrliches Licht, bezaubernd und voll magischer Anziehungskraft, so wie die aufgehende Sonne Stygiens.    

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