"Am Ziele deiner Wünsche wirst du jedenfalls eines vermissen: dein Wandern zum Ziel."


"Am Ziele deiner Wünsche wirst du jedenfalls eines vermissen: dein Wandern zum Ziel." - Marie von Ebner-Eschenbach

Molon Labe versteht sich als privates Story- und Fansite-Projekt des von dem fantastischen Erzählwerk Robert E. Howards inspirierten Massive Multiplayer Onlinegame Age of Conan.

Vor allem ist es ein Schreibprojekt von Geschichten rund um die gespielten Charaktere, angeregt durch das Spielgeschehen Hyborias in Age of Conan wirkt es schliesslich in einer eigenen fantastischen Welt vorantiker archaischer Zeit - ganz im Stile von Sword, Sex and Sorcery.


Sämtliche Veröffentlichungen sind Entwürfe oder Manuskripte, also unfertig. Es geht dabei nicht um literarische Meisterschaft, sondern um das einfache Erzählen mithilfe des Schreibens.

"Aus den Trümmern unserer Verzweiflung bauen wir unseren Charakter." - Ralph Waldo Emerson




Seiten

Belite, die Eroberin - Hohe Dienerin Mitras


Hier entstehen die Geschichten um Belite, eine sagenhafte Gestalt uralter Legenden grauer Vorzeit.

Eine Kriegsamazone, selbstsicher und unabhängig, die einzige weibliche Primus Centurio des Blutordens der Mitraner in einer brutalen männlichen Welt der Gier nach Macht durch Unterdrückung und Unterwerfung.

Belite ist gütig und liebevoll, tugendhaft und aufrichtig. Freiheit und Gerechtigkeit gehen ihr über alles.

Belite betet Mitra an, die ihr schliesslich auf fernen Reisen in einer Vollmondnacht erscheint, ihr das wahre weibliche Anlitz der Naturgöttin zeigt und sie zu ihrer Erleuchteten im ewigen Krieg gegen die dunklen Mächte der Unterwerfung und Zerstörung macht.

Einsam, aber nicht allein tritt sie für die Schwachen, Armen und Wehrlosen ein, wird aber von diesen als unheimliche Bedrohung angesehen, denn dort, wo sie Magie und Schwert hinführen, gerät die alte Ordnung aus Betrug und Falschheit aus den Fugen.

So wird aus ihr eine einsame Abenteurerin im Zwiespalt mit der Welt und im Ringen mit den beherrschenden Mächten. Deshalb erscheint sie verflucht, verfolgt, ist ihrer Bestimmung und ihrem Schicksal ergeben.

Belite ist die Keimzelle für eine kleine eingeschworene Gemeinschaft voller Sehnsucht und Hingabe, junge und eigensinnige Gefährtinnen, die ihr in freiem Willen ergeben sind und gemeinsam mit ihr traumhafte Momente der Glückseeligkeit und tiefgrausamen Qual erleben sowie in wundersamer Weise todesmutig für das Gute eintreten - bis zum Untergang.

Es gibt kein Entrinnen oder Erbarmen. Unerbittlich gibt es nur eine Entscheidung: Gut oder Böse - Leben oder Tod !

Mittwoch, 16. Januar 2013

Xoxo. Die Cimmererin IV - Überfall


Dann ergriff alle die Hektik des erneuten Aufbruchs. "Was ich gesagt habe, gilt, bring sie niemals in unser Dorf, niemals," sagte Beolg und fügte hinzu: "Wir sehen uns dann auf dem Schlachtfeld. Ein Pferd steht nahe der Böschung, du weisst schon wo. Die neue schwere Rüstung erhältst du dann wohl erst im Heerlager. Viel Glück." 

Sie machten sich nun auf und liessen Xoxo mit der Stygierin zurück. Sie taten so, als wäre es ein normaler Vorgang, aber allen war klar, sollten die Verfolger der Entflohenen wieder auftauchen, so stünde Xoxo allein. Auch, wenn sie sehr stark war, sie würde es wohl nicht überleben, nach allem, was man über die fremden Eindringlinge gehört hatte. Schon bald waren sie ausser Sicht und verschwanden hinter einer Biegung in einer steilen Schlucht bergabwärts.

"Bis zur Höhle mußt du es so schaffen, es sind noch zwei Stunden und es geht bergauf. Dort versorge ich dich dann und behandle deine Wunden." Xoxo reichte der Stygierin eine lederne Binde. "Hier, wickel das um deine Füsse bevor sie völlig hin sind. Wir müssen es einfach schaffen." Dann reichte sie ihr einen anderen  Trinkbeutel "Trink, du mußt viel trinken. Dies ist flüssiges Brot."

"Nun, sag schon, wieviele ? Wieviele sind hinter dir her ?" Auch sie machten sich nun auf den Weg. Xoxo hatte nur ein dickes Bündel, alles andere hatten die anderen auf den Maultieren mitgenommen. Und ihre Waffen hatte sie geschultert. Während der ersten Schritte brach die Stygierin endlich ihr Schweigen. Sie begann nun wie ein Wasserfall zu reden und dies im einfachen entfernt ländlichen cimmerischen Dialekt aus den aquilonischen Grenzregionen, der Xoxo wegen ihrer Reisen nach Aquilonien noch gut geläufig war. Xoxo unterbrach sie manchmal, bat sie langsam zu reden, denn sie überschlug sich manchmal, wobei sie einige Worte und Begriffe durcheinanderwirbelte und mit stygischen vermischte. Sie war es offenbar gewohnt schnell zu reden, war sehr redegewandt. Der Stygierin gelang es schliesslich das Erlebte ihrer Flucht und die Lage sehr genau zu schildern. Es  gelang ihr im Verlauf immer besser bis nahezu flüssig in cimmerisch zu sprechen. Der Stygierin war offensichtlich klar, wie sehr sie jetzt voneinander abhingen und zueinander finden mußten. Sie mußte sich öffnen, auch wenn sie nicht so recht wusste, was mit ihr geschehen würde. Aber sie hatte keine Fesseln angelegt bekommen, was für sie wie ein Wunder war. Die schrecklichen barbarischen Cimmerer liessen sie am Leben, wo sie doch immer gedacht hatte, sie würden viel schlimmer sein, als alles, was sie vorher erleiden mußte. Sie schilderte die Situation. Sie seien nun beide in allergrösster Gefahr. Die Skyther würden sie verfolgen. Sie könne ihr noch nicht erklären warum und wer sie waren, weil sie es nicht glauben würde. Es würde auch alles zu lange dauern. Es reiche, wenn sie wisse, dass sie eine Tempeldienerin sei. Sie habe ihr ganzes Leben nur in Tempeln, Gärten und Städten verbracht. Die Wildnis sei ihr völlig unbekannt. Sie sollte deshalb auch erst als Letzte geopfert werden, es seien nur sehr wenige ihrer Gefolgschaft noch am Leben, wenn überhaupt. Man habe sie jeden Abend auf einen Platz öffentlich geschändet, um zu beweisen, dass es ihren Gott nicht geben würde. Und häufig hatten sie zum Höhepunkt eine Person aus ihrem Gefolge direkt vor ihren Augen bestialisch getötet. Sie sollte abschwören, doch sie tat es nicht. Durch einen Zufall habe sie sich befreien können, doch in dieser Wildnis würde sie nicht lange überleben. Freie Natur kenne sie nur von hören und sagen. Sie könne lesen, schreiben, rechnen, malen, tanzen, dichten und viele andere Dinge, die ihr hier gar nichts nützten und bestimmt auch unbekannt seien. Wenn sie sich nicht beeilen würden, wären sie schon bald gefangen. Xoxo fragte wieder, wieviele es seien, alles andere könne sie doch später erzählen. Sie antwortete, sie habe fünf gesehen. Einer davon, sei ein Anführer aus der Adelsschicht. Und auch ein Schamane sei dabei. Ihre Schamanen seien aber auch Krieger. Die anderen seien einfache Jäger oder Späher aus der Kriegerkaste. Sie habe sie an einem Hang beobachtet, gestern als sie ihr so nah waren, dass sie sie leicht hätten fangen können, aber sie sammelten sich und machten Rast. Das war ihre Rettung. Sonst wäre alles vorbei gewesen, weil sie nicht mehr wusste, wie sie weitergehen sollte. Und genau so mußte es denen auch gegangen sein. Eine tiefe und unübersichtliche felsige Senke mit einem Bachlauf hatte ihnen die Verfolgung erschwert. So konnte sie sehr viel Zeit zurückgewinnen. Sie würden aber nicht aufgeben, denn ohne sie oder ihre Leiche bräuchten sie sicher nicht mehr in ihr Lager zurückkehren. Sie hätten bestimmt schon wieder aufgeholt, da sie ja sogar Blutspuren hinterliess. Nur in dem Wasser hatte sie ihre Spuren für kurze Zeit verwischen können. Aber sie hatte immer mehr an Kraft verloren und deshalb hielt sie in den Gräser aus. Sie war völlig erschöpft. Ihre Verfolger wären bestimmt schon in der Nähe und würden sie bestimmt schon beobachten.

Das Erlebte hatte sie am Ende in nahezu perfekten cimmerisch, wenn auch eines hier eher unüblichen, aber für Xoxo sehr gut verständlichen und bekannten Dialektes geschildert, was Xoxo nun veranlasste, sie zu fragen, wie sie als Stygierin dazu gekommen sei. Sie erklärte, sie beherrsche sehr viele Sprachen, es sei nun einmal ein Teil ihrer Ausbildung gewesen, auch habe es sie interessiert und sie sei überaus sprachgewandt. Sie spreche hochstygisch, also das der herrschenden Kaste, auch das seteigene stygisch der Priester als eine besondere Elite und drei stygische Dialekte, die teils verwandt, aber auch grundverschieden seien, kushitisch, aquilonisch, shemitisch, darfari, vendhynisch, turanisch und eben dieses cimmerisch für den Notfall, wie ihre Lehrer stets kopfschüttelnd betonten, womit sie meinten, dass es bei diesen Barbaren sowieso sinnlos sei, was man sagte, denn der nicht weniger barbarische Tod sei einem in Gefangenschaft gewiss. Und dieser Umstand sei ja nun tatsächlich eingetreten, obwohl niemand ihrer Mitschüler und Lehrer es jemals für möglich gehalten hätte, dass sie die cimmerische Begegnung überleben würde. Und glauben würde ihr diese Geschichte auch niemand. Xoxo entdeckte in ihr ein unterschwelliges und flüchtiges Lächeln, das über ihre stets ernste und von Angst erfüllte Miene huschte. Sie dachte an ihre Tochter Cyantia, die nun in Aquilonien vermutlich einen vergleichbaren Weg der Lehre im Mitrakloster durchschritt. Vielleicht war auch dies ein Grund, weshalb sie von der Stygierin so beeindruckt war. Sie erinnerte sie so sehr an ihre Tochter, obwohl die Stygierin wohl älter war und ihre Ausbildung offenbar erfolgreich abgeschlossen hatte, denn so selbstbewusst, wie sie nun auftrat, hatte sie noch keine Gefangene erlebt. Xoxo war sich sicher, Vajria gehörte einer herrschenden Kaste der Stygier an, wofür sie sie, wie ihre cimmerischen Brüder, eigentlich hassen müßte. Eine einfache Tempeldienerin war sie sicher nicht und sie hatte sicher Angst es zuzugeben, weil sie wohl glaubte, dann sterben zu müssen. Sicher würde sie bald mehr erfahren.  

"Gut, sag mir deinen Namen, den, wenn sie dich rufen und alle in Eile sind, mich nennen alle Xoxo." "Hm, ich weiss nicht, dann heisse ich nur Vajria, als das göttliche Werkzeug dem ich angehöre." "Werkzeug?" "Ja, es heisst, es sei ein Dolch vom Himmel gefallen ..." "Nicht jetzt, welche Waffen haben sie ?" Vajria blieb stehen und sprang zu einer sandigen Stelle, riss einige Grasbüschel heraus, plättete mit den Händen die Erde und dies so geschickt, wie es Xoxo noch nie gesehen hatte, malte sie die Waffen und ihre markanten Klingen, die sich in ihrer Form von allen hier bekannten unterschieden. Dann zeigte sie jeweils darauf, stand auf und machte Bewegungsmuster vor. Xoxo war überrascht. Vajria ahmte die typischen Kampfbewegungen nach, gekonnt und wiederholt und vor allem sehr wendig und gelenkig, als sei sie ein Trainer und das obwohl sie so geschwächt und so abgemagert war. Mal langsam um das Bewegungsmuster zu verdeutlichen, dann schnell, als sei es jetzt passiert. Das war unglaublich und es schien, als würde die Stygierin alle ihre letzten verfügbaren Reserven aufbringen, wohlwissend, dass ihr beider Leben an einem dünnen Faden hing, auch wenn es in ihrer Dürrheit sehr bizarr wirkte. Xoxo mußte sich darauf einstellen, denn zu jeder neuartigen Waffe gehörte ein typischer Bewegungsablauf und sei es nur durch die veränderte eigentümliche Klingenform bedingt. "Ich sehe , du kannst Dinge, wovon andere keinen Schimmer haben, aber das ahnte ich schon, als ich deine schmächtige Gestalt sah. Es scheint, du bist eine Künstlerin. Wir können viel voneinander lernen. Wir werden den Weg beibehalten, aber wir müssen aus diesen Wildgräsern heraus, denn diese bieten auch ihnen Deckung und wo das Gras dicht steht, ist es schwerer für mich Witterung zu nehmen."

Nach einer Weile, sie waren noch nicht ganz aus den hohen Gräsern heraus, das Tal verengte sich, blieb Xoxo stehen. "Sie sind da. Die Vögel sind stumm. Ich spüre ihre Gegenwart." Vajria rückte hautnah an Xoxo heran, blickte nervös um sich und zitterte leicht. Xoxo löste die Schlingen ihrer kleinen Äxte. Sie war nun kampfbereit. "Schau, dort werden sie auf uns warten. Entkommen können wir nicht. Weglaufen wäre der sichere Tod. Wir tun so, als wüssten wir es nicht. Wir stellen uns dumm." Sie blickte dabei zu einer Stelle mit dichten Buschwerk und einem alten knorpeligen Baum mit etwas freier Fläche. Vajria war nur noch von Angst erfüllt, aber sie fügte sich dem unausweichlichen Schicksal. Was wollte diese stolze Wilde gegen diese Krieger allein ausrichten ? Sie würden gemeinsam sterben. "Sie werden denken, ich sei nur ein dummes Mannsweib, eine Primitive, pass auf Vajria, du machst gar nichts, verstehst du ? Nichts. Bleib einfach liegen, grab dich ein bis alles vorbei ist." Dann lächelte sie. "Gleich erlebst du die tiefe Seele Cimmeriens, der Geist des Säbelzahntigers wird sie zerfleischen." Vajria war kreidebleich. Sie schaute starr vor Angst und fasste plötzlich ganz zaghaft den Arm von Xoxo. Sie suchte Halt, wollte noch einmal einen Menschen fühlen, der sie beschützen wollte bevor sie sterben würde, obwohl sie sie hätte töten oder einem schlimmeren Schicksal hätte überstellen können. Warum lieferte sie sie nicht einfach aus ? Ja, warum nicht auf diese Weise in einen grausamen gemeinsamen Tod stürzen ? P
lötzlich stiess Xoxo Vajria mit voller Wucht zur Seite. Es ging los. Indem sie mit ausgebreiteten Armen flach ausgestreckt nach vorn hechtete und dann sich von Vajria entfernend in entgegengesetzte Richtung rollte, gelang es ihr geschickt den feindlichen Speeren auszuweichen. Dann sprang sie zur Seite um ihre eigene Achse drehend, liess beide Einhänder in der Luft wirbeln und brüllte ihre Wut heraus. So lenkte sie alle Aufmerksamkeit auf sich. Grosse furchterregende Gestalten, völlig tätowiert und mit fremdartigen Rüstungen und dunklen Umhängen griffen sie nun an. Vajria prallte hart auf den Boden auf. Der heftige Stoss hatte ihr den Atem weggenommen. Sie hatte Angst zu ersticken, jabste nach Luft. Noch während ein Speer flach über sie hinwegrauschte und den Boden durchpflügte,

konnte sie tiefer in das Gestrüpp robben, drückte ihr Gesicht, ihren ganzen kleinen Körper auf den Boden und ihre Finger krallten sich in die morastige Erde. Sie schloss ihre Augen und jeden schrecklichen Augenblick fürchtete sie von den übermächtigen Fremden ergriffen, missbraucht und wieder ins Lager zurückgebracht zu werden. Ein dumpfes Ziehen verengte ihren Unterleib, die Erinnerungen an die nicht endenen Torturen durchströmten sie. Aber vielleicht würden sie sie gleich auf der Stelle töten, ohne sie zu foltern. Oder wie gefangenes Wild fesseln und ins Lager bringen. Dort würde dann die Strafe auf sie warten. Oder erst über sie herfallen, sich mit ihr vergnügen und dann erst aufbrechen und sie mitschleifen. Es gab soviele Möglichkeiten der Pein, der Tortur. Hoffnung hatte sie nicht. Ihre unermessliche Furcht steigerte sich in frostige Kälte, sie zitterte und wimmerte in sich hinein. Dann hielt sie wie von einer seltsamen Kraft gelenkt inne, noch immer hatte sie niemand an den Beinen gezerrt, sie herausgezogen und sich über sie hergemacht. Sie hatten sie ausser Acht gelassen, weil sie sich ihrer sicher fühlten oder weil die Wilde sie so sehr ärgerte. Endlose Augenblicke der Stille folgten und ihre Sinne lauschten während der Erdboden von bedrohlichen Stampfen und Tritten zu erschüttern schien. Das mächtige Klirren von Metall auf Metall, das knarrende Zerspringen von Rüstungsteilen und das tiefe reissende Schmatzen von Fleisch, wenn Hiebe darin malmten, es teilten und durchtrennten, drang an ihr Ohr. Qualvolles Stöhnen und Röcheln. Xoxo war jetzt bestimmt gefallen. Es war alles aus, sie schloss mit ihrem Leben ab und spürte die Kälte, die von ihr Besitz ergriff.  Dann brach wildes wutenbranntes Geschrei über sie herein, das der skythischen Krieger. Und es wurde durchbrochen von einem grellen hyänischen Zischen, Fauchen und hasserfüllten Kreischen. Es war Xoxos Stimme. Wie konnte es sein ? Wirklich, sie hielt noch immer aus, kämpfte wie ein unberechenbares Tier in der Falle, dann folgte wieder ein bedrohliches Gröhlen ihrer Feinde wie eine Vergeltung. Es war ein wildes Toben in Gange, ständig die Richtung wechselnd. Immer von gewaltigen Schlagabtausch unterbrochen. Verdammt, Vajria konnte es noch immer nicht fassen. Das war unmöglich. Aber es war wirklich, es war real. Tropfen aus heissem Blut spritzten plötzlich auf ihren Kopf und Rücken. Sie zuckte zusammen und mit ihren Händen presste sie ihren Kopf noch fester auf den Erdboden, der unter den kräftigen Stössen und Sprüngen wie bebend durch ihren Körper fuhr. Sie wollte schreien, aber konnte es nicht. Der brutale Kampf ging weiter.

Ein weiterer entsetzlich gellender Schrei riss sie unkontrolliert wie von Sinnen in die Höhe und sie wandte sich nach hinten zurückkriechend und abstützend dorthin um, sah eine Blutfontäne aus einem mächtigen Körper emporschiessen und ein abgetrennter Kopf mit weit aufgerissenen Augen, glotzend vor Entsetzen, rollte vor ihre Füsse. Dann fiel der schwere Körper zu Boden. Aber die anderen Kämpfenden waren bereits wieder verschwunden. Der Kampf schien unter sehr hohem Bewegungstempo abzulaufen, kam schnell näher und entfernte sich wieder und sie hatten die Cimmererin noch nicht zur Strecke gebracht. Sie kämpfte unermüdlich weiter. Vajria sah vor sich in einigen Abstand bereits zwei Leichen, die eine enthauptet und die andere mit gespaltenen Schädel indem noch die Axt steckte. 

Wie hatte sie das fertiggebracht ? Das Wildgras war niedergetrampelt. Dann drangen Rufe zu ihr herüber. Sie waren es. Hatten sie sie jetzt ? Verdammt die Cimmererin hielt ihren Kopf für sie hin und sie war von Angst zerfressen, noch immer im Bann der Torturen, der sklavischen Erniedrigung und Pein. Sie war nicht sie selbst, ein elendes Geschöpf aus Verzeifelung und Jammer. Was sollte denn noch geschehen ? "Nein!", sie schrie es laut heraus. All ihre Angst brach nun als trotziger Zorn aus ihr heraus. Das war der entscheidene Moment, kein weiterer würde folgen, wenn nicht dieser sich erfüllte, dann keiner mehr. Niemals mehr. Plötzlich wie verwandelt, ging alles sehr schnell. Sie senkte sich in die Hocke, presste so kräftig sie konnte, es tat weh, presste würgend und zog an der kleinen klebrigen Schlaufe, die aus ihrem After hing, zog es schmerzend heraus und öffnete die verschmierten weichen ineinander verknüpten dreigliedrigen Lederröllchen. Blanke schmale Pfeilspitzen funkelten sie aus jedem Röllchen einzeln an. Sie wischte flink ihre Finger im Gras. Hörte wieder Schreie und das Schlagen von aufeinanderprallenden Waffen. Eine riesige Gestalt kam ihr langsam entgegen. Es war die blutüberströmte wankende Gestalt eines der hünenhaften Krieger - nur noch mit einem Arm. Es war der Dritte, den die Cimmererin sehr schwer getroffen hatte, so dass er wie verirrt suchend daherkam. Doch er war nicht tot, er war noch immer gefährlich und lebendig, benebelt vom Verlust und den Schmerz, aber voller Wut und wild entschlossen. Und als er sie entdeckte, ging er schnurstracks auf Vajria zu, ergriff einen grossen Krummdolch, der bei einem Toten am Boden lag. Vajria schoss geitesgegenwärtig in die Höhe und mit einer kaum wahrnehmbaren sehr schnellen Handgelenkdrehung schleuderte sie die erste Wurfspitze zielgenau in seinen Hals. Er wurde durch den Treffer sofort verlangsamt, machte nur noch zwei oder drei träge Schritte, dann fiel er ohne einen Laut, still und stumm direkt vor ihr zu Boden. "Das Gift wirkt und das nach solanger Zeit," stellte sie erstaunt kritisch, aber höchstzufrieden fest.


Sie frierte nicht mehr. Im Gegenteil, Wärme durchströmte ihren Körper, ihr Blut begann regelrecht zu kochen, begann zu schwitzen, war mit einem Mal klitschnass, dann rannte sie los, nichts hielt sie mehr, dorthin, wo der Kampf jetzt tobte. Ihre Füsse brannten, aber sie spürte sie nicht. Ihr Körper war wie verwandelt, war jetzt immun gegen Schmerz, so wie auch ihr Geist. Xoxo schrie auf, wie eine verletzte Tigerin. Und es setzte das triumpfierende verhöhnende Lachen dieser Bastarde ein. Dann wieder ein schmerzgeischender Schrei wie der eines verwundeten Büffels. Xoxo hatte noch einen niedergestreckt. Vajrias kleine schmächtige Gestalt trat nun aus dem Wildgras heraus. Sie sah Xoxos verblüffte Augen, die deuteten, sie sollte fliehen. Xoxo atmete heftig. Ihre Mähne war schweissgebadet und von fremden Blut durchtränkt, ihre Brüste sprangen unter dem heftigen auf und ab ihrer Lungen pendelnd umher. Ihre lederne Rüstung lag verstreut am Boden. Sie war jetzt auch nackt bis auf die Stiefel. Und voller Blut. Vajria schien, Xoxo war an die Grenzen ihrer Kräfte angelangt, atmete überheftig und schwer, hatte Streifwunden am Arm, am Oberkörper und an den Beinen. Offensichtlich ohne Gift, nur von den Lanzen. Es waren noch immer drei, die sie umringten. Sie hatten sie gestellt. Krummdolche und Reisslanzen waren auf sie gerichtet. Sie beachteten Vajria nicht, blickten nur kurz zu ihr herüber. Grinsten. Sie war für sie nur ein dummes Opfer, wähnten sich des Sieges. 

Xoxo hatte nur noch einen kleinen Einhänder, hielt ihn entschlossen mit beiden Armen fest. Der grosse Zweihänder steckte im zersprengten Brustkorb des zuletzt Gefallenen. Vermutlich würde sie noch einen mit in den Tod reissen. Sie rückten Schritt für Schritt vorsichtig näher. In wenigen Augenblicken würde alles entschieden sein. Vajria wirkte unscheinbar in ihrer schmalen, fast knöchernden und geschundenen Gestalt. Sie verneigte sich langsam, hatte dabei ihre Hände flach zusammengepresst, so als wollte sie ein letztes Gebet sprechen. Sie blickte auf, sah Xoxos versteinerte Miene. Dann streckte sie ihre schlanken  Arme weit auseinander, als wollte sie den Himmel empfangen, wirbelte sich blitzschnell zusammenziehend, in einer einzigen fliegenden Drehung wie in einem kreisenden Tanze herum. Ihre Hände waren nun weit geöffnet und ihre dürren Arme ragten verharrend hervor, dorthin weisend wo die anderen standen. Zwei von ihnen ruckten, noch ehe, sie erfassen konnten, was geschah. Xoxo sah in ihre weitaufgerissenen glasigen Augen, ihre Unterkiefer fielen schlaff herunter. Dann sackten sie ohne ihre Haltung noch ändern zu können zusammen. Nur einer war übrig, der Anführer. Mit einem gewaltigen Schrei stürzte Xoxo sich auf ihn, wich seinem Stoss mit der Lanze aus, schleuderte herum, sodass auch sein zweiter Hieb mit dem Krummdolch ins Leere stiess, sie nicht einmal ratschte. Dann rollte sie in einem Bogen über seine Schulter nach hinten herab und noch bevor er sich herumwenden konnte, trieb sie ihm ihren Einhänder von unten tief zwischen die Beine. Dann stellte sie sich vor ihm auf. Er hatte seine Waffen starr vor Schmerz fallengelassen. Es war ein tödlicher Stoss. "Du feiges Schwein", das war alles, was er noch von Xoxo hörte als sie ihn mit einem Fusstritt zu Boden warf, dann sich mit voller Wucht auf ihn stürzte und ihre Fäuste gnadenlos wie ein Steinhagel auf seinen Schädel einhämmern liess. Sie schien nicht mehr aufhören zu können, schnaufte wild und keuchend. Die Schläge wurden langsamer, wie ein träges Stampfen. Sein Gesicht war zusammengebrochen, zertrümmert zu einem Brei und ihre Knöchel aufgeschlagen. Vajria trat näher, ging in die Hocke, legte ihre Hand auf Xoxos Schulter, betrachtete Xoxos bohrende Stichwunde unterhalb des Schulterblattes. Sie hatte sicher viel Blut verloren, es floss noch immer, doch sie schien kaum geschwächt. "Er ist tot. Es ist vorbei." Sie wiederholte es langdehnt und lauter: "Er ist tot" und allmählich drang ihre Stimme zu Xoxos Bewusstsein vor, zunächst aus scheinbar weiter Entfernung in einem unwirklichen Echo, dann klar und fast schrill. Xoxo fuhr ruckartig  herum. Erst jetzt hörte sie auf, der Schädel des feindes war nunmehr völlig eingestampft und sein gehirn quoll seitlich heraus wie Gallermasse. Sie prustete heftig, stierte Vajria wie von weit in der Ferne an, kam langsam zu sich. Vajria blieb ungerührt stehen, hatte keine Angst mehr. Sie war ganz plötzlich von einem Moment zum anderen wie abgeschüttelt. Sie hatten keine Macht mehr über sie. Xoxo hockte noch immer auf dem mächtigen leblosen Brustkorb des feindlichen Kriegers, stützte sich nun auf den Schenkeln ab, senkte ihren Kopf dabei. "Ich habe mich völlig vergessen, war wie von Sinnen, aber sie wollten uns töten. Ich weiss nicht, was war, es brach aus mir raus. Es war der reine Hass. In einer Schlacht kann soetwas für einen selbst sogar sehr tödlich enden, weil man alles um sich rum vergisst." 


"Ohne dich wäre ich jetzt wieder gefangen. Vielleicht schon tot. Oder sie würden mir im Lager viele Dinge antun. Schlimmer als alles, was war. Ich habe gesehen, was sie dann machen. Du hast mich gerettet." Xoxo drehte sich wieder zu ihr um, stand auf. Sie war von Blut überströmt und verschmiert, von eigenen und fremden, in frischem nassen rot und angetrockneten rotbraun, atmete noch immer sehr heftig, ihr nackter Oberkörper stieg auf und ab und an ihren schaukelnen Brüsten tropfte das Blut herab. Sie hatte Schnittwunden an Oberarm und Oberschenkel und eine Platzwunde am Kopf sowie die Stichwunde hinten in der Schulter. Sie stand in voller Anspannung, man konnte jeden einzelnen Muskelstrang sehen, die weichen Polster waren ganz und gar entschwunden. "Ja, Schrecken kennt kein Ende. Man denkt immer, es ist vorbei, dann wird es noch schlimmer. Aber sag, was war das mit dir ?" "Was?" "Was hast du da gemacht ? Vor allem wie ?", Xoxo deutete auf die Toten. "Es waren Giftspitzen und ich sage dir, hätte ein Krummdolch dich erwischt, so wärest auch du auch an seinem Gift zugrunde gegangen. Du kannst dich glücklich schätzen, nur von ihren Lanzen geratscht worden zu sein." "Ja, es war unmöglich diesen unbeschadet auszuweichen, ich hatte es geahnt, aber die sind tatsächlich alle vergiftet ?" Vajria nickte stumm. Dann fügte sie hinzu: "Eines ihrer Erfolgsgeheimnisse." Xoxo spuckte in den Boden. "Wo hattest du sie her?" "Ich habe sie immer bei mir getragen. Sie stammen aus unserem Tempel, habe sie stets verborgen oder versteckt in meinem Hintern. So haben sie es nicht bemerkt." "Aber wieso erst jetzt ?" "Ich weiss nicht, nie schien der Moment wirklich geeignet gewesen zu sein. Das Risiko war immer viel zu hoch. Manchmal dachte ich meinem Leben damit ein Ende zu setzen und der Pein zu entkommen. Aber mein göttlicher Schwur verbietet es. Aber diesmal spürte ich, dass sie ihre Berufung gefunden hatten. Todessicher. Und darauf kommt es an. Für solche Momente sind sie geschaffen. Du machtest es möglich. Noch nie habe ich eine Frau so kämpfen gesehen. Du bist eine wahrhaftige Kriegerin. Ich bin froh ihnen entkommen zu sein. Und das ich auf dich traf. Du bist wahnsinnig. Und das du mich am Leben lässt. Es ist wie ein Wunder." Xoxo schaute sie sprachlos an. "Wo hast du das gelernt ?" Vajria nickte, "Es ist Teil einer Meditationsübung im Tempel," grinste leicht dabei und fuhr weiter. "Ein Teil meiner Ausbildung, eigentlich sogar der überwiegende Teil befasste sich mit der Formung von Seele, Geist und Körper und diese dreieinig zu vereinen. Man erreicht dann mit minimaler Kraft und Energie unglaublich viel, nutzt die Aura des Gegners für den eigenen Widerstand. Und dazu gehörte der Umgang mit Dolch und Wurfpfeil. Dies sind sehr spezielle Spitzen mit denen man auf zehn Meter ins Schwarze treffen kann. Und ich kann es blind." Vajria schien imstande und in Verfassung ihr einen Vortrag halten zu wollen. Xoxo runzelte die Stirn. Sie war wie verändert. "Blind ?Das mußt du mir unbedingt erklären, später in meiner Höhle. Wie so vieles. Denn eine Dienerin bist du nicht." Dann bückte sich Xoxo zum Getöteten und mit den geübten Schnitten eines Wildtöters hielt sie ihr rasch sein warmes Herz entgegen. "Es ist deins. Du hast den ersten Biss." Vajria schüttelte den Kopf. "Ich will nicht." Sie hatte geahnt, dass das folgen würde, dass Xoxo eine Bluttrinkerin war und sein Herz essen würde. "Du willst nicht ? Los, komm, es ist heilig und frisch." "Nein, er ist böse. Es ist nicht gut, sein verfluchtes Herz zu essen. Es vergiftet unseren Körper und unsere ganze Seele. Soll er als Aas zugrunde gehen, verteilt in alle Winde." "Dann mache ich es eben," Xoxo begann gierig vom Herzen zu essen. "Das Herz deines Feindes macht dich stark. Jeder geschlagene Gegner stärkt unsere eigene Kraft. Bei erlegten Tieren mache ich es auch so." "Nein, Tiere sind rein, aber er war nicht stark, er war feige, gemein und hinterhältig. Ein widerliches Schwein. Seine Seele ein Abbild der dämonischen Finsternis. Er hat gequält, gefoltert und lebendig gehäutet während er sich an sie vergangen hat. Er hat mir alles angetan und genommen, was ich war." "Xoxo schaute sie stumm und grüblerisch an während sie erneut abbiss, dann spuckte sie fluchend aus. "Er war das ? Verdammt, du hast recht." Dann schleuderte sie das restliche Herz in einen hohen Bogen durch die Luft. "Verflucht sollen ihre Seelen sein," rief sie aus. Dann ruhig, zu ihr gewandt. "Sein Herz hat auch nicht geschmeckt. Es war bitter," grisnte dabei breit. Nach einer kurzen Pause, sie sahen wie die ersten Raben über ihnen kreisten. "Bist du dir sicher, es kommen nicht mehr ?" "Nein, das waren alle, sonst wäre er nicht dabei, bestimmt. Das waren alle. Mehr kommen nicht." "Du kanntest ihn?" "Ja, er war ein Schwein," Vajrias Miene war plötzlich eisig und kalt, aber ihr Blick war klar und unverhangen. "Du zitterst nicht mehr und deine Augen, sie funkeln richtig." "Ja, es ist weg, alles ist weg. Abgefallen. Es passierte während mir klar wurde, was geschah und mein erster Pfeil den Feind niederstreckte. Ich fühle mich so überwältigt befreit und unendlich dankbar. Ich fühle wieder neues Leben, neue ungeahnte Stärke in mir fliessen, wie vorher, bevor alles begann. Und doch wird von nun an alles anders sein. Nichts wird mehr wie es war.  Ich bin mir jetzt sicher, dass du mich ihnen nicht ausliefern wirst. Ich vertraue dir, mein Blut ist dein." Vajria fiel auf einmal auf die Knie, küsste Xoxos dreckige Stiefel. "Verdammt, nein, komm hoch oder ... ich töte dich." Dann lachte Xoxo. "Komm", zog Vajria hoch und drückte sie für einen Moment fest an sich. "Du bist doch frei. Du mußt dich nicht unterwerfen. Ich halte keine Sklaven. Wir sind von nun an Freunde. Auch ich habe dir mein Leben zu verdanken, auch wenn du mich erst in diese Situation gebracht hast, aber früher oder später wäre es sowieso passiert." Vajria liefen die Tränen, sie schluchste. "Was ist mit dir?" "Nichts, gar nichts," vergrub ihr Gesicht in den kleinen Händen. Dann rieb sie sich die Wangen. "Ich fasse das alles nicht." Xoxo ergriff nun sanft ihre Arme. "Ach Vajria, komm, komm schon. Los." Und dann: "Wenn du jetzt wieder umfällst, ich warne dich, ich lass dich hier liegen, du kannst dann elendig verrotten, du miese stygische stinkende Schweinepest !" Xoxos Augen zwinkerten und leuchteten keck dabei. Sie fing an zu lachen. Das erste Mal sah sie ein strahlendes Lächeln in Vajrias bislang so niedergeschlagene und traurig düstere Miene aufbrechen. Es war wie ein herrliches Licht, bezaubernd und voll magischer Anziehungskraft, so wie die aufgehende Sonne Stygiens.    

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